Bayern hinkt bei den Corona-Erstimpfungen hinterher. Und mancherorts braucht es extra viel Geduld, um an den ersehnten Piks zu kommen – zumindest, wer auf die Einladung in ein Impfzentrum wartet. So wird in Würzburg noch immer in der Priorisierungsgruppe zwei geimpft. Es geht voran, aber mangels Impfstoff sehr schleppend. Mittlerweile reisen Unterfranken in andere Bundesländer, weil sie dort kurzfristig Termine bekommen. Das Internet macht's möglich.
Über das Internet Termin schon am nächsten Tag
Anna M. (Name geändert) ist lange zuversichtlich. Mit einer Vorerkrankung und wegen weiterer Gründe in die Prio-Gruppe zwei eingestuft, hofft die Studentin aus dem Landkreis Würzburg, bald an die Reihe zu kommen. Doch alles Warten bleibt vergebens. Da bekommt sie den Tipp von einem Freund: Auf nach Sachsen-Anhalt! Freie Termine gebe es im Netz.
Es ist schon gegen Mitternacht, als M. über eine spezielle Internetseite tatsächlich auf Impfangebote in anderen Bundesländern stößt. Sie bucht gleich für den nächsten Nachmittag in einem Impfzentrum in Sachsen-Anhalt, plus Zweittermin sechs Wochen später. Es gibt sogar den begehrten Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Da die Priorisierung durch die Bundesregierung aufgehoben ist, muss M. keine besonderen Gründe angeben, auch der Wohnort spielt keine Rolle – wie bei allen vier Bundesländern, die ihre Impftermine online über den Service der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vergeben. Neben Sachsen-Anhalt sind dies Baden-Württemberg, Brandenburg und Hamburg.
Im Internet gibt es mittlerweile mehrere Seiten, die freie Impftermine in ganz Deutschland sammeln, veröffentlichen und zum Buchen weiterleiten. Am bekanntesten ist die Seite "impfterminradar.de". Studentin Anna M. dagegen ist via "impfterminübersicht.de" erfolgreich: Die Internetseite zeigt – laufend aktualisiert – Impfzentren und Arztpraxen an, die mit "hoher Wahrscheinlichkeit" Termine anbieten, und führt gleich weiter zur Buchung. Programmiert wurde die Seite von einem 17-jährigen Schüler aus Baden-Württemberg. Er wollte damit endlich einen Impftermin für seinen Opa finden.
Impftouristen aus ganz Deutschland kommen in den Südharz
Zweieinhalb Stunden ist Anna M. am nächsten Tag unterwegs nach Sangerhausen, ein 28 000-Einwohner-Städtchen im Südharz. Ihr Glück kann sie zunächst gar nicht fassen. Die Impfung – für sie ein Herzenswunsch, sie will sich mit ihrer Vorerkrankung sicherer fühlen. "Ich habe es erst geglaubt, als ich wirklich im Impfzentrum gestanden bin", berichtet die junge Frau aus Unterfranken.
Vor der umgenutzten Sporthalle parken Autos aus Leipzig, Dresden und sonstigen Ecken Deutschlands. M. ist nicht die einzige Impftouristin an diesem Tag. Vor Ort klappt alles wie am Schnürchen, "das war super organisiert". Eine Viertelstunde nach Verabreichung der Spritze ist sie wieder auf dem Heimweg Richtung Würzburg.
Dort stößt ihr Impfausflug durchaus auf Interesse im Freundeskreis. Einen Pilgerzug Richtung Sachsen-Anhalt löst sie aber nicht aus, viele in ihrem Umfeld seien bereits über Arztpraxen in Würzburg geimpft worden.
Auch im Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt geht man davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt. Sprecherin Ute Albersmann bestätigt, dass es landesweit keine Regionalsperre gibt, nur vereinzelt würden Landkreise mit eigenen Impfportalen ausschließlich Bewohner aus der Region zulassen. Und wenn Impflinge aus anderen Bundesländern anreisen, "dann ist das eher die Krankenschwester aus dem nahen Jena". Einen Impftourismus über weite Strecken habe man bisher nicht beobachtet.
Freie Termine sind schnell weg
Impftermine sind auch in Sachsen-Anhalt ein rares Gut. Freie Termine, die ins Internet gestellt werden, seien meist nach einer halben Stunde weg, heißt es aus dem Ministerium. Dass teilweise auch Nichtlandeskinder zum Zuge kommen, sieht man entspannt. "Das wird sich ausgleichen", so die Sprecherin. Andere Bundesländer, etwa Thüringen und Bayern, sind da strenger und vergeben über ihre Portale die Termine in Impfzentren nur an die eigenen Bewohner.
Vorgaben zum Wohnsitz macht der Bund in seiner Impfverordnung nicht, und der Städtetag warnte vor einigen Wochen vor einer zusätzlichen Bürokratisierung. Dass nicht wenige diese Freiheit nutzen, um irgendwo in der Republik einen Impftermin zu ergattern, wundert Eugen Brysch, den Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Patientenschutz, nicht. Das willkürlich festgelegte Ende der Priorisierung verschärfe die Situation, sagte er jüngst der Rheinischen Post. Niemand solle sich über Impftourismus aufregen. Die Verantwortlichen dafür säßen in Berlin und in den Landeshauptstädten.
Der Impftourismus ist genauso nicht nachzuvollziehen. Als ob es in den betreffenden Landkreisen niemanden gäbe, der nicht genauso dringend darauf wartet. Aber die Geschichte habe ich in der Verwandtschaft in Baden Württemberg auch schon miterlebt. Da ist auch jemand in den überübernächsten Landkreis zum Impfen gefahren, weil trotz Vorerkrankungen kein regulärer Termin abzusehen war.
Dass man in Deutschland solche Probleme hat, so etwas fair zu organisieren...
P.S.: Waren gestern für den ersten Impftermin in Sachsen. Erzgebirge. Eine Hausarztpraxis hatte Biontec übrig. Gefunden über facebook.
Telefonieren mit Fachärzten oder Hausärzten auch aus anderen Regionen und ich bekam einen Termin.