An wen wendet man sich, wenn man im Club von anderen Partygästen beleidigt wird? Wen spricht man an, wenn eine persönliche Grenze überschritten wurde? Und wo bekommt man Hilfe, wenn das letzte Glas Gin Tonic zu viel war, sich alles dreht und man seine Freunde nicht finden kann? In vielen Würzburger Clubs bleiben diese Fragen bislang oftmals offen.
Dabei gibt es in Clubs immer wieder Situationen, in denen der Spaß am Feiern in den Hintergrund gerät. Das müssen nicht immer große Ereignisse sein, wie etwa die Massenschlägerei in Würzburgs Innenstadt im Mai. Oder sexuelle Übergriffe, wie im August in einer Cocktailbar in Würzburg.
Oft sind es vermeintlich kleinere Übergriffe oder Äußerungen, die einen fröhlichen Partyabend vorzeitig beenden können. Die einzige Lösung für Betroffene scheint oft der Gang zur Security. Diese ist jedoch häufig mit anderen Aufgaben beschäftigt und reagiert möglicherweise nicht immer mit der notwendigen Feinfühligkeit. Aus diesem Grund arbeiten viele Clubs in anderen deutschen Städten inzwischen mit speziellen "Awareness-Teams" (englisch für Bewusstsein), die sich speziell um das Wohlergehen der Partygäste kümmern. Doch wie stehen Würzburger Clubs zu dem neuen Konzept?
Dornheim setzt künftig auf mehr Sensibilität beim Thema "Übergriffe"
Im Würzburger Elektro-Club "Dornheim" an der Talavera wurde zuletzt bei der queeren Prism-Partyreihe ein spezielles Awareness-Team eingesetzt. Eingeführt wurde das Konzept von Denny Garcia, alias DJ Denny Voltage, zuständig für die Organisation der Reihe. Losgelöst vom Sicherheitspersonal war das Team ansprechbar für Gäste, die sich einer psychisch oder körperlich unangenehmen Situation befanden. "Das Team soll nicht erst eingreifen, wenn es einen Vorfall gab, sondern am besten schon vorher aktiv werden, damit es gar nicht erst dazu kommt", erklärt Garcia das Konzept.
Sabine Schräder, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Dornheim, ergänzt: "Übergriffigkeiten passieren Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht." Im Vordergrund der Awareness-Arbeit stehe immer das individuelle Bedürfnis der Betroffenen. Damit die Dornheim-Mitarbeitenden dies künftig noch besser einschätzen können, finde Ende November eine erste Schulung in diesem Bereich statt. "Ich möchte, dass unser Personal maßgeblich dazu beiträgt, dass sich jede Person sicher und akzeptiert in unserem Club fühlt", so Schräder.
Awareness-Team als wichtige Säule der "Kurt&Komisch" Mentalität
Der Würzburger Club "Kurt&Komisch" in der Sanderstraße setzt seit Mai auf ein Awareness-Team. Mittlerweile sei das zusätzliche Personal fester Bestandteil der Club-Mentalität und werde von den Gästen gut angenommen, sagt Tilman Horsinka, Presseverantwortlicher im Kurt&Komisch.
Aufgabe des Teams sei, den Feiernden ein "möglichst sicheres und unbeschwertes" Feiererlebnis zu ermöglichen und zu zeigen, dass "Diskriminierung und Sexismus weder durchgewunken noch kleingeredet" werden, so Horsinka. Das Team sei jederzeit ansprechbar und handele nur proaktiv, wenn "Gäste offenbar übergriffig handeln oder es ihnen deutlich sichtbar nicht gut geht".
Alter Ego setzt auf bundesweite "Ist Luisa hier?" Kampagne
Auch David Schiemann, Verantwortlicher des Clubs "Alter Ego" hält Awareness-Teams für ein interessantes Konzept. In seinem Club setzt er jedoch auf sein Sicherheits- und Thekenpersonal. Durch regelmäßige Schulungen und Sensibilisierung für Themen wie Diskriminierung, Übergriffigkeiten und Gewalt, seien Mitarbeitenden "gut auf solche Situationen vorbereitet", sagt Schiemann. Die Videoüberwachung des gesamten Clubs sorge für zusätzliche Sicherheit der Gäste.
Das "Alter Ego" beteiligt sich nach Angaben von Schiemann zudem an der Kampagne "Ist Lusisa hier?", die bundesweit in Clubs eingesetzt wird. Fühlt sich ein Gast bedrängt, bedroht oder werden die persönlichen Grenzen überschritten, so das Konzept, kann sich die Person mit dem Codewort "Ist Lusia hier?" an das Personal wenden und bekommt unauffällig und schnell Hilfe angeboten.
Kein Awareness-Team im Odeon und Airport in naher Zukunft
Nicht für notwendig hält Frank Knüpfing, Betreiber der Würzburger Clubs Odeon und Airport das Konzept von Awareness-Teams. Er vertraut auf sein Security-Team aus acht bis neun Personen pro Abend, wie er sagt. Da bräuchte es kein zusätzliches Personal, "das in einem Info-Point sitzt und sich als Awareness-Team bezeichnet, nur weil es schick ist."
Dass solche Konzepte einen sicheren Raum für Feiernde schaffen könnten, die sich sexuell bedrängt oder diskriminiert fühlen, ist für Knüpfing kein Argument: "Ich muss sagen, dass sexuelle Übergriffe bei uns eher selten stattfinden." Übermäßiger Alkoholkonsum sei hingegen öfter ein Thema in seinen Clubs. "Wenn jemand über die Stränge schlägt, begleiten unsere Türsteher die Person gern vor die Tür", so Knüpfing. Dort warte frische Luft, ein Glas Wasser oder im Extremfall der Rettungsdienst.
Polizei Würzburg begrüßt den Einsatz von Awareness-Teams in Clubs
Die Polizeiinspektion Würzburg hingegen begrüßt den Einsatz von Awareness-Teams. In Würzburg komme es in den Nachtstunden vermehrt zu Einsätzen in Zusammenhang mit alkohlisierten Personen, so Pressesprecher Martin Meilhammer. Dabei handele es sich zwar meist um Körperverletzungen, verbale Streitigkeiten oder Lärmbelästigung. Doch auch sexuelle Übergriffe seien ein Thema im Nachtleben.
Im Jahr 2021 sei es zu einer "geringen Anzahl an sexuellen Belästigung in Form von 'grabschen'" gekommen, sagt Meilhammer. Da die Clubs aufgrund der Corona-Maßnahmen lange Zeit geschlossen waren, seien die Zahlen aus dem Jahr jedoch nicht repräsentativ. Deutlich mehr Übergriffe habe es im Jahr 2019 gegeben. Daher halte er den Einsatz von Awareness-Teams für sinnvoll. Diese könnten "vorbeugend deeskalieren" und für Betroffene "niedrigschwellige Unterstützung im Club" bieten.
Ich als Mann wurde auch schon von betrunkenen Frauen oder Männern belästigt. Habe dann angefangen mit denen über Politik zu reden. Da sind die Leute aber schnell weg.