Die Luft ist kühl. Erste Sonnenstrahlen streifen die Hütte. Es riecht nach Berg, eine Mischung aus nasser Erde, Holz und Heu. Der Kaffee auf dem Tisch dampft, die Füße in den dicken Wanderstiefeln wippen startbereit. Vielleicht spannen die Muskeln noch nach der letzten Etappe und einer von Schnarchern gestörten Nacht. Trotzdem, hier droben, auf der Hütte, aufzuwachen, das ist besonders. Und beliebt: Fast 900.000 Übernachtungen zählten die insgesamt 321 Berg- und Schutzhütten des Deutschen Alpenvereins (DAV) in den Alpen und Mittelgebirgen im vergangenen Jahr – deutlich mehr als noch 2017.
Für viele Wanderer ist gar nicht der Bergsport die Motivation. "Viele machen das nicht aus alpinistischem Antrieb. Die wollen nicht auf einen Gipfel", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Stattdessen gehe es um Erholung, Entschleunigung, um das Erleben der Natur. Und oft einfach auch um nicht-alltägliche Erfahrungen – zum Beispiel, sich nur mit kaltem Wasser waschen zu können.
Ursprünglich dienten die Unterkünfte auf den Alpengipfeln als Stützpunkte im Hochgebirge, als Schutzhütten im Wortsinn. Viele sind mehr als 100 Jahre alt. Alpinisten mussten sich damals in den einfachen Behausungen selbst versorgen. Mit den steigenden Ansprüchen der Touristen begann jedoch bald die Bewirtschaftung. Und der Beruf des Hüttenwirts entstand.
Wie aber ist es, über Wochen und Monate dort zu wohnen, wo andere nur für ein paar Wandertage vorbeikommen? Wo Stress, Lärm, Verkehr und Hektik zwar weit entfernt sind. Wo andererseits kein Supermarkt in der Nähe ist und kein Kino-, Theater- oder Restaurantbesuch die Zeit an verregneten Tagen vertreiben kann.
Das Leben auf Alpenhütten ist anders, ist anstrengend und anspruchsvoll. Hüttenwirte müssen Gastgeber, Hausmeister und Bergretter in einem sein, oft auch Techniker, Koch und gerne mal Wetterfrosch oder Streitschlichter für die Gäste. Und die eigene Freizeit ist knapp bemessen. Ein Traum- oder Albtraumjob?
Auch die fünf unterfränkischen DAV-Sektionen – Würzburg, Aschaffenburg, Schweinfurt, Bad Kissingen und Main-Spessart – unterhalten teilweise Hütten in den Alpen. Was lieben deren Wirte an ihrem Alltag? Warum haben sie dem Tal den Rücken gekehrt? Und welche Touren empfehlen sie rund um ihre Hütte? Eine Umfrage mit überraschenden Antworten.
- Infos und Fakten zu allen Hütten: DAV-Hüttensuche
- Wie viel Platz ist auf der Hütte? Schmeckt das Essen? Antworten gibt's im Hüttentest
Bad Kissinger Hütte – Sektion Bad Kissingen
Die Bad Kissinger Hütte liegt in den Tannheimer Bergen in Tirol. Bewirtschaftet wird sie seit Mai 2019 von Evelin und Harald Dobler:
Warum sind Sie Hüttenwirte geworden? Hüttenwirtsleute sind wir schlicht deshalb geworden, weil wir das Hüttenleben lieben. Wir haben schon oft auf Hütten, zum Beispiel auf der 2811 Meter hoch gelegenen Kaunergrathütte, mitgeholfen und dabei ist der Wunsch erwachsen, selbst eine Hütte zu bewirtschaften. Die Lage der Bad Kissinger Hütte hat uns sehr gefallen, deswegen haben wir uns beworben und gefreut, dass wir hier die Bewirtung übernehmen durften.
Was ist das Schönste am Leben in den Alpen? Wir kommen aus dem Pitztal, also aus den Zentralalpen. Das Leben in den Bergen ist eigentlich unser Alltag. Wir lieben unsere Heimat. Die Natur, die Berge, gerade am Aggenstein die vielfältige Pflanzenwelt, all das begeistert uns immer wieder.
Gibt es Dinge, die Sie dort oben vermissen und wenn ja, was? Während der Saison vermissen wir den Freundeskreis. Unsere beiden Töchter kommen so oft wie möglich zu uns auf die Hütte, aber die übrige Familie vermissen wir schon.
Ihr schönster Moment als Hüttenwirt: Die schönsten Momente für Wirtsleute sind der morgendliche Sonnenaufgang und der Umgang mit den Menschen hier.
Womit Gäste Sie auf die Palme bringen können: Auf die Palme bringen uns Gäste eigentlich nicht. Allerdings war der einmal von einem Gast heftig vorgetragene Wunsch nach einem besonderen warmen Essen morgens um 9 Uhr schon ungewöhnlich und sorgte für Verstimmung. Oft stressen sich Gäste schon im Aufstieg, den sie sich leichter vorgestellt haben, und sind dann entsprechend genervt. Aber der schöne Ausblick und die schöne Hütte besänftigen sie schnell.
Ihre Lieblingstour rund um die Hütte: Die Lieblingstour für uns ist ein Aufstieg zum Gipfel des Aggenstein (1985 Meter), frühmorgens, wenn die Natur erwacht. Dann ist der Ausblick überwältigend.
Edelhütte – Sektion Würzburg
Die Edelhütte liegt im Zillertal. Bewirtschaftet wird sie seit 21 Jahren von Gabi und Siggi Schneeberger:
Warum sind Sie Hüttenwirte geworden? Der Umgang mit Gästen macht uns Spaß. Wir lieben die Natur und die Berge. Außerdem kommt Siggi aus einer Gastronomie-Familie , wir haben den Beruf auch erlernt.
Was ist das Schönste am Leben in den Alpen? Unsere Gäste. Ohne die wäre es langweilig und eintönig. Besonders freuen wir uns über unsere Stammgäste, die sowohl aus der Region wie auch aus anderen Ländern stammen und immer wieder kommen. Das Besondere dabei: Sie kommen nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem Gleitschirm und landen bei uns.
Gibt es Dinge, die Sie dort oben vermissen und wenn ja, was? Ja, wenn man kurzfristig etwas benötigt, wäre es schon schön, einfach zum nächsten Geschäft zu gehen und einzukaufen.
Ihr schönster Moment als Hüttenwirt: Für uns sind die schönsten Momente, wenn unsere Enkelkinder bei uns sind.
Womit Gäste Sie auf die Palme bringen können: Eigentlich können uns Gäste nicht auf die Palme bringen, da unser Motto lautet: der Kunde ist König. Unfaire Bewertungen in Portalen treffen uns aber schon. Diese sind Gott sei Dank selten.
Ihre Lieblingstour rund um die Hütte: Das ist eindeutig der Weg von der Hütte zur Ahornspitze.
Gaudeamus-Hütte – Sektion Main-Spessart
Die Gaudeamus-Hütte liegt am Fuß der Törlspitzen auf einem Almboden auf der Südseite des Wilden Kaisers. Bewirtschaftet wird sie von der Familie Leichtfried – bisher von Martin und Anni Leichtfried, im kommenden Jahr übernimmt Sohn Robert offiziell:
Warum sind Sie Hüttenwirte geworden? Wegen der Arbeit mit Menschen und aus Liebe zu den Bergen.
Was ist das Schönste am Leben in den Alpen? Die Abgeschiedenheit vom Tal und die Ruhe, die nach einem langen Tag auf der Terrasse einkehrt.
Gibt es Dinge, die Sie dort oben vermissen und wenn ja, was? Vermissen tue ich eigentlich nur das Bergsteigen, da man dazu selbst keine Zeit mehr hat.
Ihr schönster Moment als Hüttenwirt: Als wir im Wilden Kaiser das Auto eines Vermissten gefunden haben und er dann nach drei Tagen gerettet werden konnte.
Womit Gäste Sie auf die Palme bringen können: Da gibt's ein paar Sachen, aber das lassen wir uns nicht anmerken ;-)
Ihre Lieblingstour rund um die Hütte: Ellmauer Tor – Hinterer Goinger Halt (2192 Meter)
Vernagthütte – Sektion Würzburg
Die Vernagthütte liegt in den Ötztaler Alpen, zwischen den Gletschern Guslar- und Vernagtferner. Bewirtschaftet wird sie seit 19 Jahren von Martin und Angelika Scheiber:
Warum sind Sie Hüttenwirte geworden? Martins Vater hat die Hütte schon mehr als 30 Jahre lang bewirtschaftet. Dadurch hat er einen Großteil der Kindheit auf der Hütte verbracht, sie ist also sein zweites Zuhause.
Was ist das Schönste am Leben in den Alpen? Die Berge, Natur und Ruhe.
Gibt es Dinge, die Sie dort oben vermissen und wenn ja, was? Mehr Zeit für das Familienleben.
Womit Gäste Sie auf die Palme bringen können: Gäste stellen manchmal viel zu hohe Ansprüche. Sie wissen oft gar nicht, was es heißt, das man alles selber besorgen oder erzeugen muss – vom Wasser bis zum Strom. Auch Ungeduld ist anstrengend.
Ihre Lieblingstour rund um die Hütte: Fluchtkogel; Hochvernagtspitze; Guslarspitze
Schweinfurter Hütte – Sektion Schweinfurt
Die Schweinfurter Hütte liegt in den Stubaier Alpen. Bewirtschaftet wird sie seit 2011 von Carmen und Andreas Jeitner.
Nach Angaben des Hüttenreferenten der Sektion Schweinfurt, Reiner Voß, sind die Jeitners "Wirte aus Leidenschaft". Sie lebten vor ihrere Zeit auf der Schweinfurter Hütte bereits jahrelang auf einer Hütte im Kaunertal in Tirol. Leider haben sie unseren Fragebogen nicht beantwortet.
Hüttenreferent Voß empfiehlt ersatzweise als "Lieblingstour rund um die Hütte" den Wilhelm-Oltrogge-Weg, der von Hochötz zur alten Bielefelder Hütte und über die Achplatte zur Schweinfurter Hütte führt.
Was bei einer Hüttenübernachtung laut DAV nicht fehlen darf: Hüttenschlafsack (aus Hygienegründen); Handtuch, Zahnbürste und Zahnpasta; ein kleiner Müllsack für Abfälle; eine Stirnlampe oder Taschenlampe; Ohrstöpsel für Hellhörige; Hütten- oder Hausschuhe