Die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Sonntag in Schweinfurt war erneut nicht angemeldet, dazu aufgerufen wurde über die Online-Plattform Telegram. Doch die Polizei zeigte diesmal deutliche Präsenz, unterband Aufzüge durch Absperrungen – und drohte für Verstöße den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray an. Trotzdem widersetzten sich einige Demonstranten den Anweisungen und wurden handgreiflich.
Vier Täter – drei Männer und eine Frau – kamen in Gewahrsam und wurden am darauffolgenden Tag vom Amtsgericht Schweinfurt in Schnellverfahren zu teils drastischen Strafen verurteilt: zwischen 1600 Euro Geldstrafe und zwölf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Wie sind beschleunigte Verfahren und Strafmaß in diesem Zusammenhang zu bewerten? Fragen an Professor Eric Hilgendorf, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität Würzburg.
Prof. Eric Hilgendorf: Diese Schnelligkeit hat mich in der Tat überrascht. Wir sind ja eher langwierige Verfahren gewohnt. Grundsätzlich sind zügige Verfahren besser, weil dem Täter und auch der Allgemeinheit vor Augen geführt wird, dass sich Straftaten nicht lohnen.
Hilgendorf: Davon gehe ich aus. Die Paragrafen 417 bis 420 der Strafprozessordnung regeln das Verfahren ziemlich detailliert. Und es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich das Gericht nicht daran gehalten hat.
Hilgendorf: Voraussetzung eines solchen Verfahrens ist stets, dass es sich um einen einfachen Sachverhalt handelt oder die Beweislage klar ist. Es muss also Klarheit darüber herrschen, was genau geschehen ist.
Hilgendorf: Ja, vor allem dann, wenn der Angeklagte das ihm vorgeworfene Verhalten nicht bestreitet, oder wenn die Sachlage aus anderen Gründen eindeutig ist.
Hilgendorf: Mehrere Zeugenaussagen reichen, wenn sie in den wesentlichen Punkten übereinstimmen, und keine Zeugenaussage einer anderen in einem relevanten Punkt, also nicht in einer bloßen Nebensächlichkeit, widerspricht.
Hilgendorf: Videomaterial besitzt grundsätzlich einen hohen Beweiswert, auch wenn wir alle wissen, dass es gefälscht werden kann. Darauf gibt es hier aber keine Hinweise.
Hilgendorf: Natürlich. Viele Täter stellen Videos ihrer "Heldentaten" selbst ins Netz, oder sie werden von anderen Demonstranten gefilmt und diese Filme dann online gestellt. Besonders hohen Beweiswert besitzen Polizeivideos.
Hilgendorf: Mich hat die hohe Strafe von einem Jahr auf Bewährung gegen den 50-Jährigen überrascht. Immerhin hat sich der Mann offenbar bisher nichts zuschulden kommen lassen. In einem solchen Fall wäre es vielleicht doch sinnvoll, die Hintergründe des Täterverhaltens, seine Motive und mögliche psychische Belastungen genauer aufzuklären.
Hilgendorf: Eine Hauptverhandlung findet auch beim beschleunigten Verfahren statt. Das ist in Paragraf 418 der Strafprozessordnung geregelt. Gegen das Urteil können wie üblich Rechtsmittel eingelegt werden, und dann kommt es in der Regel zu einem neuen, ausführlicheren Verfahren.
Hilgendorf: Zum einen folgt die Strafe der Tat sozusagen "auf dem Fuße", was mit Sicherheit in vielen Fällen pädagogische Vorteile hat. Zum anderen wird die Justiz entlastet. Abschreckungseffekte sollten keine allzu große Rolle spielen, und können für sich allein genommen die Wahl eines beschleunigten Verfahrens nicht rechtfertigen.
Hilgendorf: Es könnte durchaus sein, dass Menschen, die sich ohnehin ausgegrenzt fühlen, sich nun weiter radikalisieren. Andererseits kann ein klares Signal des Staates, Unrecht nicht zuzulassen, auch hilfreich sein. Hier benötigen die Richterinnen und Richter Fingerspitzengefühl und große Kommunikationskompetenz.
Hilgendorf: Ja, durchaus. So ist die Höhe der im beschleunigten Verfahren möglichen Freiheitsstrafen auf maximal ein Jahr begrenzt. In der Regel bleiben die Gerichte deutlich darunter.
Hilgendorf: Schnellverfahren hat es im Prozessrecht immer schon gegeben. Seine jetzige Form verdankt das beschleunigte Verfahren dem Verbrechensbekämpfungsgesetz aus dem Jahr 1994. Das Schnellverfahren wird von der deutschen Justiz zurückhaltend eingesetzt, weil seine rechtsstaatlichen Probleme bekannt sind. Diese Zurückhaltung verdient aus meiner Sicht unbedingt Zustimmung.
Diese Kommentare sind erschreckend.
Kurzer Prozess, Hunde müssen sofort bestraft werden usw. da bekommt man schon Angst.
Rechtsstaatliche Probleme? Die MP als neutrale unabhängige Zeitung kann diesbezüglich sicher einen aufklärenden Artikel bringen damit auch der Laie weiss, welche Probleme gemeint sind. Durch diesen Satz haben die Schnellverfahren nämlich einen etwas faden Beigeschmack.
Gerade in der jetzigen Situation können schnelle Urteile weitere Straftaten bei oder im Idealfall die sogar Teilnahme an „Spaziergängen“ verhindern.
Unser krisengeschütteltes Zeitalter wird von Verhaltensauffälligkeiten und Überreaktionen geprägt. Den Querdenkern, ihnen ist die Wirklichkeit abhandengekommen, wird viel zu viel Berdeutung beigemessen. Die seelische Konstellation dieser Menschen ist auf Konfrontation ausgerichtet. Sie bäumen sich gegen einen vermeintliche autoritäre Struktur auf, um sich letzten Endes anderen autoritären Strömungen zu beugen. Wir sollten dieses auffällige Verhalten nicht sanktionieren, sondern durch gutes Zureden wie bei einem störrischen und trotzigen Kind in andere Bahnen lenken. Das wäre die angemessene Reaktion eines fürsorglichen Staates, der nicht die väterliche Autorität, sondern die müttterliche Güte walten lässt.
Traurig, aber wahr
Allerdings schienen die Querdenker sich immer mehr im Recht zu fühlen, weil keine Konsequenzen bisher passiert sind. Das darf man auch nicht vergessen. Die Radikalisierung hat schon begonnen, als sich nicht (wie von den Querdenkern erhofft) Tausende auf die Straße begeben haben. Daher kann ich kurzen Prozeß nur begrüßen.
Zitat Strafrechtsprofessor Hilgendorf: "Es könnte durchaus sein, dass Menschen, die sich ohnehin ausgegrenzt fühlen, sich nun weiter radikalisieren."
Als Laie frage ich mich allerdings was die Alternative zu einem Gerichtsverfahren inkl. Urteil wäre? Für die Radikalisierung dürfte es doch keine Rolle spielen ob die Verurteilung durch ein Schnellverfahren oder erst nach Monaten geschieht!