In der Pandemie fühlen sich viele Studierende von der Politik vernachlässigt, aktuell läuft auch das vierte Corona-Semester wieder überwiegend digital. Das sorgt für Frust. Dabei macht sich Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) grundsätzlich für Präsenz an den Hochschulen stark. Im Gespräch erklärt er, warum.
Bernd Sibler: Ich war im Oktober froh, in strahlende Gesichter der Studierenden schauen zu können, weil Präsenz wieder möglich war. Dann kam die nächste Welle, jetzt Omikron – vieles musste wieder auf digital umgeschaltet werden. Allerdings haben wir in Bayern ein sehr differenziertes Bild. Eine Reihe von Universitäten bietet weiterhin kleinere Veranstaltungen in Präsenz an. Es gibt deutliche Verbesserungen zu den drei Semestern davor, aber es ist ein Semester des Übergangs.
Sibler: Wir bekommen unterschiedliche Rückmeldungen. Etliche Studentinnen und Studenten sagen, dass sie sich gerade vor einer Prüfung keinem Infektionsrisiko aussetzen wollen. Andere wünschen sich mehr Angebote vor Ort, vor allem an den Unis. Unter Einhaltung der Hygienebestimmungen plädiere ich für mehr Präsenz.
Sibler: So viel Präsenz wie möglich und verantwortbar. In Würzburg zum Beispiel sind die Infektionszahlen zuletzt stark gestiegen, die gesundheitlichen Abwägungen müssen wir im Auge behalten. Klar ist: Praktische Einheiten wie Laborarbeit oder Sport finden weiter in Präsenz statt, auch die Prüfungen mit 3G-plus-Regel.
Sibler: Man lernt nicht nur kognitiv mit dem Kopf, es geht auch um das soziale und emotionale Lernen, um den direkten Austausch. Akademisches Lernen braucht Diskussion und Dialog. Da geht beim digitalen Format einiges verloren, deshalb kämpfe ich für Präsenz. Nur verantwortbar muss sie eben sein. Deshalb haben wir je nach Format der Lehrveranstaltung und auch regional unterschiedliche Regelungen, jeweils angepasst an die Corona-Situation.
Sibler: Wir wollen so viel Präsenz wie möglich und verantwortbar. Aber die Situation ist von Ort zu Ort, von Fach zu Fach unterschiedlich, deswegen macht eine Bewertung vor Ort auch Sinn. Die einzelnen Hochschulen können die Situation gut ausloten, weil die Rückmeldungen der Studierenden sehr unterschiedlich sind.
Sibler: Das ist sicher nicht die Regel. Wo es im Einzelfall Probleme gibt, schauen wir uns das an. Wir haben mit den für die Lehre zuständigen Vize-Präsidenten der Hochschulen vereinbart, dass bei einer Abkehr von der Präsenz ordentliche digitale Angebote sichergestellt sein müssen. Und über die letzten Semester hat die digitale Lehre nochmals an Qualität gewonnen. Grundsätzlich haben wir den Hochschulleitungen klar gemacht: Wo es geht, sollte Präsenz durchgeführt werden.
Sibler: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 8. und am 27. Dezember die 2G-Regelung auch für die Hochschulen bestätigt. Es gab also bereits Klagen, wir bewegen uns rechtlich auf sicherem Boden. Die Entscheidungen waren vorläufig, wir sind aber optimistisch, dass sie Bestand behalten.
Sibler: Wir stehen im Austausch mit den Studierendenvertretungen und ich spreche vor Ort mit Studentinnen und Studenten. Wir können insgesamt sehr stolz auf sie sein, die Impfquote ist mit rund 90 Prozent höher als in anderen Bevölkerungsgruppen. Von daher ist das Problem überschaubar. Aber ja, man muss die Gruppe der ungeimpften Studierenden im Auge behalten und digitale Angebote sicherstellen. Über die Jahreswende haben wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen mehr Widerstand gegen 2G wahrgenommen, aber an den Hochschulen ist das ist keine große Gruppe.
Sibler: Mir ist wichtig, dass auch dieses Semester gut studiert werden kann und keine Zeit verloren geht. Als erstes Bundesland haben wir auf meine Initiative neben Terminen und Fristen auch die Regelstudienzeit mit Blick auf das BAföG erneut verlängert. Und an den Hochschulen strengen sich Verwaltung und Lehrpersonal wirklich an, um das Beste aus der Situation zu machen. Natürlich: Studieren vor der flachen Scheibe bzw. nur am Computer ist nicht das Ideal eines studentischen Lebens.
Sibler: Die Infektionszahlen im Sommer sind normalerweise rückläufig, darauf hoffe ich. Wir planen ein Sommersemester in Präsenz. Wir sind dazu mit den Hochschulen im Austausch. Die Präsenz muss die Regelform sein, auch wenn wir den Innovationsschub in der digitalen Lehre aus den Online-Semestern langfristig nutzen wollen. Digitale Angebote können die Präsenzlehre klug ergänzen.
Zwei Fragen habe ich vermisst:
Wie wird die Weinernte in diesem Jahr?
Welche Virusvariante wird im kommenden Herbst die sechste Welle bestimmen?