Es gilt als Vorzeigeeinrichtung: Seit 30 Jahren liefert das in Würzburg gegründete und angesiedelte Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE) wertvolle Beiträge zur Energiewende – an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft, von Grundlagen und Industrie. Nun wird es in seine drei Standorte Würzburg, Garching und Erlangen aufgeteilt. Der Plan für Würzburg mit seinem einzigartigen ZAE-Forschungsgebäude (Energy Efficiency Center) am Hubland: Eine Überführung in die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Die Partner vor Ort sind sich einig, aber noch ringen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium um die praktische Lösung. Die Sache ist offenbar zum Politikum geworden.
Was ist das Besondere am ZAE?
Das ZAE wurde 1991 mit Förderung durch das bayerische Wirtschaftsministerium als außeruniversitäres Forschungsinstitut in Würzburg gegründet. Im Mittelpunkt steht der Technologietransfer im Zeichen der Energiewende: Das ZAE sollte vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kommunen wissenschaftlich bei nachhaltigen Energietechniken unterstützen. Geforscht wird heute an den Standorten Würzburg und Garching. Ziel ist eine CO2-Neutralität durch möglichst intelligente und effiziente Nutzung erneuerbarer Energien, um so dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dafür werden Methoden und Systeme entwickelt.
Was zeichnet den ZAE-Standort Würzburg aus?
Hier lag bisher die Federführung für das ZAE in ganz Bayern, mit dem Sitz des Trägervereins – er wechselt nun nach Garching. Spezialisiert hat man sich in Würzburg auf das Thema energieeffizientes und klimagerechtes Bauen. Das 2013 in Betrieb genommene ZAE-Gebäude am Hubland ist nicht nur Sitz für Wissenschaftler und Verwaltung, sondern in sich ein "lebender" Forschungsbau: Hier können vor Ort neue Techniken erprobt werden. Erforscht werden Materialien, Komponenten und Systeme, um Gebäude und ganze Quartiere energetisch zu verbessern.
Die Arbeiten werden in enger Kooperation mit Unternehmen und anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt. Dadurch bringt das ZAE neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die praktische Anwendung. So ist der Würzburger Bereich international führend bei der Entwicklung bestimmter Formen von Wärmedämmung. Aktuell fördert das Bundeswirtschaftsministerium mit rund drei Millionen Euro ein Projekt, das die Versorgung von Gebäuden mit grünem Strom, Wärme, Kälte und Frischluft zusammenbringt – unter anderem mit völlig neuartigen Solarkollektoren, die gleichzeitig zur Kühlung von Häusern genutzt werden können.
Warum wird die Einrichtung nun zergliedert?
Das bayerische Wirtschaftsministerium hat die "institutionelle Grundfinanzierung" des ZAE zum Jahresende 2021 auslaufen lassen. Damit fehlt dem Institut ein Fünftel des Etats von bislang rund zehn Millionen Euro – vier Fünftel kamen über Projektmittel von Bund, Ländern oder Unternehmen. Als Begründung für den Rückzug nennt das Ministerium den strategischen Vorrang für Wasserstofftechnologien. Kritisch sieht man im Aiwanger-Ministerium offenbar aber auch das bisherige ZAE-Konstrukt mit den unterschiedlichen Standorten: Auf Anfrage verweist ein Sprecher auf "anhaltende organisatorische und strukturelle Ineffizienzen", außerdem werde "weniger anwendungsorientiert und mehr an Grundlagen geforscht".
Durch das Aus für die Grundfinanzierung suchen die drei bisherigen ZAE-Standorte nach neuen Trägerschaften: Erlangen mit seiner Photovoltaik-Forschung ist unter das Dach des Helmholtz-Instituts geschlüpft, Garching versucht es in Eigenregie durch die Fortführung des bisherigen ZAE-Trägervereins. Und in Würzburg wäre die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) bereit, das ZAE als Forschungsinstitut zu integrieren.
Um welche Größenordnung geht es am Standort Würzburg?
Mit einem Jahresumsatz von rund 3,5 Millionen Euro und aktuell rund 40 Mitarbeitenden, überwiegend Physikerinnen und Physiker, werden jährlich rund 25 größere öffentliche Projekte überwiegend mit Industriebeteiligungen durchgeführt. Gelder dafür kommen von Bundes- und Landesministerien, der EU sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Außerdem erhält das ZAE Würzburg eine Vielzahl an direkten Aufträgen aus der Industrie. Nach Aussage von Vorstand Hans-Peter Ebert ist das ZAE für die nächsten drei Jahre voll ausgelastet. Mit der Hochschule habe man sich gut abgestimmt und könne konkrete Pläne für eine Übernahme auf den Tisch legen – auch wenn noch viele schwierige Detailfragen zu klären seien.
Passt das ZAE zur Hochschule für Angewandte Wissenschaften?
Schon seit Jahren arbeiten beide in Projekten eng zusammen. Laut FHWS-Präsident Robert Grebner wurde er bereits 2020 vom Wirtschaftsministerium gefragt, "ob eine Integration in die Hochschule möglich sei". Für die FHWS mit ihrer praxisorientierten Wissenschaft gilt das ZAE als natürlicher Partner und wäre nach Eingliederung eine wertvolle Ergänzung. Grebner erwartet Synergien, vor allem über die Ingenieursfakultäten Elektrotechnik und Maschinenbau. "Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels ist es wichtig, mit Hilfe angewandter Energieforschung Systeme zu entwickeln, die den Energieeinsatz reduzieren oder erst gar nicht notwendig machen", so der Hochschulpräsident. Das ZAE Würzburg habe hier deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal und bringe Forschungsmittel für Unternehmen nach Bayern bzw. Würzburg.
Was sagen die beiden Ministerien zur Zukunft des ZAE in Würzburg?
Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium unter Führung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Bernd Sibler (CSU) müssen sich für einen Übergang des Instituts in die FHWS und damit die Sicherung von Forschung, Projekten und Arbeitsplätzen einigen. Einen Fortbestand des ZAE wünscht man sich auch im Wirtschaftsministerium, man unterstreicht die Pionierarbeit in der Energieforschung. Deshalb, so ein Sprecher, stelle das Ministerium eine finanzielle Unterstützung bei der Überführung in eine neue Trägerschaft in Aussicht. Bayerns Wissenschaftsminister Sibler ist aufgeschlossen für die Eingliederung in sein Ressort, sieht aber das Aiwanger-Ministerium in der Pflicht und verweist diplomatisch auf einen Beschluss des Ministerrates: Der habe "das Wirtschaftsministerium beauftragt, gemeinsam mit uns ein Konzept zur haushaltsneutralen Überführung des ZAE in eine andere Trägerschaft auszuarbeiten". Man sei in Gesprächen zwischen den Ministerien, das Thema habe hohe Relevanz – "ist aber ausgesprochen kompliziert."