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Würzburg
Tabuthema Wechseljahre: So klärt die Würzburger Apothekerin Ann-Katrin Pause Frauen auf und nimmt ihnen Angst
Spielen die Hormone verrückt, ist das für viele Frauen belastend. Beraterin Ann-Katrin Pause erklärt Symptome und Therapien - und welche Menopausen-Mythen falsch sind.
Ann-Katrin Pause aus Würzburg ist als Apothekerin und Hormoncoach Expertin für Wechseljahre.
Foto: Silvia Gralla | Ann-Katrin Pause aus Würzburg ist als Apothekerin und Hormoncoach Expertin für Wechseljahre.
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 07.12.2024 02:31 Uhr

Wechseljahre - das Wort klingt wie aus der Zeit gefallen. Und doch bringt es für Ann-Katrin Pause "auf den Punkt, worum es geht": Wechseljahre, das ist eine Lebensphase mit starken hormonellen Schwankungen. Bei vielen Frauen löst die Menopause "ein jahrelanges, herausforderndes Wechselbad der Gefühle aus", sagt die Würzburgerin.

Ann-Katrin Pause ist Apothekerin und hat sich als Hormoncoach selbständig gemacht. Auf Instagram, wo ihr 13.700 Menschen folgen, gibt die 52-Jährige dem Tabuthema Wechseljahre ein Gesicht.

Pause will Frauen durch ihre Beratung ermöglichen, den Wechseljahren nicht hilflos ausgeliefert zu sein. "Wissen ist Macht", sagt sie. "Nur wissen die meisten Frauen zu wenig, um gut für sich sorgen zu können." Im Interview klärt die Expertin über Symptome, Therapien und Mythen auf. Und erklärt, warum Wechseljahre das Potenzial zum Politikum haben.

Frau Pause, das Thema Wechseljahre ist in den sozialen Medien und auch Büchern wie "Women on Fire" von Gynäkologin Dr. Sheila de Liz in den vergangenen Jahren gesellschaftsfähiger geworden. Trotzdem bleibt der Eindruck: Bei manchen ruft es immer noch Horrorvorstellungen von hochrotköpfigen, schwitzenden, misslaunigen Frauen hervor und ist deswegen tabu. Warum ist das so?

Ann-Katrin Pause: Ich denke, dieses stigmatisierende Bild ist in so vielen Köpfen, weil Hitzewallungen das einzige Symptom sind, das eindeutig schon immer den Wechseljahren zugeordnet werden konnte. Während die anderen der bis zu 60 verschiedenen Symptome viele Ursachen haben können und deswegen oft auch nicht oder erst nach einer Ärzte-Odyssee mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht werden. 

Welche Symptome sind verbreitet?

Pause: Typische Beschwerden sind Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme in der Körpermitte, Kopfschmerzen, Knochen- und Gelenkschmerzen, trockene Haut und Schleimhäute, Brennen im Mund, vermehrter Harndrang. Aber auch Ängste, Gedankenkreisen oder sogenannter Gehirnnebel mit kognitiven Aussetzern, wodurch Frauen zunächst an Demenz denken. Oft werden die Beschwerden Stress zugeschrieben.

Rund 200.000 Frauen zwischen 40 und 60 Jahren leben aktuell in Unterfranken und sind, waren oder werden damit von Wechseljahren betroffen sein. Was denken Sie: Wie viele von ihnen sind gut über das Thema informiert?

Pause: Zehn Prozent.

So wenige? Wie erklären Sie sich das?

Pause: Zum einen mit der Tabuisierung. Ich habe als Apothekerin in der Stadt und auf dem Land gearbeitet. Im ländlichen Raum habe ich die Scham, mit der das Thema behaftet ist, als noch stärker wahrgenommen. Zum anderen damit, dass es noch keine flächendeckende Informationsstrategie gibt.

Wie meinen Sie das?

Pause: Frauen haben kaum Möglichkeiten, sich über die Wechseljahre zu informieren. Selbst Ärztinnen und Ärzte haben das Thema oft erschreckend wenig auf dem Schirm. Im Grundstudium Medizin spielt es überhaupt keine Rolle, in der gynäkologischen Facharztausbildung auch nur eine untergeordnete. Und die Krankenkassen haben noch nicht mal eine Abrechnungszahl für Wechseljahresbeschwerden.

"Die Krankenkassen haben noch nicht mal eine Abrechnungszahl für Wechseljahresbeschwerden."
Ann-Katrin Pause, Apothekerin und Instagrammerin aus Würzburg
Damit haben die Wechseljahre das Zeug zum Politikum.

Pause: Deswegen haben wir auch die Bewegung "#wirsind9millionen" gegründet. Wir, das sind 25 von diesen neun Millionen Frauen in Deutschland, die gerade die Wechseljahre erleben. Wir sind Ärztinnen, Apothekerinnen, Journalistinnen, Unternehmerinnen und Influencerinnen und haben uns zum Ziel gesetzt, die Wechseljahre zu enttabuisieren und auf die gesundheitspolitische Agenda zu setzen, um ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein dafür zu schaffen. Mit Unterstützung von Dorothee Bär haben wir einen Antrag im Bundestag eingereicht.

Was ist Ihr Ziel?

Pause: Eine nationale Menopausen-Strategie nach internationalem Vorbild. Rund zwei Drittel der Frauen leiden unter Beschwerden, etwa ein Drittel unter schweren. Diese Beschwerden verursachen in der Arbeitswelt Ausfälle und hohen Schaden. Und im Privaten hängen oft ganzen Familien von Frauen ab, während Männer oft keine Ahnung haben, warum ihre Partnerin sich plötzlich verändert. Trotz all dem wird das Thema politisch weitgehend ignoriert. Wir wollen darüber aufklären.

Lassen Sie uns ein bisschen grundsätzliche Aufklärung über die Wechseljahre leisten. In welchem Alter fangen sie in der Regel an?

Pause: Vorab etwas ganz Wichtiges: Die Wechseljahre verlaufen bei jeder Frau individuell. Die ersten hormonellen Veränderungen können schon mit Mitte, Ende 30 auftreten, klassischerweise ab Anfang, Mitte 40. Der Zyklus kann dabei unter Umständen noch lange ganz regelmäßig sein. Viele Frauen denken: Solange ich noch meine Periode habe, bin ich noch nicht in den Wechseljahren. Das gehört zu den großen Mythen, genauso wie jede Frau habe Hitzewallungen und alle hätten Beschwerden. 

"Viele Frauen weinen sofort los, wenn sie mich sehen, weil sie zum ersten Mal ihre Sorgen und Ängste teilen."
Ann-Katrin Pause, Apothekerin und Hormoncoach aus Würzburg
Welche Phasen in den Wechseljahren gibt es?

Pause: Die Perimenopause, die Menopause und die Postmenopause. Die Perimenopause ist die Zeit der größten hormonellen Schwankungen, in der die Fruchtbarkeit verloren geht. Vor allem die Sexualhormone Östrogen und Progesteron sind starken Veränderungen unterworfen. Aber auch Schilddrüsenhormone und Stresshormone sind betroffen. Ich vergleiche das hormonelle Zusammenspiel gerne mit einem Orchester. Wenn die Bläser etwas anderes machen als die Streicher oder einfach ausfallen und wieder einsetzen, wann sie wollen, dann ist die Harmonie dahin.

Genauso wie im Körper, wenn die Hormone verrückt spielen?

Pause: Genau. Dann spüre ich körperliche Dissonanzen. Die Schwankungsjahre münden dann in einen Hormonmangel, der den Körper ebenfalls strapaziert. Diese Zeit wird Postmenopause genannt und dauert bis ans Lebensende. Die Menopause bezeichnet nur den einen Tag zwischen beiden Phasen, an dem die Regel ein volles Jahr ausgeblieben ist.

Stimmt es, dass bei immer mehr Frauen schon mit Anfang 40 dauerhaft die Regel ausbleibt?

Pause: Ja, das Phänomen der "early menopause" wird weltweit beobachtet. Es wird vermutet, dass Umweltfaktoren als Ursache eine große Rolle spielen. Aber es gibt noch kaum Studien dazu. 

Was können Frauen tun, um den Veränderungen nicht hilflos ausgeliefert zu sein?

Pause: Am wichtigsten ist erst mal: sich gut informieren! Und Symptome dokumentieren, damit Arzttermine effektiver ablaufen können. Auch Beratung kann helfen. Medizinisch sind Hormonersatztherapien für viele Frauen sinnvoll - spätestens dann, wenn die Lebensqualität massiv eingeschränkt ist. Dabei werden Hormone, die unser Körper kaum oder nicht mehr produziert, durch bioidentische Hormone ersetzt, zum Beispiel mit Sprays und Gelen oder Kapseln. 

Hormonersatztherapien werden mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs, Thrombosen und Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung gebracht. 

Pause: Viele dieser verallgemeinernden Annahmen sind inzwischen wissenschaftlich widerlegt. Man muss sich immer den Einzelfall anschauen.

Wie vermitteln Sie Frauen in Ihrer Beratung Zuversicht für die Wechseljahre?

Pause: Indem ich nicht hilfreiche Überzeugungen und Glaubenssätze widerlege, zum Beispiel: Da muss ich alleine durch. Oder: Ich bin nichts mehr wert als Frau. Viele Frauen weinen sofort los, wenn sie mich sehen, weil sie zum ersten Mal ihre Sorgen und Ängste teilen. Ich will Ihnen Mut machen: Wir können die Wechseljahre nicht verhindern, auch nicht durch eine ganz gesunde Ernährung und Lebensweise, durch Wegatmen, Wegmeditieren oder sich Zusammenreißen. Aber wir können Symptome lindern und gut für uns sorgen, indem wir an individuellen Stellschrauben drehen, um für jede Frau die bestmögliche Stabilität zu erreichen.

 
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