Zweimal pro Woche muss Marc Stetting früh raus. Wenn andere sich auf den Weg zur Arbeit machen, ist er mit Plastikeimern und Handschuhen ausgestattet zwischen Ochsenfurt und Marktbreit unterwegs. Seine Mission: möglichst vielen Fröschen und Kröten eine sichere Reise zu ihren Laichgewässern und wieder zurück ermöglichen. Dafür trägt der Sommerhäuser im Wechsel mit vier anderen Freiwilligen dort Amphibien über die Straße – viele Wochen lang, jeden Morgen. "Kröten-Shuttelservice" nennt er das Ehrenamt mit einem Augenzwinkern. Ohne die Helferinnen und Helfer würde ein Großteil der Tiere an der viel befahrenen Marktbreiter Straße wohl Autos und Lastwagen zum Opfer fallen.
Ist es warm und feucht, herrscht Krötenwetter
Punkt 7.30 Uhr beginnt Marc Stetting seine Route entlang der Amphibienschutzzäune. Heute hat er Unterstützung von Evelyn Flury, die ebenfalls regelmäßig Kröten und Frösche über die Straße bringt. Normalerweise sind die Ehrenamtlichen des Teams allerdings alleine auf der Strecke unterwegs.
Los geht es entlang der Seitenstraße zwischen den Südzucker-Teichen und der Autogastankstelle Marktbreit. In zügigem Tempo schreitet Stetting den ersten Zaun auf dem Grünstreifen ab, die Augen immer auf den Boden geheftet. Der ist noch matschig vom Regen der vergangenen Tage. "Das war bestes Krötenwetter", sagt Stetting. Denn die Tiere mögen es feucht und warm.
Steigen die Temperaturen im Frühjahr, machen sie sich auf den Weg und die Amphibienwanderung beginnt. Bis zu acht Kilometer lege eine Kröte schon mal zurück, um sich genau in dem Gewässer, in dem sie selbst aufgewachsen ist, fortzupflanzen, sagt Stetting. Auch hier seien die Auswirkungen des Klimawandels spürbar. "So früh wie in diesem Jahr ist es noch nie losgegangen", sagt der Sommerhäuser. Schon Anfang Februar seien im Landkreis Würzburg die ersten Tiere losgezogen.
Dann wurden landkreisweit – koordiniert vom Landschaftspflegeverband und dem Bund Naturschutz – an insgesamt 13 Stellen Amphibienschutzzäune aufgestellt. Sie sollen verhindern, dass Tiere ungehindert auf die Straßen hüpfen. Insgesamt 2,5 Kilometer Zaun fallen ins Aufgabengebiet der Freiwilligen-Gruppe von Marc Stetting. Gemeinsam mit Barbara Hunfeld, Ingrid Richter, Evelyn Flury und Martina Fechter betreut er die Zaunabschnitte entlang der Südzucker-Teiche.
Freiwillige kontrollieren jeden Tag mehr als 70 Eimer
Mit geübtem Blick kontrolliert Stetting die Eimer entlang des Zauns. Diese sind in gleichmäßigen Abständen in den Boden eingegraben und dienen als Auffangbehälter für die Tiere, die entlang des Hindernisses nach einem Weg suchen.
Im ersten Eimer liegen nur eine paar verwelkte Blätter. Weiter zum nächsten. "Da haben wir ein Männchen", stellt Stetting fest, kniet sich auf den Boden und nimmt die Kröte vorsichtig aus dem Eimer.
Lange hält er sich nicht auf mit dem tierischen Fund. Denn noch liegen viele hundert Meter Zaun und rund 70 weitere Eimer vor ihm. "Danach braucht man kein Fitnessstudio mehr", sagt Stetting und ist schon auf dem Weg zum nächsten Eimer. "Natürlich habe ich an manchen Tagen keine Lust." Doch es gebe ihm ein gutes Gefühl, hier mit anzupacken, sagt Stetting. Und das macht er seit rund 20 Jahren.
"Ohne uns wäre es ein Massaker auf der Straße", sagt er. Einen hundertprozentigen Schutz gebe es nicht, aber hier würden dank der Zäune sehr wenige Tiere überfahren.
Wo befahrbare Wege den Amphibienschutzzaun kreuzen, hat die Gruppe einen mobilen Zaun installiert. "Den haben wir selbst entwickelt", sagt Stetting. Jeden Morgen baue ein Mitglied seines Teams das Zaunstück ab, damit Autos vorbeifahren können. Abends wird es wieder aufgebaut.
Neue Helferinnen und Helfer sind schwer zu finden
Stettings Kollegin Evelyn Flury ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. "Es geht mir darum, den Tieren zu helfen. Ich mache da keinen Unterschied zwischen Hunden, Katzen oder Kröten", sagt die Eibelstädterin. Noch dazu erinnere sie sich gut an die vielen Kröten, die in ihrer Jugendzeit oft überfahren auf den Straßen lagen. "Das war schrecklich", sagt sie. Umso mehr Grund für Flury, sich heute für den Artenschutz einzusetzen.
Ganz ohne Gegenleistung müssen die Ehrenamtlichen den Aufwand nicht betreiben. Stattdessen könnten sie gut zwölf Euro pro Stunde abrechnen, so Simone Heim, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbands im Landkreis Würzburg. Trotzdem sei es nicht einfach, genügend Freiwillige für den Job zu finden.
"Wir sind immer froh über neue Leute", bestätigt Stetting. Vor allem brauche es Zuverlässigkeit. Schließlich müsse die Runde am Morgen jeden Tag gemacht werden.
Die Krötenwanderung neigt sich bereits dem Ende zu
Den Weg zum Laichgewässer haben die meisten Amphibien zu dieser Zeit bereits geschafft. Nun geht es für den "Shuttle-Service" von Stetting und Flury darum, die Tiere zurück in den Wald auf der anderen Straßenseite zubringen. Bevor die beiden die Rückwanderer in die Freiheit entlassen, zählen sie zur Dokumentation, wie viele sie gesammelt haben. 75 Erdkröten sind es an diesem Tag. "Frösche kommen nicht zurück", sagt Stetting. Woran das liegt, sei ihm allerdings nicht bekannt.
"Unser Top-Score war dieses Jahr bisher 360", sagt Stetting. Insgesamt 1700 Kröten und 400 Frösche habe seine Gruppe in den vergangenen Wochen schon zu den Teichen gebracht, mehr als 560 Kröten zurück auf die andere Seite.
Trotzdem bekommen Stetting und Flury nicht nur Anerkennung für ihre Arbeit. "Es gibt schon ab und zu negative Kommentare", berichtet Stetting. Erst vor kurzem seien die Reflektoren an einem mobilen Zaun gestohlen worden. Doch solche Erfahrungen seien zum Glück die Ausnahme.
Um 9.30 Uhr sind sämtliche Frösche und Kröten in Sicherheit gebracht – zumindest für heute. Noch zwei bis vier Wochen müssen die Amphibienretter ran. Dann ist die Saison vorbei.