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WÜRZBURG
Streit um Lehrer: Statt Ferien wartet die Arbeitslosigkeit
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:50 Uhr

Ferienbeginn – das heißt für einige hundert Lehrer in Bayern: Beginn der Arbeitslosigkeit. Steigen junge Lehrkräfte erst während des Schuljahres – nach dem 1. Oktober – ein, werden sie zum 31. Juli wieder entlassen. In der Regel finden sie zum neuen Schuljahr erneut eine Anstellung. In der sechswöchigen Ferienzeit spart sich der Freistaat die Bezahlung.

Antrag der SPD im Landtag von CSU-Mehrheit abgelehnt

Die Opposition im Landtag hält diese Befristungen für skandalös. Vergangene Woche brachte die SPD einen Dringlichkeitsantrag ein, befristet beschäftigte Lehrer künftig nicht mehr mit den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Die CSU-Mehrheit im Landtag lehnte den Antrag einstimmig ab.

Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen nennt die Einstellungspolitik der Staatsregierung„unanständig“. Durch die Befristungen könnten Lehrer weder im Beruf noch familiär planen. Die SPD verweist auf Zahlen des Kultusministeriums, wonach im letzten Jahr über 7000 Lehrkräfte befristet angestellt waren. 860 von ihnen hätten sich im Sommer arbeitslos gemeldet.

„Brauchen jeden, den wir prekär beschäftigen“

Dabei „brauchen wir jeden, den wir hier prekär beschäftigen“, sagte Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, am Rande eines Kongresses in Würzburg. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) hatte Abgeordnete der Landtagsparteien zur Diskussion über die bayerische Bildungspolitik geladen.

SPD-Mann Güll fordert, den Schulen zehn Prozent zusätzliches Personal als Reserve zu geben: „Damit kann der Unterrichtsausfall aufgefangen werden, und 70 bis 80 Prozent der Befristungen wären zu vermeiden.“ An den Grundschulen brauche es zur Betreuung mehr pädagogische Hilfskräfte. „Wir müssen umdenken“, sagt Güll. „Der Lehrer allein kann nicht mehr alles schultern.“ Und mehr Lehrer seien nötig, um Klassen an Gymnasien und Realschulen zu verkleinern.

SPD sieht Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verletzt

Umso unverständlicher seien die Befristungen. Der Würzburger Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal (SPD) kritisiert, dass Lehrer mit einem Elf-Monats-Vertrag keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten. „Hier geht es um die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber.“

Für die CSU verwies der Würzburger Landtagsabgeordnete und Hochschulpolitiker Oliver Jörg in der Diskussion darauf, dass mit dem Bildungspakt 2000 neue Lehrerstellen beschlossen wurden. Ministerpräsident Markus Söder habe weitere 2000 Stellen im Rahmen der Bildungsoffensive Plus angekündigt.

CSU-Abgeordneter Jörg: Als Ausnahme müssen Befristungen möglich sein

Grundsätzlich, so Jörg gegenüber dieser Redaktion, sollten Lehrkräfte Beamte und Befristungen nur die Ausnahme sein – etwa für Vertretungen bei Mutterschutz oder Krankheit. Wenn 860 von 155 000 Lehrern in Bayern von auslaufender Befristung und Arbeitslosigkeit betroffen sind, seien das lediglich 0,5 Prozent des Gesamtpersonals. In Baden-Württemberg liege die Zahl mit 1680 doppelt so hoch.

Heißt auch: Die beiden Südländer schicken deutschlandweit mehr als die Hälfte aller 4900 betroffenen Lehrer in die Arbeitslosigkeit.

Beamtenstatus nicht als Automatismus

CSU-MdL Jörg sieht die Problematik der Einzelfälle, sagt aber: „Jeder, der die Staatsnote schafft, wird fest im Beamtenverhältnis eingestellt.“ Aus einer Befristung dürfe sich kein Anspruch auf automatische Verlängerung oder gar Übernahme in das Beamtenverhältnis ableiten.„Das widerspricht auch dem Leistungsgedanken“ und sei verfassungsrechtlich bedenklich. Der Angestellte müsse sich wie alle anderen der aktuellen Bewerbungssituation stellen.

Der Abgeordnete räumt ein, dass die Lehrerversorgung an Grund- und Mittelschulen angespannt ist– sie sei aber gesichert, nicht zuletzt durch umgeschulte Realschul- und Gymnasiallehrer. „Auch Pensionisten und Beurlaubte springen ein.“ Er wolle sich generell aber für mehr Lehrer einsetzen, so Jörg.

VBW-Diskussion: Mehr für Digitalisierung und gegen Fachkräftemangel tun

In der VBW-Diskussion über die Bildungspolitik standen Digitalisierung und Fachkräftemangel im Mittelpunkt. Die Parteienvertreter forderten mehr Investitionen in digitale Technik an Schulen genauso wie in die Lehrerfortbildung. Und bei der Beruforientierung junger Menschen brauche es eine bessere individuelle Begleitung. Der stellvertretende VBW-Geschäftsführer Christof Prechtl: „Wir schaffen es zu wenig, die Beratung auf die persönlichen Stärken der Schüler auszurichten.“

 
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  • F. S.
    Die bayerische Lehrer-Einstellungspolitik stellt eine nicht hinnehmbare Missachtung eines unverzichtbaren Berufsstandes dar. Die Bereitstellung von genügend Personal einschließlich nachhaltiger Reserven für die allseits geforderte Pädagogik des Forderns und Förderns, für besondere Aufgaben und für Ausfälle durch Krankheit und Überlastung ist unabdingbar. Zeitverträge für Lehrer sind nicht nur sittenwidrig und dumm, sie bedingen regelmäßig Unsicherheiten nicht nur beim Schuljahresbeginn. Wer, wo, wie lange als Lehrer aus dem Pool des pädagogischen Prekariats arbeiten darf, gleicht einem Roulettespiel. Glaubt man wirklich, dass man mit dem Fortschreiten der digitalen Revolution weniger Lehrer, Polizisten und Pflegekräfte brauchen wird, weil man für sie Roboter einsetzt, die sich per Flugtaxi dort einfinden, wo gerade Not am Mann, pardon, an der Frau ist? Was hilft? Eine Sammelklage für mehr mitdenkendes und mitarbeitendes Personal im Bildungsbereich bis hin zum BVG.
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  • H. G.
    Wiederholte befristete Arbeitsverträge sind doch verboten? Und der Arbeitgeber ist doch das Bundesland? D.h. Es sind immer 860 andere Personen, weil die anderen beim nächsten mal einen unbefristeten Vertrag bekommen? Ich versteh das Problem noch nicht so ganz
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    Meine Hoffnung, dass nach der Wahl Söder als
    MP arbeitslos wird, dass sich Seehofer endlich dauerhaft in seinen Eisenbahnkeller verkriecht hat gester neue Nahrung bekommen. Gefährlich ist Dobrindt, der ist verbal abgetaucht. Vermutlich bastelt er an den Plänen einer konservativen Revolution.
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    Die CSU sieht immer nur was sie sehen will. Die hetzen auch und werfen den anderen Hetze vor.
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  • A. K.
    hi Arcus

    ich kann mich Ihnen - auch mit Blick auf diese Hetze von Seiten der CSU gegen die Demonstranten heute in Muenchen - nur absolut anschließen. Ja, die CSU und die AfD sowie die ÖVP, die FPÖ und die Lega Nord hetzen genauso.

    Aber mich wundert dass bei der FPÖ nicht, weil eben ein Nazi in der österreichischen Regierung ist. Wen ich meine?? Ich meine den werten Herrn Strache:

    https://gfx.sueddeutsche.de/apps/e563408/www/

    und hier:

    https://gfx.sueddeutsche.de/apps/e865780/www/

    Und auch Bannon in den USA ist genauso ein Hetzer und Nazi. Auch dazu gibt es mehr als genug Beweise. Und bei der AfD ist es nicht besser. Da laufen nämlich inzwischen etliche Ermittlungsverfahren unter Anderem gegen die werte Frau Weidel und gegen die werte Frau Storch. Auch dazu gibt es im Netz mehr als genug Beweise.
    Und was ich von der CSU widerwärtig finde ist, dass die sich nicht von den Tätern bei den Brandanschlägen auf die Asylheime distanziert sondern die deckt.
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  • A. K.
    Dann kann ich mich zweitens dem hier von der SPD:

    "SPD sieht Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verletzt"

    "Umso unverständlicher seien die Befristungen. Der Würzburger Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal (SPD) kritisiert, dass Lehrer mit einem Elf-Monats-Vertrag keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten. „Hier geht es um die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber.“

    nur absolut anschließen. Diese Befristungen muessen weg und die Lehrer und Lehrerinnen muessen auch im August und im September während der Sommerferien ihr reguläres Gehalt weiter bekommen. Diese Kettenbefristung muss verboten werden. Dieses Verhalten der Länder gegenueber den Lehrern und Lehrerinnen ist schändlich.

    Fuer diese werte rechtsextreme CSU kann man sich nur noch absolut fremdschämen und lest mal bei der TZ vorbei, werte Mainpost wie sich da die User schämen fuer die CSU. Aber nicht wegen dieser Beschäftigung der Lehrer und Lehrerinnen sondern es geht mal wieder wegen der Fluechtlingspolitik.
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  • A. K.
    Dass hier:

    https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Streit-um-Lehrer-Statt-Ferien-wartet-die-Arbeitslosigkeit;art735,10014954

    "CSU-Abgeordneter Jörg: Als Ausnahme müssen Befristungen möglich sein

    "Grundsätzlich, so Jörg gegenüber dieser Redaktion, sollten Lehrkräfte Beamte und Befristungen nur die Ausnahme sein – etwa für Vertretungen bei Mutterschutz oder Krankheit. Wenn 860 von 155 000 Lehrern in Bayern von auslaufender Befristung und Arbeitslosigkeit betroffen sind, seien das lediglich 0,5 Prozent des Gesamtpersonals. In Baden-Württemberg liege die Zahl mit 1680 doppelt so hoch."

    ist genau diese verbotene Kettenbefristung die weggehört! Wir brauchen anständig bezahlte Lehrer und Lehrerinnen und eben keine prekär beschäftigten Lehrer und Lehrerinnen! Die CSU verhält sich auch hier - wie heute gegenueber den Demonstranten in Muenchen - absolut beschämend!!
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  • H. W.
    Unsere Politik sollte sich schämen. Wir brauchen junge und viele Lehrer damit unsere Kinder eine gute Schulbildung erhalten und wir nicht nur auf sogenannte Facharbeiter aus dem Ausland zugreifen müssen. Wenn unsere Politiker in ihre Sommerpause gehen werden die ja auch nicht ausgestellt und Arbeitslos. Langsam hab ich den Eindruck die juckts nicht was die Zukunft bringt. Na ja, sind ja teilweise schon sehr alte S....cke und haben ihre Schäfchen im trockenen. Was interessieren da dann die jungen Menschen. Schämt euch
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  • Veraltete Benutzerkennung
    ?
    In anderen Branchen gibt es das doch auch in schöner Regelmäßigkeit... Befristung sind doch heutzutage normal, und sich für eine gewisse Zeitspanne arbeitslos melden zu müssen, kenne ich auch.
    Oder habe ich irgendwas übersehen??
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  • L. W.
    @ Ente

    Lehrer haben grundsätzlich nur elf Monate durchgehende Arbeitszeit nachzuweisen und daher meines Wissens keinen Anspruch auf ALG 1.

    Wenn der Staat schon befristet, weil die Beamten im Kultusministerium nicht die Anmeldungen für das nächste Jahr einschätzen können, dann wäre es eigentlich nur fair den August auch zu bezahlen, damit bei fehlender Anschluss Beschäftigung wenigstens Anspruch auf ein echtes Arbeitslosengeld besteht.
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  • B. S.
    schwierig für eine junge Lehrerfamilie hinsichtlich der Perspektive und der Zukunftsplanung mit Familiengründung usw..das wird dann alles Jahre nach hinten verlagert.
    Eigenartige Zustände.

    Was war vor Jahren noch soviel anders und was führte dazu,dass es jetzt so wurde?
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  • M. B.
    Sauerei, kein Wunder, dass es zu wenig Lehrer gibt. Das schreckt doch jeden ab.
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  • J. S.
    Wegen gut einem Monat?
    "G´wiss net!" Ein etwas anderes "Sommerloch", halt. Wie ist es in der freien Wirtschaft?
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  • M. G.
    Doch ganz gewiss sogar.

    Ich habe vor einigen Jahren mal darüber nachgedacht als Quereinsteiger Mathematik-Lehrer zu werden (für Leute mit Diplom oder Master, gab es ja immer wieder mal solche Sondermaßnahmen die das erlauben).

    Würde ich nun aber nicht mehr machen. Inbesondere auch wegen dieser Praxis.
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  • J. N.
    Haben Sie schon mal ALG beantragt? Oder sogar ALG II ("Hartz 4"), was nötig wird, wenn man als Junglehrer noch nicht die vorgeschriebenen Zeiten gearbeitet hatte?
    Anscheinend nicht, denn dann wüssten Sie, was das heißt. Wochenlange Antragstellung und Bloßlegung SÄMTLICHER tatsächlicher oder vermeintlicher Besitztümer. Zwang zum Verkauf von Lebens-/Rentenversicherungen. Abschöpfung aller Reserven, Zwangsnachweis, warum man sein Auto nicht verkauft oder in eine billigere Wohnung zieht. Forderung nach Belegen, Belegen von Belegen sowie Belegen von Belegen von Belegen usw... Herablassende Behandlung seitens AA-Mitarbeitern. Und trotzedm z.T. monatelanges Warten auf den Bewilligungsbescheid, wenn er denn kommt. Und natürlich ständig der Druck vom AA, sich zu bewerben (mit Nachweis, natürlich...)
    Und das alles jedes Jahr dann aufs Neue.

    Man fühlt sich wie der letzte Bittsteller.

    Und dann: haben Sie mal ohne finanzielle Reserven "überbrücken" müssen?
    Probieren Sie es mal. Viel Vergnügen!
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