
Schon seit etwa zwei Wochen ist die Turnhalle der Realschule Ochsenfurt bereit für die Aufnahme geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Am Donnerstagvormittag kamen die ersten per Bus in Ochsenfurt an. Doch für sie ist die Unterkunft nur eine kurze Zwischenstation. Einige wollen weiter zu Zielen in ganz Europa. Andere werden aber auch in eine der weiteren Unterkünfte im Landkreis Würzburg geleitet, zunächst nach Röttingen und Kist. In Leinach waren am 8. März die ersten ukrainischen Flüchtlinge angekommen.
Paul Justice steht auf dem kleinen Balkon an der Rückseite der Halle und telefoniert. Eigentlich fast ununterbrochen. Er ist einer der Leiter der Lenkungsgruppe Ukraine-Hilfe am Landratsamt Würzburg und muss zu jeder Zeit wissen, was gerade passiert und was als nächstes ansteht. Aus der Turnhalle, in der es einen mit Sichtschutz abgeteilten Bereich zum Schlafen sowie viele lange Tische und Stühle zum Essen gibt, dringt Stimmengewirr. Die Geflüchteten, die jetzt hier sitzen, haben viele Strapazen hinter sich.
72 Menschen und ein Hamster sind angekommen
72 Menschen sind es, die über eine private Initiative mit einem Bus aus der Republik Moldau direkt nach Ochsenfurt gekommen sind. "Und ein Hamster", schmunzelt Paul Justice. Die Republik Moldau liegt zwischen der Ukraine und Rumänien. 35 Stunden saßen die Menschen in dem doppelstöckigen Bus. Für 21 von ihnen geht es zwei Stunden nach der Ankunft gleich weiter: Kleinbusse bringen sie zum Ochsenfurter Bahnhof, von dort dürfte sie ihr Weg weiter nach Würzburg führen - und dann? Paul Justice weiß es nicht von jedem einzelnen. Eine Frau aber hat gesagt, dass sie nach Spanien weiterreisen möchte. Etliche unter den Geflüchteten haben Familie oder Bekannte in verschiedenen europäischen Ländern.

Paul Justice kann zum Glück in Ochsenfurt auf viele Helferinnen und Helfer zurückgreifen: Außer ihm sind zwei weitere Mitarbeiter des Landratsamts vor Ort, dazu kommen 24 Angehörige des BRK und der DLRG. Ihre Hilfe ist auch nötig, denn es gibt viel zu tun. Zwar müssen in Ochsenfurt die angekommenen Geflüchteten noch nicht registriert werden, weil Ochsenfurt eine sogenannte Erstanlaufstelle ist, aber die Weiterverteilung ist kompliziert. Denn die Menschen, die nicht bereits ein festes Ziel haben, sollen möglichst gemeinsam nach Familien oder auch Herkunftsort auf die Unterkünfte im Landkreis verteilt werden.
Die nächsten Busse sind schon angekündigt
In Ochsenfurt wird am Donnerstag wohl keiner der Geflüchteten übernachten, die Möglichkeit besteht aber. "Die Einrichtung bleibt offen und ist aufnahmebereit", sagt Paul Jusice. Denn der Bus vom Donnerstagmorgen wird nicht der letzte bleiben. Ein weiterer wird Justice zufolge schon für Mitternacht erwartet, wieder aus der Republik Moldau, mit 50 Menschen an Bord. Der nächste soll dann am Freitagnachmittag aus Polen kommen. Die Turnhalle in Ochsenfurt fungiert somit im Landkreis Würzburg als Drehscheibe für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Ziel ist es, sie innerhalb von 48 Stunden auf andere Unterkünfte zu verteilen.
Während die Coronatests laufen, haben drei ukrainische Kinder den Balkon für sich entdeckt und erkunden das Terrain hinter der Halle. Was in ihnen und auch in den Erwachsenen vorgeht, davon hat Paul Justice in den vergangenen Tagen eine Ahnung bekommen. Es klinge vielleicht abgedroschen, aber er sehe bei den Geflüchteten viel Traurigkeit, Verzweiflung und Angst, sagt er. Hauptsächlich Frauen und Kinder sind es, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, denn die erwachsenen Männer müssen bleiben und kämpfen.
Es gehe ihm nahe, die Geschichten dieser Menschen zu hören und ihre Angst zu spüren, erzählt Justice. Viel Zeit zum Grübeln bleibt dem ausgebildeten Sozialarbeiter aber nicht. Denn jetzt muss er herausfinden, wer in der großen Halle zu wem gehört, damit auch alle an den richtigen Ort gebracht werden.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, die Republik Moldau grenze im Süden ans Schwarze Meer. Das ist nicht richtig. Es handelt sich um ein Binnenland. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.