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Würzburg
Revolution in der Steinzeit: Das Museum für Franken in Würzburg zeigt, wie Ackerbau unsere heutige Welt formte
Mit der Ausstellung "Ackern statt Jagen" zeigt das Museum, wie der Mensch sesshaft wurde und damit die Grundlagen für die Zivilisation legte, wie wir sie heute kennen.
Der Archäologe Benjamin Spies hat die Ausstellung 'Ackern statt Jagen' zusammengestellt. Im Hintergrund die Rekonstruktion eines typischen Hauses aus der Jungsteinzeit.
Foto: Benjamin Brückner | Der Archäologe Benjamin Spies hat die Ausstellung "Ackern statt Jagen" zusammengestellt. Im Hintergrund die Rekonstruktion eines typischen Hauses aus der Jungsteinzeit.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:01 Uhr

Vor 7500 Jahren begann in der Region, die sehr viel später einmal Unterfranken heißen sollte, eine Entwicklung, die die Zivilisation, wie wir sie heute kennen, überhaupt erst möglich machte: Die Menschen wurden sesshaft. Sie waren nicht mehr Jäger und Sammler, sondern betrieben Ackerbau und Viehzucht. Sie zogen nicht mehr im jahreszeitlichen Wechsel umher, sondern rodeten den Wald, legten Felder an, bauten große Häuser, die sie mit Palisaden umgaben.

"Es wurde lange diskutiert, ob die Idee an mehreren Orten gleichzeitig entstand, oder ob sie sich durch Wanderung ausgebreitet hat", sagt der Archäologe Benjamin Spies. Heute ist unumstritten: Die Idee entstand vor 12.000 Jahren im Vorderen Orient. Ins heutige Unterfranken, das kann man genetisch nachweisen, brachten sie Siedler in der Jungsteinzeit aus der Region des heutigen Ungarn und Rumänien.

Diese Kette aus menschlichen Zähnen wurde möglicherweise als Schmuck um den Hals getragen.
Foto: Benjamin Brückner | Diese Kette aus menschlichen Zähnen wurde möglicherweise als Schmuck um den Hals getragen.

Benjamin Spies arbeitet am Museum für Franken auf der Würzburger Festung und hat dort die neue Sonderausstellung kuratiert: "Ackern statt Jagen". Die Schau in der Kelterhalle basiert auf 13 hinterleuchteten Text- und Bildtafeln, die Matthias Merkl vom Landesamt für Denkmalpflege erarbeitet hat.

Die Tafeln sind sonst als Wanderausstellung unterwegs, um möglichst vielen Menschen die Frage zu beantworten: "Was bringt uns das?" Gemeint ist: Was bringen die Rettungsgrabungen, die immer wieder nötig werden, bevor Bauprojekte vorgeschichtliche Fundstätten für immer vernichten?

An Mitmachstationen können Besucher steinzeitliche Techniken ausprobieren

Die Antwort: Die Funde tragen dazu bei, zu verstehen, wo wir herkommen, wie Museumsdirektor Jörg Meißner sagt. Unterfranken ist mit 700 bis 900 Fundstellen eine Art Hotspot der neuen Siedler, die neben vielen anderen auch die Kulturtechnik mitbrachten, nach der sie heute benannt sind: Linearbandkeramik. Also Keramikgefäße, die mit Linien und Bändern verziert sind, die vor dem Brennen in den Ton gedrückt wurden.

Die verzierenden Linien gaben der Linearbandkeramik ihren Namen.
Foto: Benjamin Brückner | Die verzierenden Linien gaben der Linearbandkeramik ihren Namen.

Das Museum hat die Leuchttafeln mit Funden aus dem eigenen Bestand ergänzt: Keramikgefäße und Tonfiguren, Dechseln, also steinernen Beilklingen, oder Feuersteinklingen. Hinzu kommen Rekonstruktionen: Mit den ausgestellten Beilen könnte man tatsächlich Bäume fällen. An Mitmachstationen können Besucherinnen und Besucher Gefäße aus Birkenrinde fertigen oder Stoffe weben. Auf Wandbildern sind Wohnstätten, Ansiedlungen und eine Begräbnisszene dargestellt, wie sie stattgefunden haben könnte.

Nicht alles lässt sich durch Funde eindeutig nachweisen

Denn nicht alles lässt sich durch Funde eindeutig nachweisen. Die nachempfundene Kleidung etwa, die an lebensgroßen Figuren gezeigt wird, ist eine Annahme von Jens Lüning, inzwischen emeritierter Archäologie-Professor, der vor allem in Schwanfeld (Lkr. Scheinfurt) gegraben und das dortige Bandkeramikmuseum entscheidend mitgestaltet hat. Grundlage für seine Kleiderentwürfe sind dekorative Linien auf Tonfiguren, die andere Forscher aber eher als Tätowierungen oder Bemalungen deuten, so Benjamin Spies.

Unklar ist auch, wozu eine Kette aus menschlichen Zähnen gedient haben könnte, die in den 1970er Jahren in Zeuzleben (Lkr. Schweinfurt) gefunden wurde. Nach neueren anthropologischen Untersuchungen weiß man heute, dass es Zähne von vier Individuen sind, aber ob sie miteinander verwandt, ob es erschlagene Feinde oder verehrte verstorbene Familienangehörige waren, das weiß man nicht.

Rekonstruierte Familienszene in der Ausstellung 'Ackern statt Jagen'.
Foto: Benjamin Brückner | Rekonstruierte Familienszene in der Ausstellung "Ackern statt Jagen".

Hinweise darauf, dass die zugewanderten Siedler auf nomadisierende Jäger stießen, gibt es keine. Benjamin Spies geht davon aus, dass in der Region ohnehin nur noch wenige Jäger unterwegs waren, als sich die schnell wachsenden Verbünde der Bandkeramiker niederließen. Diese litten zwar wegen ihrer überwiegend vegetarischen Ernährung oft unter Mangelkrankheiten und hatten mit durchschnittlich 28 Jahren eine geringere Lebenserwartung als die Jäger.

Die neue Kultur erwies sich trotzdem als die effizientere. Sie brachte eine gewisse Unabhängigkeit von jahreszeitlichen Schwankungen und erlaubte es, mehr Nahrung zu produzieren als im Moment gebraucht wurde. So konnten Personen von der Nahrungssuche freigestellt werden, um sich anderen Tätigkeiten zu widmen, etwa dem Hausbau oder dem Töpfern. Es entstand die Arbeitsteilung und damit die Grundlage für unsere heutigen Berufe.

Dennoch sind die heutigen Mitteleuropäer nicht ausschließlich Nachfahren der Bandkeramiker. Benjamin Spies: "Wir sind eine Mixtur aus Jägern, Keramikern und einer Gruppe, die erst um 2500 vor Christus aus der Schwarzmeerregion zugewandert ist."

Museum für Franken: "Ackern statt Jagen", bis 7. April. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Kinder- und Familienprogramm: museum-franken.de. Öffnungszeiten: Di. bis So. 10 bis16 Uhr, ab 1. April bis 17 Uhr.

 
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