Sommerferien und Schule – das passt eigentlich nicht zusammen. Doch da im Corona-Schulalltag der vergangenen eineinhalb Jahre einiges zu kurz gekommen ist, hat das bayerische Kultusministerium das Angebot der "Sommerschule" entwickelt. Als Teil des Förderprogramms "gemeinsam.Brücken.bauen", das zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile bis Juli 2023 in Kraft ist, sollten Schülerinnen und Schüler in Bayern während der Sommerferien Lernrückstände in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch aufholen können. Auch an der Realschule am Maindreieck wurde in der ersten und der letzten Ferienwoche die Sommerschule 21 angeboten. Bei einem Pressetermin machte sich unter anderem Kultusstaatsekretärin Anna Stolz (Freie Wähler) ein Bild vom Konzept der Ochsenfurter Schule.
Zusammen mit der stellvertretenden Landrätin des Landkreises Würzburg, Christine Haupt-Kreutzer (SPD), und dem Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken, Karlheinz Lamprecht, ließ sich Stolz von den Verantwortlichen der Sommerschule durchs Gebäude führen.
Aus einem Klassenzimmer dringt laute Musik: Drei zukünftige Neuntklässler pauken hier mit Englischlehrer Nils Hübenbecker Englischvokabeln. Während auf der digitalen Tafel das Musikvideo zum Song "Teenage Dirtbag" läuft, sollen die Schüler auf einem Blatt fehlende Wörter im Songtext ergänzen. Anschließend wird das Ganze gemeinsam übersetzt. "Das Lernen in der Sommerschule ist gut – es ist locker und man wird nicht so reingestresst wie oft im normalen Unterricht", findet einer der Jungs.
Auch auf den Gängen sind an Tischen kleine Lerngruppen verstreut: Sarah, die in diesem Sommer ihren Abschluss gemacht hat, hilft als Lerntutorin einem künftigen Zehntklässler bei Mathematik. "Der Stoff wird so verständlicher für mich erklärt als im normalen Unterricht", lobt Malte. Sarah wiederum möchte Lehrerin werden und sieht ihre Aufgabe als Tutorin als gute Übung.
Unterschiedliche Motivation für Besuch der Sommerschule
Die drei Schüler, die bei Mathematiklehrerin Judith Metzger im Klassenzimmer sitzen, üben binomische Formeln. Sie seien hier, um den Stoff vom vergangenen Jahr zu wiederholen und so fitter ins neue Schuljahr zu starten, sagen sie.
Die Motivation der insgesamt 86 Schülerinnen und Schüler sowie 27 Tutorinnen und Tutoren, im Rahmen der Sommerschule einen Teil ihrer Ferien freiwillig in der Realschule am Maindreieck zu verbringen, sei unterschiedlich, so Konrektorin Silke Jacobi. "Die einen wollen Lernrückstände aufholen, andere wurden von ihren Eltern geschickt – und wieder andere haben Lust, Schule einmal anders zu erleben."
In der Sommerschule sei es auch darum gegangen, die soziale Interaktion zwischen den Jugendlichen wieder in Gang zu bringen, erklärt Beratungsrektor Martin Schmitt. Zwischen den Einheiten, in denen Wissen vermittelt wurde, wurden zahlreiche Spiele angeboten – im Pausenhof, auf dem Sportplatz und in der Turnhalle. "Es ist illusorisch, innerhalb der Sommerschule allen Stoff zu wiederholen", sagt Schmitt. "Schüler sollen Schule auch mal als unbeschwerten Ort erleben."
Dazu tragen sogenannte Kooperationsspiele zwischen den Lerneinheiten bei. Die Spiele sind Teil der Erlebnispädagogik und sollen die Klassengemeinschaft stärken. "Es geht darum, Aufgaben in Gemeinschaft zu lösen", so Schmitt. Immer wieder in den Unterricht eingebaut, könnten sie auch Mobbing vorbeugen.
Kooperationsspiele als Erfolgserlebnis für alle
Im Pausenhof erweckt derweil eine Gruppe von Schülern die Theorie zum Leben: Beim Spiel "Das laufende A" steht eine Person auf einem großen "A" aus Holzbalken, an dem Seile befestigt sind, mit denen die anderen die Balken und damit die Person auf dem "A" lenken können. Ziel ist es, die Person von einer Seite des Pausenhofs zur anderen zu führen, ohne dass sie dabei vom Balken herunterfällt.
Unterstützt werden sie dabei von Kooperationstutoren – Jugendliche der neunten und zehnten Klassen, die ebenso wie die Lerntutoren von Lehrkräften für ihre Aufgabe geschult wurden. "Ihr müsst locker lassen!", "Jona, einen Schritt zurück!", schallt es über den Hof. Schließlich ist es geschafft, das Mädchen auf dem Balken ist mit Hilfe der Gruppe von einer Seite auf die andere gewandert. "Jeder ist Teil des Spiels und weiß, er hat zum Erfolg beigetragen", resümiert Schmitt.
Die Eltern seien per Mail über das Angebot Sommerschule 21 informiert worden, "manche Jugendliche haben aber auch die sechs Wochen Ferien für sich gebraucht", so Jacobi. "Letztendlich war es eine Entscheidung der Eltern", meint Martin Schmitt. "Wir hatten keinen Einfluss darauf, wer sich anmeldet." Der Beratungsrektor sieht die Sommerschule als Win-Win-Situation für beide Seiten: "Auch Lehrer lernen die Schüler in diesem Rahmen nochmal anders kennen."
Das Konzept für die Sommerschule habe relativ schnell gestanden, sagt Schulleiterin Sonja Fischer-Seitz. Auch die Personalplanung habe gut geklappt: Neben fünf Lehrkräften hätten drei Lehramts-Studentinnen, 14 Lern- und 13 Kooperationstutoren und -tutorinnen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Sommerschule unterstützt. Während die Lerntutoren die Schüler fachlich begleiten und in Kleingruppen mit zum Teil nur zwei Schülern Wissen in den Kernfächern vermitteln, sind die Kooperationstutoren für die Kooperationsspiele zuständig.
"Das Tutorenprogramm gab es bereits vor der Sommerschule unter dem Namen 'Schüler helfen Schülern'", erklärt Martin Schmitt. Er sieht in dem Konzept klare Vorteile: "Dadurch, dass sich beide Seiten auf der gleichen Ebene bewegen, nehmen die Jugendlichen viel mehr an." Das Programm soll auf jeden Fall in den nächsten zwei Schuljahren weitergeführt werden, "das Ministerium unterstützt hier auch finanziell", so Fischer-Seitz.