Die meisten Corona-Patienten auf Intensivstationen sind ungeimpft. Warum haben sie sich nicht impfen lassen und was denken sie jetzt über ihre Entscheidung? Vier Betroffene, die in Kliniken der Region Würzburg behandelt wurden oder noch werden, schildern ihre Situation - und ihre Einstellung. Zwei Erkrankte wollten in den Gesprächen nur ihren Vornamen nennen, die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt.
Patientin 1: Die junge Frau, die unsicher war
"Ich möchte helfen, dass andere Leute nicht so blöde sind, wie ich." Anfang Oktober erkrankte Ömür K. an Corona, wurde mit 41 Grad Celsius Fieber in die Klinik in Kitzingen eingeliefert und kämpfte zehn Tage lang auf der Intensivstation um ihr Leben. "Ich weiß davon nicht viel", sagt sie. "Wenn ich wach war, war es ein Alptraum."
Ömür K. ist hübsch und lebenslustig. Eine Corona-Leugnerin oder Impfgegnerin ist sie nicht. Ihre Eltern und einige Bekannte wollten sie zum Impfen überreden, erzählt sie. Doch sie habe von angeblichen Folgen gehört. Besonders die Falschinformation über Unfruchtbarkeit, die durch die Impfung ausgelöst würde, verunsicherte die junge Frau aus Ochsenfurt. "Also habe ich lieber aufgepasst und immer Abstand gehalten", schildert sie bei einem persönlichen Treffen. Ömür K. hatte Angst mit der Impfung einen Fehler zu machen, den sie später bereuen würde.
Heute bereut sie den Fehler, auf die Impfung verzichtet zu haben. Corona hat bei ihr Lunge, Herz und Gehirn angegriffen. Sie berichtet von Angstzuständen und Wortfindungsstörungen. "Die Ärzte sagen, dass es auch in den nächsten Monaten noch Spätfolgen geben kann." Nach der langen Zeit im Krankenhaus arbeitet sie jetzt wieder. Aber immer wieder merkt die junge Frau: Gesund ist sie noch nicht.
Patient 2: Der Landwirt, der Todesangst hatte
Wie viele Tage Ludwig Birr schon auf der Intensivstation der Würzburger Uniklinik ist, weiß er nicht. "Aber es wird schon eine Weile gewesen sein." Der 52-Jährige hat inzwischen das Schlimmste hinter sich - und ist sehr dankbar dafür. Denn auf der Intensivstation ist das Sterben sehr nah: "Was ich um mich herum gesehen habe, hat mir Todesangst gemacht", sagt der Landwirt aus dem schwäbischen Günzburg. Weil er in der Uniklinik Würzburg besser versorgt werden konnte, war er Mitte November hierher gebracht worden.
"Die Atemnot war das Schlimmste", sagt Birr. Zum Glück habe er keinen Schlauch in den Hals bekommen, sondern sei über eine Maske beatmet worden. Inzwischen brauche er die immer seltener. "Nur wenn ich mich anstrenge, wird die Luft noch knapp, da muss man dann schön langsam schnaufen."
Beim Gespräch am Telefon erklärt er, warum er sich nicht impfen ließ: "Ich war doch 20 Jahre nie krank und nie beim Arzt gewesen." Und dann sei da eine erbliche Veranlagung für Thrombosen. Seine Familie lebe autark und ohne Publikumsverkehr auf einem abseits gelegenen Hof, sagt Birr. Er habe einfach ziemlich lange gedacht, ihn werde die Pandemie schon nicht erwischen.
"Doch dann hat Corona mir so richtig die Füße weg gezogen." Im Nachhinein bereut der Vater von vier Kindern, dass er so leichtsinnig war. Deshalb sagt er heute: "Jeder sollte zum Impfen gehen. Das was ich erlebt habe, braucht keiner."
Patient 3: Der Würzburger, der dachte, ihm passiere schon nichts
Das Sauerstoffgerät rauscht und gluckert laut. Die Stimme von Peter Hilgenberg ist am Telefon schwer zu verstehen. Der 66-Jährige bekommt Sauerstoff über einen Schlauch in der Nase. Er liegt auf einer Corona-Station im Klinikum Würzburg Mitte (KWM).
Vor einer knappen Woche konnte der Würzburger die Intensivstation verlassen. "War schwer", sagt er leise. Bei seinem Enkel habe er sich angesteckt, Medikamente bekäme er, die Schmerzen seien auszuhalten. "Es wird besser", antwortet Hilgenberg knapp, das Reden fällt ihm schwer. Weil ihm Luft fehlt und vielleicht auch, weil ihm die Situation unangenehm ist.
Doch der verheiratete Vater von zwei Kindern will mit der Redaktion sprechen und auch seinen Namen nennen. Er hat etwas zu sagen: "Ich möchte an alle appellieren, sich impfen zu lassen." Dass er selbst das nicht getan hat, sei in seinem Umfeld nicht ganz ungewöhnlich gewesen. Peter Hilgenberg nennt einen ähnlichen Grund dafür wie Landwirt Birr: "Ich dachte lange, mir wird schon nichts passieren."
Patient 4: Der Mann, dessen Ehefrau weint und betet
"Mein Mann lebt." Das ist das erste, was Jadranka P. am Telefon sagt. Seit 2. November liegt er im künstlichen Koma und wird beatmet. Der 45-Jährige wurde aus Traunstein in die Missioklinik des Klinikums Würzburg Mitte verlegt, weil in Oberbayern keine Intensivbetten mehr frei waren.
Jadranka P.s Vater ist Mitte Oktober an Corona gestorben. Ihr Mann war Ende November dem Tode so nahe, dass sie mit ihrer 18-jährigen Tochter drei Tage lang die Klinik in Würzburg nicht verlassen hat. Ihr Mann sei "aufgedunsen wie ein Michelin-Männchen und am ganzen Körper blaulila" gewesen. Sie erzählt, dass sie jeden Tag weint und betet. Sie erzählt, wie sie ihn anschreit, dass er gefälligst um sein Leben kämpfen soll. Sie will erzählen, was sie durchmacht, damit andere das nicht müssen.
Sie hätten an Informationen "der Politik" über Wirkungen und Nebenwirkungen von Impfstoffen gezweifelt, sagt Jadranka P. "Wir hatten eine skeptische Grundeinstellung, weil es diese noch nicht lange gibt." Abschreckende Schilderungen von Freunden und in den sozialen Medien waren Gründe, mit dem Impfen zu warten. Und ein "nach einer Abzess-Entfernung geschwächtes Immunsystem und Schilddrüsenprobleme". Aber, sagt die Frau aus Oberbayern: "Nach der Beerdigung meines Vaters wollte ich es angehen."
Corona war schneller. Erst erkrankte sie selbst. Dann ihr Mann. So schwer, dass er ins Krankenhaus musste.
"Dass nur 0,4 Prozent der Infizierten sterben ist etwas anderes, wenn dein Mann dabei ist", sagt die 45-Jährige, die auf der Intensivstation nur ungeimpfte Patienten gesehen hat. Jadranka P. macht sich Vorwürfe, das Risiko für die Gesundheit falsch gewichtet zu haben. "Das kann ich nicht mehr ändern. Ich kann nur helfen, dass andere sich fürs Impfen entscheiden. Denn mit Impfung wäre mein Mann jetzt nicht in Lebensgefahr."
Wenn man die Fälle durchgeht, dann kommt man auf 50% Ignoranz und 50% kognitive Verzerrung (hier: selektive Wahrnehmung).
Und wenn ich mir jetzt die mir persönlich bekannten Impfverweigerer ansehe, dann würde ich sagen: Jap, das kommt wirklich sehr gut hin …
Ich denke wirklich, es ist so übersichtlich.
Den einen ist es wurscht, weil ihnen die Vorstellungskraft dafür fehlt, persönlich betroffen zu sein und die anderen haben kein ausreichendes Urteilsvermögen, um die Glaubwürdigkeit von Aussagen beurteilen und eine rationale Risikoabwägung vornehmen zu können … mehr ist da nicht.
Auch die Querdenker findet man in diesen beiden Gruppen (die sich überlappen können) wieder ...
https://www.stern.de/gesundheit/eindringliches-foto--diese-medikamente-braucht-ein-beatmeter-covid-19-patient---an-einem-tag-30904342.html
Ist sehr eindrucksvoll, finde ich. Und wenn ich das sehe, dann bin ich jedesmal wieder fassungslos, dass Impfskeptiker lieber das Risiko eingehen, evtl. über Wochen(!) einen solchen Berg an Medikamenten verabreicht zu bekommen - als eine insgesamt sehr gut verträglich Impfspritze ...
Und Impfgegner hatten zu lange zu viel unseriöses Futter aus Medien wie Telegram und anderen Social Medias.
- den eigenen Lebensstil zu ändern (kann jeder bestätigen, der einmal versucht hat das Rauchen aufzuhören, sich gesünder zu ernähren, mehr Sport zu treiben, etc.)
- eine Meinung aufzugeben, die man offen vor anderen vertreten hat
Der zweite Punkt hier ist der, warum sich sicher einige (bei weitem nicht alle) Impfskeptiker vor einer Impfung nicht überzeugen lassen.
Man macht sich selbst verwundbar, zeigt Schwäche, da man offen Fehler eingesteht.
Persönlich bin ich sicher, dass es viele gibt, die diese Artikel lesen (seien es die sehr guten Berichte aus den Intensivstation oder dieser hier), denen dann aber unbewusst der Antrieb fehlt die eigene Fehleinschätzung einzugestehen.
Machen wir diesen Personen das Leben leichter, indem wir Ihnen mit Offenheit und Verständnis entgegentreten, statt dem fränkischen "hab ich's dir doch gleich gesagt".
Das führt, denke ich, sicher zu einer offeneren Debatten und einer Möglichkeit Fehler einzugestehen.