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Hettstadt
Unfallfahrer in Hettstadt nahm seine Medikamente nicht: Eine Fußgängerin starb
Staatsanwältin liest Unfallfahrer von Hettstadt die Leviten: „Einer der unnötigsten Unfälle, den ich je gesehen habe!“
Ein furchtbares Bild bot sich den Helfern an der Unfallstelle am Dreikönigstag 2018 bei Hettstadt: Der Wagen, der von der Straße abgekommen war, hatte eine Fußgängerin erfasst und sich danach überschlagen.
Foto: Berthold Diem | Ein furchtbares Bild bot sich den Helfern an der Unfallstelle am Dreikönigstag 2018 bei Hettstadt: Der Wagen, der von der Straße abgekommen war, hatte eine Fußgängerin erfasst und sich danach überschlagen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:38 Uhr

Der Vater der toten Sabrina ist den Tränen nahe, als er hören muss, wie seine Tochter am Dreikönigstag 2018 ihr Leben verlor. Nur seine Anwältin sitzt zwischen ihm und dem angeklagten Autofahrer. Der Nebenkläger schüttelt den Kopf, zittert, während er dem Angeklagten lauscht, der am Amtsgericht Würzburg wegen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Tötung der 26-Jährigen angeklagt ist.

Plötzlich wurde dem Autofahrer schwummrig

Stockend berichtet der 32-Jährige, wie er gegen Mittag in Hettstadt (Lkr. Würzburg) ins Auto stieg, um nach Würzburg zu fahren. Noch im Ortsbereich wurde ihm wieder einmal schwummerig – ein Zustand, denn er seit zehn Jahren kannte. Statt anzuhalten, gab er Gas.

"Von da an weiß ich nichts mehr," erklärt der Angeklagte zum Prozessauftakt dem Vorsitzenden Frank Glöckner. Nicht, wie er laut Zeugen mit irrem Tempo über die viel befahrene Staatsstraße am Ortsrand kreuzte, hinüber zum Gehägsweg, der in Richtung Bundesstraße 8 führt. Nicht, wie er mit 123 „Sachen“ über den Weg raste, auf dem Spaziergänger unterwegs waren. Nicht, wie er die Kontrolle über sein Auto verlor, Sabrina und ihren Hund überfuhr und sich im Graben überschlug. „Ich bin erst wieder zu mir gekommen, als ich auf dem Dach lag.“ 

"Heute hast Du alles falsch gemacht"

Ein herbei rennender Spaziergänger, der den Unfall beobachtet hatte, will helfen. Sabrina habe "völlig verdreht" im Acker gelegen. Er muss erkennen, dass er nicht mehr viel ausrichten kann.  Er klettert hinten in den Wagen, obwohl er Rauch wahrnimmt, löst den sperrenden Gurt des Fahrers. "Ich habe doch nichts falsch gemacht?" habe ihn der Fahrer gefragt. Die Antwort: "Doch, heute hast du alles falsch gemacht“. 

Der Autofahrer wurde aus dem Wrack gezogen. Der Spaziergängerin konnten die Retter nicht mehr helfen.
Foto: Berthold Diem | Der Autofahrer wurde aus dem Wrack gezogen. Der Spaziergängerin konnten die Retter nicht mehr helfen.

Auch die Notärzte und Rettungssanitäter können der 26-Jährigen nicht mehr helfen, sie stirbt noch am Unfallort. Die Feuerwehr-Kameraden aus Hettstadt müssen erkennen, dass es Sabrina ist, eine aus ihren eigenen Reihen. Und rasch keimt der Verdacht, dass der Unfall mit den Bewusstseins-Aussetzern des Fahrers zu tun haben könnte.

Medikamente dämpften die Kontrollverluste

Seit Jahren hatte der Angeklagte laut eigener Darstellung solche Kontrollverluste. 2009 war ihm bei einer Autofahrt in Würzburg komisch geworden. Ein Freund musste in der Nürnberger Straße ins Lenkrad greifen, damit nichts passierte. Der Hausarzt schickte ihn  in die Epilepsie-Ambulanz nach Erlangen. Medikamente hätten geholfen, danach habe er nur noch ein- bis zweimal im Monat Bewusstseins-Aussetzer gehabt, statt bisher zweimal pro Woche, schildert er vor Gericht.

Der Hausarzt warnte den jungen Mann aber schon 2009, nicht mehr Auto zu fahren. Das ignorierte der junge Schlosser und Fahrzeug-Aufbereiter - und baute 2011 einen Unfall mit mehreren Verletzten. Da fiel kein Wort über seine Epilepsie-artigen Bewusstseins-Trübungen. Den Führerschein verlor er wegen der 0,8 Promille im Blut, sagt er.

Die Wahrheit verschwiegen

2016 beantragte er die erneut die Fahrerlaubnis. Dabei verschwieg er in dem Fragebogen für die medizinisch-psychologische Untersuchung die Tatsache, dass sein Zustand eigentlich kein Autofahren erlaubt. Staatsanwältin Martina Pfister-Luz bohrt nach: Ob er auch bei den (freiwilligen) Angaben zu gesundheitlichen Einschränkungen im Führerschein-Antrag des Landratsamtes seinen Zustand verschwieg? "Ja", bestätigt der Angeklagte. "Ich wollte einfach meinen Führerschein wiederhaben."

Auch die erneute Warnung seines Hausarztes, er dürfe keinesfalls ans Steuer, verhallte 2017 ungehört. Die entsprechende Bemerkung eines Rettungssanitäters im Zeugenstand lässt das Gericht aufhorchen. Dann gibt der Angeklagte auch vor Gericht zu: Am Unfallmorgen habe er seine Tabletten nicht genommen. Die Staatsanwältin zürnt: „Es gibt ja viele unnötige Unfälle, aber das ist einer der unnötigsten, die ich je erlebt habe.“

Auch mit dem Auto der Eltern unterwegs

Die Stimme und die Hände von Sabrinas Vater zittern, als er den Angeklagten direkt fragt: Ob seine Eltern, bei denen der Angeklagte damals wohnte, nichts von seiner Erkrankung wussten oder ihn am Fahren gehindert hätten? „Nein, sie wussten es nicht“, sagt der und bestätigt auf Nachfrage: Er sei auch mit deren Auto gelegentlich unterwegs gewesen.

Der Prozess wird am 4. November fortgesetzt.

 
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  • e.maehling@web.de
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  • glaser.rudolf@t-online.de
    das unheil ist bereits vor antritt dieser unklücksfahrt geschehen. dieser mensch hat billigend in kauf genommen was geschehen ist. das ist grobfahrlässige tötung.
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  • roxy@
    Merken die Richter nicht, was für einen Schaden sie mit solchen Urteilen anrichten? Wer soll sich denn noch an Recht und Gesetz halten, wenn man mit einfachen Mitteln Schuldunfähig wird? Der Ehrliche wäre wieder mal der Dumme. Aber mit solchen Urteilen werden wir zur Unehrlichkeit erzogen.
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  • Hery.Mennig@web.de
    @roxy: In dem Fall, der im Artikel behandelt wird, ist noch gar kein Urteil gesprochen worden. Daher ist Ihr Kommentar hier an der falschen Stelle.
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  • roxy@
    giacomo: Mein Kommentar sollte Bezug nehmen auf den Kommentar von "Abatros", der auch eine Verbindung zu Eisenheim herstellte. Außerdem wurde unlängst in dem "Schweineskandal" der Täter auch wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen.
    Ich hoffe, dies wird in dem Fall von Hettstadt nicht wieder passieren.
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  • Hery.Mennig@web.de
    Der Fall liegt hier völlig anders als in Eisenheim, jedoch mit dem gleichen furchtbaren Ergebnis. Dieser Mann hat bei der neuen Beantragung der Fahrerlaubnis bewusst und damit vorsätzlich verschwiegen, dass er gar kein Auto mehr fahren darf. Der Hausarzt hat hier ein erhebliches Problem. Eigentlich müsste er melden, dass dieser Patient nicht mehr Auto fahren darf, hat aber auch eine ärztliche Schweigepflicht. Die Medikamente, die der Herr nehmen muss, verhindern anscheinend diese Anfälle nicht komplett, sondern reduzieren diese nur. Aber was nutzt dieses Wissen, wenn der Patient sich nicht an die Warnungen hält. Epilepsieartige Anfälle sind Krampfanfälle. Vielleicht lässt sich so die für diesen schmalen Weg viel zu hohe Geschwindigkeit erklären. Dem Herrn war es offensichtlich völlig egal, dass bei einem solchen Anfall so ein schrecklicher Unfall das Ergebnis seiner Ignoranz sein kann. Ich denke mal, dass selbst ein Gutachter in diesem Fall keine Schuldunfähigkeit bestätigt.
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  • Albatros
    Na da sollte das Gericht den gleichen Gutachter wie im Eisenheim Tötungsprozess bestimmen. Der wird zu dem Ergebniss kommen, dass der Beschuldigte, auf Grund der Nichteinnahme seiner Medikamente, schuldunfähig ist. So sehen das doch die Gesetze in Deutschland vor, oder? Mir war das bisher juristisch betrachtet gar nicht so bewusst. Eigentlich bin ich für mein Tun und Handeln gar nicht verantwortlich, ich muss nur entsprechende Mengen Alkohol trinken oder Drogen nehmen oder auch die mir vom Arzt verschriebenen Medikamente vergessen, dann kann mir eigentlich Niemand was anhaben. Hm, muss heute Abend noch einmal mit meinen mittlerweile erwachsenen Kindern sprechen, ich hab` denen echt Mist erzählt. Wir haben die Beiden zu verantwortungsvollen jungen Menschen erzogen, ihnen gesagt, dass sie für das was sie tun auch Verantwortung übernehmen müssen. Jetzt muss ich erkennen, dass wir ihnen einen absoluten Mist erzählt haben. Als Eltern haben wir völlig versagt.
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  • walter.schoemig@web.de
    Wenn ich das schon wieder lese lässt wohl Eisenheim grüßen. Wieder einer der VORSÄTZLICH gefahren ist obwohl er wusste dass er nicht fähig ist. Und dann dumm blöd machen und auf schuldunfähig plädieren. Wird wohl auch ein Gutachter den selben Mist verzapfen und so einer kommt ungeschoren davon. Gehe vor Gericht und dir wird geholfen. Einfach nur zum ....
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