Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf hat vor Kurzem vorgeschlagen, die täglichen Arbeitszeiten in der Pflege auf bis zu zwölf Stunden zu verlängern und über eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden zu diskutieren. "Verständigen sich Politiker aus Bund und Ländern parteiübergreifend gerade darauf, "Arbeiten bis zum Umfallen" zum Allheilmittel gegen die Personalnot zu machen?" fragte Redakteurin Gisela Rauch in ihrem Samstagsbrief. Das ist die Antwort von Ulrike Scharf:
Sehr geehrte Frau Rauch,
Ihnen geht es sicher wie mir: Der Beruf, die Arbeit ist mehr als Broterwerb. Arbeit bedeutet auch soziale Teilhabe, die Möglichkeit, das eigene Leben gestalten zu können: Arbeit bringt nicht nur Geld, sie ist auch sinnstiftend. Aus meiner Erfahrung und den vielen Gesprächen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch der Arbeitgeberseite, weiß ich: Wir brauchen mehr Flexibilität. Die aktuellen Regeln stammen größtenteils aus den 90er Jahren.
"Mehr Flexibilität würde für viele Menschen mehr Entlastung bedeuten!"
Die Menschen sollen nicht mehr arbeiten, sondern nur flexibler einteilen können, wann sie arbeiten – innerhalb der geregelten Wochenarbeitszeit. Viele wünschen sich das, ich bekomme viele positive Rückmeldungen. Natürlich wird nicht jeder in jeder Branche sagen, dass das für sie oder ihn ein passendes Modell ist. Deswegen wollen wir auch die Möglichkeit für mehr Flexibilität schaffen.
Wenn jemand heutzutage in Teilzeit arbeitet, zum Beispiel 24 Stunden, dann wäre es flexibel möglich, diese Stunden an zwei Tagen abzuarbeiten – und die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer hätte mehr Freizeit am Stück. Diese kann man zum Beispiel für Familie und Kinder oder für die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen nutzen. Das größte Pflegeheim ist ja nicht die Einrichtung, sondern das Zuhause – in Bayern werden rund 80 Prozent der Menschen, die pflegebedürftig sind, daheim betreut. Mehr Flexibilität würde für viele Menschen hier mehr Entlastung bedeuten!
"Wir brauchen in einer modernen Berufswelt eine Reform beim Arbeitszeitgesetz"
Diese Flexibilität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind wichtige Instrumente gegen den Fachkräftemangel. Wir müssen die Arbeitszeitgesetze endlich den Lebensrealitäten der Menschen anpassen. Ich bin mir sicher: Ein moderneres Arbeitszeitgesetz wird auch eine große Chance für eine höhere Beschäftigungsquote bei Frauen sein! Und das sollte doch auch unser gemeinsames Ziel sein, oder?
Die Einhaltung des Arbeitnehmer- und Gesundheitsschutzes hat für mich dabei oberste Priorität. Fest steht für mich aber auch: Wir brauchen in einer modernen Berufswelt eine Reform beim Arbeitszeitgesetz, auf freiwilliger Basis der Beschäftigten. Lassen Sie uns zusammen diskutieren – damit auch in Zukunft gilt: Bayern. Gemeinsam. Stark.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Scharf, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales
Dass man flexibel sein muss, was den eigenen Anspruch, den man an die Arbeit, die man leistet, hat, betrifft, darf man auch nicht vergessen: schon seit Jahren ist die Arbeitsverdichtung in der Pflege so hoch, dass man ständig Abstriche in der Versorgung der Pflegebedürftigen machen muss, um einigermaßen mit der Zeit, die einem zur Verfügung steht, hinzukommen.
Ein bisschen mehr Nachdenken bevor man solche Vorschläge macht, kann man von einer Ministerin schon erwarten - auch wenn Sie, wie eben solche Vorschläge beweisen, von der Materie kaum Ahnung hat.
"Können" und nicht "müssen" steht da und nichts von Zwang - und das war auch von Anfang an Grundlage ihres Vorschlags.
Wer das aus welchen Gründen auch immer nicht verstehen WILL - wie m.E. übrigens auch Frau auch seinerzeit - wird sich natürlich auch jetzt durch diese Antwort nicht überzeugen lassen; man müßte ja spätestens jetzt zugeben, dass man - vielleicht sogar in vorauseilendem Gehorsam - nur auf Stimmungsmache und bashing aus war......
Und seien wir mal ehrlich: es ist schon seit Jahren Usus, dass im sozialen Bereich das Arbeitszeitgesetz sehr großzügig ausgelegt wird - natürlich von Arbeitgeberseite.
Dieses kosmetische Hin- und Hergeschiebe des vorhandenen Personals führt weder zu mehr Personal noch zu mehr „Flexibilität“.
Fakt ist: in der Behindertenhilfe bspw. werden die noch vorhandenen Mitarbeiter „flexibel“ von einer Wohngruppe auf die andere geschoben, weil überall Personal fehlt. Es gilt: wo brennt es am meisten.
Die Fachkraftabdeckung wird vielfach nur noch auf dem Papier erfüllt, „Arbeitszeitregelungen“ sind irrelevant dort, wo 24/7 Betreuung besteht. Es arbeitet der, der gerade nicht krank, nicht im Urlaub ist, nicht gekündigt hat oder durch „Zeitarbeiter“ oder FSJler ersetzt wurde…..
Genau das gleiche habe ich mir auch gedacht als ich es gelesen habe.
Nie im Leben sind die nah am Bürger. Und jedes mal muss die Floskel herhalten; "Ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten".