
Wenn doch bloß diese Wolken nicht wären: Die Betreiber von Solarstrom-Anlagen müssen seit jeher mit der Unwägbarkeit klarkommen, dass plötzlich Schatten über ihre Module ziehen. Das wäre nicht weiter der Rede wert, doch jene Wolken lassen die Leistung der Anlagen schlagartig in den Keller rauschen.
Dieser abrupte Spannungsabfall kann sich im schlimmsten Fall bis zu den Stromabnehmern fortsetzen und zum Beispiel sensible Elektrogeräte in Haushalten oder Unternehmen beschädigen. Schon aus diesem Grund sind Netzbetreiber wie die Überlandzentrale (ÜZ) Mainfranken in Lülsfeld daran interessiert, diese mitunter nur wenige Minuten dauernden Schwankungen zu glätten. Die Genossenschaft im Kreis Schweinfurt hat sich deshalb einem Forschungsvorhaben des Zentrums für Angewandte Energieforschung (ZAE) in Würzburg angeschlossen.
Beispiel ÜZ Mainfranken: Wie sehr Solarstrom-Anlagen gefragt sind
Hinter dem ZAE-Projekt steckt schon deshalb Druck, weil Sonnenstrom-Anlagen derzeit enorm gefragt sind. So ist das ÜZ nach eigenen Angaben wegen des großen Bedarfs und aus technischen Gründen "nur begrenzt in der Lage, die aktuell vorliegenden Anfragen zum Anschluss von Solarkraftwerken zu bedienen".
Die ÜZ-Zahlen sprechen eine klare Sprache: Nahezu 7600 Fotovoltaik-Dachanlagen speisen zurzeit ins Netz der Lülsfelder ein und bringen es auf eine Leistung in der Spitze von 147 Megawatt. Die anderen 370 Öko-Strom-Erzeuger von Solarparks auf Feldern über Windkraft-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen bis hin zu Blockheizkraftwerken kommen zusammen auf rund 162 Megawatt, also unwesentlich mehr als die Solaranlagen auf Gebäuden.
Millionen-Investition in neue Umspannwerke
Die Nachfrage wird in nächster Zeit nicht nachlassen. Denn dem ÜZ liegen Anfragen zur Installation von Solarstromanlagen vor, die es zusammen auf 300 Megawatt und damit auf das Doppelte des aktuellen Gesamtwertes bringen. Das schiebt die Lülsfelder auch in anderer Hinsicht an Grenzen: Nach Darstellung des ÜZ-Bereichsleiters Netze, Elmar Tell, wird das Unternehmen in den kommenden Jahren mehrere Millionen Euro für den Bau von wahrscheinlich zehn neuen Umspannwerken investieren müssen.
Wegen des Solarstrom-Booms "werden die Probleme größer", meint Tell allein mit Blick auf die Spannungsschwankungen. Zu bedenken sei, dass Netzbetreiber in Deutschland gesetzlich gezwungen sind, von Externen erzeugten Ökostrom abzunehmen. Und damit holen sich Versorger wie das ÜZ auch immer mehr jener heiklen Spannungsschwankungen ins Haus, die durch die Schatten der Wolken so unberechenbar auftreten.
Das Netz stabil zu halten, das ist auch im Sinne von Stephan Braxmeier. Der Physiker ist beim ZAE mit dem vom Bund mit 2,6 Millionen Euro geförderten Forschungsvorhaben befasst. Man stehe zwar erst am Anfang, doch schon jetzt sei klar: Es muss ein ultraschneller Kurzzeitspeicher her, der das schnelle Auf und Ab bei den Solaranlagen so abfedern kann, dass das Stromnetz so stabil wie möglich bleibt.
In Lülsfeld soll eine Demo-Anlage gebaut werden
Braxmeier schwebt vor, dass dafür ein Kondensator zwischen die Module einer Solaranlage und den Wechselrichter geschaltet wird, der den Gleichstrom der Anlage in Wechselstrom für die Steckdose verwandelt. Im Gegensatz zu handelsüblichen Batterien mit ihrer chemischen Wirkungsweise speichere ein Kondensator den Strom elektrostatisch. Vorteile: Das Speichern geht schneller, Kondensatoren halten länger. Nachteil: Sie können laut Braxmeier den Strom nicht so lange speichern wie Batterien.
Das sei aber auch gar nicht notwendig, so der Physiker. Denn die sogenannten Ultrakondensatoren sollen einfach nur die Spitzen bei der Solarstrom-Erzeugung herausnehmen und wenig später Abstürze zum Beispiel wegen Wolkenschatten durch Rückgabe von gespeichertem Strom ausgleichen.
Das ZAE-Forschungsprojekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Schon 2022 wird nach den Worten von ÜZ-Portfoliomanager Marco Keller in Lülsfeld eine Demo-Anlage gebaut werden, mit der die gefürchteten Spannungsschwankungen im Rahmen des Projekts getestet werden sollen. Ob dann schon bald die Wolken keine Sorgen mehr machen, bleibt offen. ZAE-Physiker Braxmeier übt sich in Geduld: "In zwei Jahren wissen wir mehr."