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Würzburg
Tipps einer Familienberaterin: So vermeiden Sie den Corona-Krach
Das Coronavirus verändert unseren Familienalltag und unsere Beziehungen. Eine Würzburger Familienberaterin erklärt, wie Paare und Singles diese Belastungsprobe meistern.
Wir sollen alle daheim bleiben. Das führt allerdings schnell zu Spannungen und Streit in den Familien.
Foto: Thinkstock | Wir sollen alle daheim bleiben. Das führt allerdings schnell zu Spannungen und Streit in den Familien.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:34 Uhr

Das Coronavirus legt gerade die gesamte Gesellschaft lahm: Millionen von Menschen hocken gerade zu Hause, allein, zu zweit, in WGs oder als Familie. Das Haus verlassen darf man nur zum Spazierengehen oder Einkaufen. Besuche sind auch nicht mehr erlaubt. Eine Belastungsprobe für jede Beziehung. In China hat der Hausarrest bereits dafür gesorgt, dass die Scheidungstermine in vielen Städten ausgebucht sind. Damit es bei uns nicht soweit kommt, haben wir mit der Familien- und Erziehungsberaterin Barbara Siegmann-Schroth vom Evangelischen Beratungszentrum in Würzburg gesprochen. Sie hat Tipps für Familien, Paare und Singles.

In China hat sich die Zahl der Scheidungen seit der Corona-Krise deutlich erhöht. Was können Paare tun, um diese ungewöhnliche Zeit gut zu meistern? 

Barbara Siegmann-Schroth: Die Corona-Krise stellt gerade das Leben von jedem Einzelnen auf den Kopf. Und diese Situation löst bei vielen Unbehagen und auch Stress aus. Das gesamte Paar- und Familienleben muss neu strukturiert werden. Vor allem Kindern, aber auch Erwachsenen, hilft ein  fester Tagesrhythmus. Dazu gehören feste Aufsteh- und Bettgeh-Zeiten, aber auch gemeinsame Mahlzeiten können hier Orientierung geben. 

Wie könnte diese Struktur aussehen?

Siegmann-Schroth: Kindern kann man die neue Tagesstruktur am besten auf einem Plakat erklären. Schreiben oder malen Sie auf ein Plakat die wichtigsten Punkte des Tagesablaufs, wie Mahl- und Lernzeiten. Gemeinsam im Familienrat kann man sich für jeden Tag eine besondere Aktivität überlegen, auf die man sich freut. Ein klarer Tagesplan gibt Halt und Sinn und beugt schlechter Stimmung vor.

Die Corona-Krise wird zur Belastungsprobe für Partnerschaft und Familie.
Foto: Illustration Karina Färber | Die Corona-Krise wird zur Belastungsprobe für Partnerschaft und Familie.
Gerade auch als Paar ist diese Zeit eine Belastungsprobe. Wie vermeidet man Konflikte?

Siegmann-Schroth: Die Stimmung wird immer mal wieder angespannt sein. Jeder wird anders mit dieser Situation umgehen. Vielen macht die Corona-Krise Angst. Die einen brauchen vermutlich in dieser Zeit mehr Nähe und viele Gespräche, andere gehen eher auf Distanz. Die oberste Regel in dieser Ausnahmesituation sollte sein, dass man sich in der Partnerschaft keine Vorwürfe wegen dieser Unterschiedlichkeit machen sollte. Gerade in dieser Zeit sollte man den Partner so akzeptieren, wie er ist. Sprechen Sie darüber, wie es Ihnen mit der Situation gerade geht. Machen Sie sich bewusst, dass diese Situation nur vorübergehend ist. 

Wie kann man sich Freiräume schaffen?

Siegmann-Schroth: Freiräume sind sehr wichtig. Wenn beide Partner plötzlich im Homeoffice arbeiten, muss man sich arrangieren. Es wird auch nicht alles gleich von Anfang an klappen. Man muss sich für die Neuorganisation des Familienlebens auch Zeit geben. Am besten sind klare Absprachen. Wer welche Aufgaben erledigt, sollte man neu organisieren. Allgemein rate ich, das Anklopfen wieder einzuführen. Nicht einfach hemmungslos überall reinzulaufen. Privatsphäre ist gerade in diesen Zeiten ein kostbares Gut.  

  • Lesen Sie auch: Fünf Tipps zur Corona-Krise für die Psyche
Was tun, wenn man unterschiedliche Ängst hat?

Siegmann-Schroth: Das Coronavirus ist mit Sicherheit auch ein großes Thema in vielen Partnerschaften. Der eine möchte vielleicht jede Sondersendung dazu sehen und liest alles darüber, dem anderen wird das zu viel und er zieht sich eher zurück. Jeder Mensch reagiert anders auf diese besondere Situation. Wichtig ist es, bei unterschiedlichen Sichtweisen nicht immer eine Grundsatzdiskussion zu führen, sondern eher konkrete Lösungen zu suchen: "Wenn du diese Sendung noch anschauen willst, gehe ich jetzt mal eine Runde um den Block..." 

Was kann man tun, um sich ein bisschen abzulenken?

Siegmann-Schroth: Es ist ganz wichtig, sich selbst bei Laune zu halten. Versuchen Sie die geschenkte Zeit auch ein Stück weit zu genießen. Dazu gehört, sich zum Beispiel etwas Leckeres einzukaufen und etwas Besonderes zu kochen, ein Lieblingsbuch zu lesen, mit den Kindern ein Kochbuch selbst gestalten, Karten oder Brettspiele machen, ein Fotoalbum erstellen. Es ist auch wichtig, seinen Humor zu behalten. Humor hilft, sich von den Ängsten und Bedrückungen ein Stück weit zu distanzieren. 

Barbara Siegmann-Schroth ist Familienberaterin am Evangelischen Beratungszentrum in Würzburg.
Foto: Niko Natzschka | Barbara Siegmann-Schroth ist Familienberaterin am Evangelischen Beratungszentrum in Würzburg.
Was raten Sie Singles, die derzeit gar keinen Partner haben?

Siegmann-Schroth: Als Single ist man in dieser Zeit komplett auf sich gestellt. Das ist natürlich erst einmal hart, aber wenn man diese Zeit gut bewerkstelligt, wird man auch gestärkt daraus hervorgehen. Wir leben in digitalen Zeiten, in denen man Kontakte und Verbindungen gut aufrecht erhalten kann. Und es gibt viele Sachen, für die im Alltag keine Zeit bleibt, vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, um etwas Neues anzufangen: Zum Beispiel eine neue Sprache zu lernen, den Keller als Fitnessstudio umzubauen, ein Musikinstrument mal wieder auszupacken, eine Wand zu streichen, den Balkon neu zu bepflanzen.

Wie kann man trotz Ausgangssperre mit anderen Kontakt halten?

Siegmann-Schroth: Kontakte helfen immer, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt. Freunde anzurufen und sich auszutauschen, ist ja auch immer noch möglich – und das sollte man auch tun. Gehen Sie mit Video-Chats, Telefonaten, Textnachrichten mit Menschen in Kontakt, die Ihnen wichtig sind. Sprechen Sie über das, was Sie beschäftigt.

Könnte diese Krise für Partnerschaften auch Vorteile bringen?

Siegmann-Schroth: Wenn man sich vorstellt, wie es wäre,  wenn man in fünf Jahren einer Freundin von dieser Zeit erzählt, kann man über dieses Gedankenspiel erkennen, was jetzt gerade vielleicht auch gut ist. Vieles spricht dafür, sich in Krisenzeiten verstärkt um die Partnerin oder den Partner zu bemühen. Eine stabile Beziehung gibt Halt in einer Welt, die sich gerade grundlegend verändert. Kaum etwas beruhigt so gut wie die Gegenwart eines vertrauten Menschen. 

Wichtige Telefonnummern: Hier finden Sie Hilfe
Rat und Infos zur Bewältigung der Corona-Zeit gibt's beim Krisentelefon des Evangelischen Beratungszentrums Würzburg. Tel. (0931) 305010 (Mo-Fr 9-12 Uhr und 14-17 Uhr)
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" bietet Betroffenen die Möglichkeit, sich zu jeder Zeit anonym, kompetent, sicher und barrierefrei beraten zu lassen: Tel. (0800) 116 016.
Die "Nummer gegen Kummer" bietet Telefonberatung für Kinder, Jugendliche und Eltern. Das Kinder- und Jugendtelefon ist unter der Nummer 116 111 zu erreichen (Montag bis Samstag jeweils von 14 bis 20 Uhr).
Telefonseelsorge der katholischen Kirche: Tel. (0800) 1110222
Telefonseelsorge der evangelischen Kirche: Tel. (0800) 1110111
Frauennotruf bei Wildwasser Würzburg e.V.: Tel. (0931) 13287 
Im Notfall immer die Polizei rufen unter: 110
 
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  • L. T.
    Wie haben es Familien eigentlich früher in den 6-wöchrigen Sommerferien miteinander ausgehalten? Sind alle nach Tirol in Urlaub gefahren?
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    • Antworten
  • J. B.
    Ich und meiner Familie tut diese erzwungene Auszeit richtig gut.
    Der Minderverdienst ist gut zu kompensieren, da sich der Spritverbrauch um über die Hälfte reduziert hat.
    Auch das schnelle Gebäckkstück beim Bäcker usw.
    Wir backen jetzt viel Kuchen und kochen leckere Gerichte wozu einem sonst einfach die Zeit fehlte.
    Wir gehen viel spazieren, joggen usw.
    Kein Stress, kein dauerndes auf die Uhr schauen.
    Endlich mal Zeit sich um Versicherungen, Stromanbieter usw. zu kümmern.
    Unsere Tochter bekommt jeden Tag genug Aufgaben von der Schule.
    Also Langeweile kommt wirklich nicht auf.
    Abgesehen vom Virus,
    den ich hier nicht verharmlosen möchte, eine absolute Entschleunigung unserer schnelllebigen Wegwerfgesellschaft.
    War eigentlich schon lange überfällig. Das es durch einen Virus passieren muss, der Menschen das Leben kostet, ist traurig.
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