"Haben Sie ein Kratzen im Hals oder leiden Sie unter Geschmacksverlust?" Typische Symptome für eine Corona-Erkrankung. Täglich stellen die Mitarbeiter im Haßfurter Gesundheitsamt diese Frage. Die Nachverfolgung von möglichen Corona-Kontaktpersonen soll helfen, Infektionsketten des Virus zu durchbrechen. In ganz Bayern leisten in 71 staatlichen und fünf kommunalen Gesundheitsämtern Tag für Tag Hunderte von "Fahndern" diese lebenswichtige Arbeit. Viele von ihnen gehen inzwischen selbst auf dem Zahnfleisch, wie es so schön heißt, wenn jemand langsam ans Ende seiner Kräfte gelangt - oder darüber hinaus.
Siebentausend Stunden für Corona
"Wenn ich einen Wunsch frei hätte", sagt Horst Hofmann, "würde ich mir wünschen, dass wir ab Sommer 2021 da endlich wieder rauskommen." Da rauskommen - das ist die Corona-Krise, die seit ihrem Ausbruch im Frühjahr das Landratsamt Haßberge nicht nur beschäftigt, sondern eigentlich mit Beschlag belegt. "Siebentausend Stunden", so der Geschäftsleiter der Behörde, seien seitdem ausschließlich wegen Corona angefallen. Alleine bis Juni waren seit Ausbruch der Pandemie 160 Mitarbeiter im Einsatz. Inzwischen hat der Landkreis die Stufe Rot auf der Alarmierungsampel der Staatsregierung erreicht, das heißt, die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz lag Stand Montag bei 74,66.
Bundeswehr beteiligt sich mit 16 Mann am Kampf gegen Corona
Diese Zahl bedingt alleine schon bei der Ermittlung und Nachverfolgung von Kontaktpersonen sowie bei der Überwachung der Quarantäne einen gewaltigen Personalaufwand. Seit September hat der Freistaat Bayern deshalb Verstärkung in die Kreisstadt geschickt; sechs Mitarbeiter, die bis Ende des Jahres abgestellt sind. Landrat Wilhelm Schneider hat zudem einen weiteren Hilfeleistungsantrag bei der Bundeswehr gestellt, dem auch entsprochen wurde. Die Truppe beteiligt sich mit 16 Mann am Kampf gegen Corona. Einige sind bereits im Einsatz und verstärken das Team im "Bayerischen Testzentrum" am Kreisabfallzentrum in Wonfurt, wo sich Bürger auf Corona testen lassen können. Diese Soldaten kennen sich hierzulande bereits aus, denn sie kommen aus der Haßfurter Patenkompanie, der 3. Kompanie des Logistikbataillons 467 in Volkach. Ebenfalls aus Volkach, allerdings aus der Stabskompanie, kommt diese Woche weitere Verstärkung. Ferner unterstützen drei Polizisten das Contact Tracing Team (CTT).
Von früh um acht bis abends um elf
Die Hauptaufgabe dieser Contact Tracing Teams, denen eigens dafür geschulte Mitarbeiter angehören, ist herauszufinden, wer mit positiv getesteten Corona-Patienten Kontakt gehabt haben könnte. Dem Haßfurter CTT gehören derzeit insgesamt 28 Mitarbeiter an. "Und für dieses Team fängt der Dienst früh um acht Uhr an und dauert bis abends um elf", unterstreicht der Geschäftsleiter des Landratsamtes.
"Die kernigen Arbeiten", so Horst Hofmann, "oder die Beurteilung von Rechtsfragen" erledigten jedoch ausschließlich die eigenen Leute, also Mitarbeiter des Landratsamtes. Für die "zugewiesenen Kräfte" sei man zwar dankbar und sie erfüllten auch wichtige Aufgaben, müssten jedoch erst einmal ausgebildet werden - zumindest in einer Art von Intensivkurs. Das habe natürlich zur Folge, dass trotz der Personalaufstockung die Mitarbeiter des Amts "ganz dick drinhängen", so Hofmann. Der Druck sei "unglaublich". Denn Corona belastet die Behörde nicht nur direkt, sondern auch indirekt, wenn andere Abteilungen durch die Auswirkungen der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen werden.
"Randerscheinungen" belasten zusätzlich
Dabei könne es sich um Schulfragen handeln, wobei ja ständig die Corona-Ampel im Auge behalten werden müsse, oder andere Belange. "Zum Beispiel ist die Bautätigkeit stark angestiegen. Manch einer hat seine Kurzarbeit genutzt, um Bauvorhaben in Angriff zu nehmen", so Hofmann. Auch das schlage sich zusätzlich bei der Behörde nieder. Ebenso habe die Zahl der Anträge auf Ausbildungsförderung deutlich zugenommen. Das heißt, diese Abteilungen könnten nicht nur das Gesundheitsamt nicht personell unterstützen, sondern seien selbst durch diese "Randerscheinungen" bis an die Grenzen ausgelastet.
Überstunden ausbezahlen
Zwar habe man im Sommer die Gelegenheit genutzt, so Hofmann, ein paar Überstunden abzubauen. Aber inzwischen seien schon wieder Hunderte davon aufgelaufen. Diese könnten unmöglich abgefeiert werden. Es bleibe nichts anderes übrig, so der Geschäftsleiter des Landratsamtes Haßberge, als einen Großteil dieser Überstunden auszubezahlen. Zumal ja niemand einschätzen könne, ob und - wenn ja - wann im nächsten Jahr die Möglichkeit gegeben sein werde, Überstunden auszugleichen.
Horst Hofmann macht gleichzeitig deutlich, dass man von staatlicher Seite in den 90-er Jahren wohl gedacht habe, man könne auf viele Leistungen für die Gesundheitsämter verzichten. "Jedenfalls war das Augenmerk nicht auf die Gesundheitsämter gerichtet." Dies räche sich nun. "Für eine Pandemie waren die Gesundheitsämter definitiv nicht ausgestattet." Deshalb musste das Landratsamt "aus dem Stand Mitarbeiter in großem Stil" abtreten.
Jetzt geht Unmögliches
Aber einen positiven Nebeneffekt habe Corona doch zu verzeichnen, so Hofmann mit einem eher gequälten Lächeln. "Man zieht jetzt die Konsequenzen daraus." Es würden jetzt Dinge möglich, die zuvor unmöglich erschienen waren. Zum Beispiel erfolge jetzt die "digitale Erschließung der Gesundheitsämter", Datenbanken, unterschiedliche Software würden nun angeglichen, auf den neuesten Stand gebracht. "Und da gibt es einiges an Verbesserungsbedarf", so Hofmann.
Leise Hoffnung
Womit wir wieder bei den Wünschen des Geschäftsleiters wären. "Ich habe zwar die Hoffnung aufgegeben, dass wir bis März aus dieser Lage rauskommen. Aber wenn uns das wenigstens bis Sommer 2021 gelänge, das wäre wichtig. Denn es bleiben logischerweise viele Dinge liegen, die doch irgendwann erledigt werden müssen. Und irgendwann sind auch einmal die Kräfte der Corona-Mitarbeiter - ob aus dem Landratsamt oder von außerhalb - endgültig erschöpft."
Mainpost: Warum die Gesundheitsämter auf Corona nicht vorbereitet waren
"Leise Hoffnung
Womit wir wieder bei den Wünschen des Geschäftsleiters wären. "Ich habe zwar die Hoffnung aufgegeben, dass wir bis März aus dieser Lage rauskommen. Aber wenn uns das wenigstens bis Sommer 2021 gelänge, das wäre wichtig. Denn es bleiben logischerweise viele Dinge liegen, die doch irgendwann erledigt werden müssen.
Und genau deswegen müssen die Gesundheitsämter von Außen neues Personal einstellen und dieses neue Personal ausbilden.
Mainpost: Warum die Gesundheitsämter auf Corona nicht vorbereitet waren 26.10.2020 | aktualisiert: 26.10.2020 18:30 Uhr
Und irgendwann sind auch einmal die Kräfte der Corona-Mitarbeiter - ob aus dem Landratsamt oder von außerhalb - endgültig erschöpft."