Immer mehr Corona-Infektionen: Die Gesundheitsämter stoßen bei der Nachverfolgung von Kontakten längst an ihre Grenzen. Händeringend wird Personal gesucht, und auch der Freistaat versucht mit Umschichtungen aus seinen Behörden und Einrichtungen zu helfen. Doch die Abordnung an die Gesundheitsämter ist offenbar komplizierter als gedacht.
Ministerium hat Hochschulen zur Unterstützung der Gesundheitsämter aufgerufen
Beispiel Hochschulen: Sie wurden vom Wissenschaftsministerium aufgerufen, bestimmte Kontingente an Mitarbeitern zu benennen, die bei Bedarf das sogenannte Contact Tracing unterstützen. Die Rekrutierung erfolge freiwillig, so eine Sprecherin des Ministeriums, die Resonanz sei gut. Sowohl Beschäftigte aus der Hochschulverwaltung wie aus dem wissenschaftlichen Bereich kämen dafür in Frage.
Niemand solle zwangsverpflichtet werden. Man setze auf die Bereitschaft der Mitarbeiter, heißt es auch aus der Uni Würzburg. Dort hat man laut Sprecher Gunnar Bartsch, wie vom Ministerium gewünscht, 25 Personen für den Einsatz in Gesundheitsämtern benannt. Nach Informationen dieser Redaktion erfolgte deren Mobilisierung bisweilen mit "sanftem Druck". Statt auf freiwillige Meldungen zu warten, wurden Mitarbeiter von ihren Lehrstühlen konkret für den Corona-Dienst vorgeschlagen. Er wird vom Freistaat wie die bisherige Tätigkeit an der Hochschule bezahlt, plus eine monatliche Zulage von 18 Euro.
Doch die Euphorie für den vorübergehenden Jobwechsel hielt sich an der Uni offenbar in Grenzen. Aus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) wurden laut Ministerium weitere fünf Mitarbeiter, von der Hochschule für Musik noch eine Person für das Contact Tracing benannt.
Warum werden die Uni-Mitarbeiter von den Ämtern nicht abgerufen?
Insgesamt stünden damit aus den drei Würzburger Hochschulen eigentlich 31 Kräfte für die Gesundheitsämter zur Verfügung. Doch beansprucht werden sie bisher kaum – aller Personalnöte zum Trotz. Von den 25 Uni-Leuten sind aktuell gerade einmal fünf an Gesundheitsämter abgeordnet, drei von ihnen in Würzburg. Wie passt das zusammen?
Ist die Meldung bei den Gesundheitsämtern überhaupt angekommen? Es herrscht Verwirrung. Das Ministerium bezifferte die Zahl der gemeldeten Uni-"Freiwilligen" zunächst gar mit 39, korrigierte dann auf 25. Aus dem Würzburger Gesundheitsamt heißt es wiederum, es stünden zwar aus der FHWS noch vier und aus der Musikhochschule zwei Mitarbeiter bereit, hingegen keine weiteren Kräfte aus der Universität.
Gesundheitsamt Würzburg: Es fehlt an Räumen und Software
Aber selbst wenn: Im gemeinsamen Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Würzburg, untergebracht am Landratsamt, fehlt es schlicht an Räumen – und an einer Software, die eine Kontaktverfolgung auch aus dem Homeoffice ermöglichen würde. "Wir können unsere Datenbank nicht webbasiert einsetzen", erklärt Sprecherin Dagmar Hofmann.
Die Folge: Alle Contact Tracer können nur vor Ort im Landratsamt arbeiten. Doch die räumlichen Kapazitäten seien erschöpft, "daher befindet sich aktuell kein weiteres Personal im Einsatz". Der Engpass in Gesundheitsämtern ist also nicht nur eine Frage von Personal, sondern nicht minder von Räumen und technischer Ausstattung.
Seit Mai war klar, dass der Herbst und der Winter nochmal sehr kritisch werden. Ein Schwerpunkt der Strategie - sofern eine solche tatsächlich vorhanden war - sollte die Kontaktnachverfolgung sein. Also hat man das knappe halbe Jahr genutzt, um Personal zu gewinnen, zu schulen, die Räumlichkeiten und Arbeitsplätze zu rekrutieren, Technik aufzubauen bzw. bereit zu stellen und zu optimieren.
Jetzt schreiben wir den 1.11. und war stellen erschüttert wir fest:
Die Gesundheitsämter sind schon einige Wochen nicht mehr in der Lage, alle Kontakte nachzuverfolgen, es droht jetzt die Gefahr, dass sie den Überblick komplett verlieren.
Es fehlen Arbeitsplätze, Räumlichkeiten, Personal, Technik, vernünftige Programme usw.
Zur gleichen Zeit kommt absolut notwendige Lock down, denn die Intensivstationen drohen zu kollabieren.
Das versteht auch der wirklich vernünftige Bürger, der auch weiterhin alle Maßnahmen mittragen wird, nicht mehr.
So viel zum Thema Vorbereitung. Bayern und die Gesundheitsämter haben einen ganzen Sommer lang Zeit gehabt, sich auf diese absehbare Situation vorzubereiten. Ergebnis negativ.
Abgesehen davon, dass 75% der Infektionen bereirs jetzt nicht mehr nachverfolgt werden können. Da helfen auch ein paar zusätzliche Kräfte nichts mehr. Auch diese Situation ist im März / April von mehreren Virologen (u.a. Streeck und Drosten) vorausgesagt worden. Eine sinnvolle Strategie hat man leider nicht entwickelt.