Der Vater der toten Sabrina ist den Tränen nahe, als er hören muss, wie seine Tochter am Dreikönigstag 2018 ihr Leben verlor. Nur seine Anwältin sitzt zwischen ihm und dem angeklagten Autofahrer. Der Nebenkläger schüttelt den Kopf, zittert, während er dem Angeklagten lauscht, der am Amtsgericht Würzburg wegen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung und fahrlässiger Tötung der 26-Jährigen angeklagt ist.
Plötzlich wurde dem Autofahrer schwummrig
Stockend berichtet der 32-Jährige, wie er gegen Mittag in Hettstadt (Lkr. Würzburg) ins Auto stieg, um nach Würzburg zu fahren. Noch im Ortsbereich wurde ihm wieder einmal schwummerig – ein Zustand, denn er seit zehn Jahren kannte. Statt anzuhalten, gab er Gas.
"Von da an weiß ich nichts mehr," erklärt der Angeklagte zum Prozessauftakt dem Vorsitzenden Frank Glöckner. Nicht, wie er laut Zeugen mit irrem Tempo über die viel befahrene Staatsstraße am Ortsrand kreuzte, hinüber zum Gehägsweg, der in Richtung Bundesstraße 8 führt. Nicht, wie er mit 123 „Sachen“ über den Weg raste, auf dem Spaziergänger unterwegs waren. Nicht, wie er die Kontrolle über sein Auto verlor, Sabrina und ihren Hund überfuhr und sich im Graben überschlug. „Ich bin erst wieder zu mir gekommen, als ich auf dem Dach lag.“
"Heute hast Du alles falsch gemacht"
Ein herbei rennender Spaziergänger, der den Unfall beobachtet hatte, will helfen. Sabrina habe "völlig verdreht" im Acker gelegen. Er muss erkennen, dass er nicht mehr viel ausrichten kann. Er klettert hinten in den Wagen, obwohl er Rauch wahrnimmt, löst den sperrenden Gurt des Fahrers. "Ich habe doch nichts falsch gemacht?" habe ihn der Fahrer gefragt. Die Antwort: "Doch, heute hast du alles falsch gemacht“.
Auch die Notärzte und Rettungssanitäter können der 26-Jährigen nicht mehr helfen, sie stirbt noch am Unfallort. Die Feuerwehr-Kameraden aus Hettstadt müssen erkennen, dass es Sabrina ist, eine aus ihren eigenen Reihen. Und rasch keimt der Verdacht, dass der Unfall mit den Bewusstseins-Aussetzern des Fahrers zu tun haben könnte.
Medikamente dämpften die Kontrollverluste
Seit Jahren hatte der Angeklagte laut eigener Darstellung solche Kontrollverluste. 2009 war ihm bei einer Autofahrt in Würzburg komisch geworden. Ein Freund musste in der Nürnberger Straße ins Lenkrad greifen, damit nichts passierte. Der Hausarzt schickte ihn in die Epilepsie-Ambulanz nach Erlangen. Medikamente hätten geholfen, danach habe er nur noch ein- bis zweimal im Monat Bewusstseins-Aussetzer gehabt, statt bisher zweimal pro Woche, schildert er vor Gericht.
Der Hausarzt warnte den jungen Mann aber schon 2009, nicht mehr Auto zu fahren. Das ignorierte der junge Schlosser und Fahrzeug-Aufbereiter - und baute 2011 einen Unfall mit mehreren Verletzten. Da fiel kein Wort über seine Epilepsie-artigen Bewusstseins-Trübungen. Den Führerschein verlor er wegen der 0,8 Promille im Blut, sagt er.
Die Wahrheit verschwiegen
2016 beantragte er die erneut die Fahrerlaubnis. Dabei verschwieg er in dem Fragebogen für die medizinisch-psychologische Untersuchung die Tatsache, dass sein Zustand eigentlich kein Autofahren erlaubt. Staatsanwältin Martina Pfister-Luz bohrt nach: Ob er auch bei den (freiwilligen) Angaben zu gesundheitlichen Einschränkungen im Führerschein-Antrag des Landratsamtes seinen Zustand verschwieg? "Ja", bestätigt der Angeklagte. "Ich wollte einfach meinen Führerschein wiederhaben."
Auch die erneute Warnung seines Hausarztes, er dürfe keinesfalls ans Steuer, verhallte 2017 ungehört. Die entsprechende Bemerkung eines Rettungssanitäters im Zeugenstand lässt das Gericht aufhorchen. Dann gibt der Angeklagte auch vor Gericht zu: Am Unfallmorgen habe er seine Tabletten nicht genommen. Die Staatsanwältin zürnt: „Es gibt ja viele unnötige Unfälle, aber das ist einer der unnötigsten, die ich je erlebt habe.“
Auch mit dem Auto der Eltern unterwegs
Die Stimme und die Hände von Sabrinas Vater zittern, als er den Angeklagten direkt fragt: Ob seine Eltern, bei denen der Angeklagte damals wohnte, nichts von seiner Erkrankung wussten oder ihn am Fahren gehindert hätten? „Nein, sie wussten es nicht“, sagt der und bestätigt auf Nachfrage: Er sei auch mit deren Auto gelegentlich unterwegs gewesen.
Der Prozess wird am 4. November fortgesetzt.
Ich hoffe, dies wird in dem Fall von Hettstadt nicht wieder passieren.