Seit mehr als zwölf Wochen wird die Mehrheit der bayerischen Schüler zu Hause unterrichtet. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) rechnet damit, dass die Corona-Beschränkungen an Schulen noch mindestens ein Jahr gelten werden. Bis dahin, so Karliczek, werde es weiter eine Mischform von Präsenzunterricht und digitalem Unterricht geben. Auch in Bayern.
Doch nicht alle Schüler haben zu Hause die gleichen Möglichkeiten. Mit dem "Homeschooling" bestimmt Experten zufolge mehr denn je der familiäre Hintergrund über den schulischen Erfolg und den Werdegang von Kindern und Jugendlichen. Wie kann man gleiche Bedingungen für alle schaffen? Haben bayerische Schulen die Digitalisierung verschlafen? Wie kann der Unterricht verbessert werden?
Zunächst gab es für die meisten Schüler nur Arbeitsblätter. "Ab der dritten Woche hat sich so etwas wie digitaler Unterricht entwickelt", berichtete Joshua Grasmüller jetzt bei einer Webkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung. Grasmüller ist Koordinator im Landesschülerrat Bayern, der 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler vertritt. "Mebis", die zentrale Lernplattform des Kultusministeriums, sei anfangs absolut überlastet gewesen und immer wieder abgestürzt. "Mebis war ein riesiger Reinfall und nicht für einen Massenzugriff ausgerichtet", sagt Grasmüller. "Die große Mehrheit der Schüler hatte gar keinen Zugriff auf digitale Lernplattformen."
Auch für Lehrer lief nicht alles rund in den Corona-Wochen: "Wir hatten wenig digitalen Unterricht, aber wir hatten digitale Kommunikation", so Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), bei der Webkonferenz. "Wenn wir den Unterricht in dieser Form noch länger fortsetzen, brauchen wir klare Richtlinien für den digitalen Unterricht." Das größte Problem aber sei der Lehrermangel: "Viele Schulen haben einfach nicht genug Personal."
Die unterschiedlich gute Ausstattung der Schulen mit Hard- und Software sei zu Lasten der Kinder und Jugendlichen gegangen, sagt Jörg Nellen vom Bezirksverband Unterfranken der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Da die Digitalisierung in Bayern verschlafen wurde, waren neben den Schulen auch viele Elten nicht auf die Anforderungen digitalen Unterrichts eingestellt", sagt Nellen. Viele Schüler hätten immer noch kein Endgerät, auch Drucker fehlten in vielen Familien.
Einheitliche Hard- und Software für alle Schüler
Für den Unterricht zu Hause brauche jeder Schüler einen Arbeitsplatz, an dem er in Ruhe arbeiten kann, einen PC oder Laptop sowie eine stabile Internetverbindung. Aber es brauche auch Eltern, die die Kinder beim Homeschooling unterstützen, sagt Professor Rudolf Kammerl. Der Medienpädagoge der Universität Nürnberg-Erlangen verwendet selbst lieber den Begriff "Fernunterricht": "Man kann nicht von Homeschooling sprechen, denn das impliziert, dass Eltern freiwillig ihre Kinder daheim unterrichten." Und digital sei der Unterricht nur bei den wenigsten Kindern gewesen.
Wie aber kann der Fernunterricht verbessert werden? "Ideal wäre ein täglicher Kontakt zum Lehrer und auch der Kontakt der Schüler untereinander. Aber davon sind wir weit entfernt", sagt der Medienpädagoge. Dazu müssten die Lehrpläne an die neuen Anforderungen angepasst werden. Und die Lehrer sollten mehr zusammenarbeiten, so Kammerl: "Wenn landesweit jede digitale kompetente Lehrkraft nur eine gute Unterrichtseinheit entwickelt und mit allen teilt, gäbe es schnell ein umfangreiches Angebot." Dies müsse aber zentral durch die Landesinstitute und Ministerien koordiniert und mit Unterstützung von Fachkräften für Medienproduktion und digitales Lernen professionalisiert werden.
Die GEW sieht bestimmte Bevölkerungsgruppen grundsätzlich benachteiligt. "Die soziale Spaltung wird durch die digitale Spaltung noch vertieft. Als Konsequenz aus der Krise muss der Staat mit Geld, Know-how und Personal endlich dagegen steuern", sagt Jörg Nellen. Der digitale Unterricht sei in den vergangenen Wochen dort gelungen, wo Schulleitungen bereits Förderungen aus dem Digitalpakt nutzten, wo Lehrkräfte die Aufgaben schon früher in einer Mischung aus digital und analog erledigen ließen, und wo die Schule auf eine zeitgemäße Ausstattung der Schüler zuhause achtete, so Nellen: "Doch bis das für alle Schulen gilt, wird noch ein Jahrzehnt vergehen, wenn wir so weiter wurschteln, wie bisher", so der GEW-Vorsitzende für Unterfranken.
Mit dem Digitalpakt wird seit März 2019 die Digitalisierung in den Schulen mit fünf Milliarden Euro gefördert. Im Januar 2020 waren bundesweit erst 20 Millionen aus dem fünf Milliarden-Paket abgerufen worden. Viele Schulen, so hieß es, hätten ihre Medienkonzepte noch nicht eingereicht - Grundvoraussetzung dafür, überhaupt Mittel beantragen zu dürfen. Zudem seien zahlreiche Schulen noch dabei, erst einmal ihre aktuelle Ausstattung zu prüfen und ihren Bedarf zu ermitteln.
Kultusministerium stellt Endgeräte zur Verfügung
"In den letzten Jahren wurden an den Schulen tausende mobile Endgeräte beschafft", sagt indes Zoran Gojic, Sprecher am Kultusministerium. Diese Geräte können sich Schüler jetzt über die Schulen beim Schulaufwandsträger ausleihen. "Wenn die Geräte nicht ausreichen, können die Schulen mit Fördermitteln auch ohne vorherigen Förderantrag weitere beschaffen", so Gojic. Alle weiterführenden Schulen würden mit dem digitalen Kommunikationswerkzeug "Microsoft Teams für Education" unterstützt. "Damit können die Schüler mittels Chat, Telefon- oder Videokonferenz mit den Lehrkräften kommunizieren, in Kursräumen arbeiten und Feedback erhalten."
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Deswegen: Sommerferien auf 3 Wochen verkürzen und dann intensiv den digitalen Unterricht vorbereiten.
Seit März 2019?! Aha...
Die Welt um uns hat sich radikal verändert, nur Schule in Deutschland lief bisher immer noch wie seit hunderten Jahren. Die größte Innovation war, dass man Griffel und Schiefertafel durch Papier und Stift ersetzt hat. Ach ja, und dass die Schüler im Winter kein Holzscheit zum Heizen des Klassenzimmers mehr mitbringen müssen.
Das ganze Dilemma kommt nun dank Corona zum Vorschein. Und das liegt nicht nur an der mangelnden Ausstattung der Schüler. Manche Lehrer sind genauso ahnungslos und überfordert wie die Schüler. Da herrscht Unkenntnis wie man in der offiziellen Lernplattform Mebis Aufgaben verteilt, dann fehlt mal der Upload-Link, Chat- und Forenfunktionen werden nicht genutzt. Stattdessen wir alles doppelt und dreifach per eMail hin und her geschickt. Videokonferenzen werden durch Fremde gestört, weil man nicht weiß, wie man so eine Sitzung absichert, etc.
Ich erlebe das tagtäglich mit meinen eigenen Kindern. Ein Armutszeugnis
Leider ist aber Schule eine kommunale Angelegenheit. Wir kennen ja auch die Geschichten, dass Lehrer mal gerne im August zum Arbeitsamt gehen müssen.
Wenn man den Kindern natürlich immer wieder erklärt wie schwierig das alles ist und wie schlimm sie doch dran sind - dann ist es für die Kinder irgendwann tatsächlich ein belastender Zustand. Man muss ihnen vermitteln, dass dies die ganz grosse Chance auf Individualität und Selbstständigkeit ist!
"Unterricht" via Aufgaben im Schulbuch oder wöchentlich verteilten Arbeitsblättern.