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WIPFELD
Neuigkeiten aus der Steinzeit
8000 Jahre alt und ungewöhnlich groß: Die Visualisierung der Messergebnisse des Teams von Geophysiker Jörg Faßbinder zeigt die Wipfelder Bandkeramik-Siedlung, montiert auf ein Luftbild des Areals von 1984.
Foto: Otto Braasch (Luftbild), Landesamt für Denkmalpflege | 8000 Jahre alt und ungewöhnlich groß: Die Visualisierung der Messergebnisse des Teams von Geophysiker Jörg Faßbinder zeigt die Wipfelder Bandkeramik-Siedlung, montiert auf ein Luftbild des Areals von 1984.
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.10.2012 12:03 Uhr

Eine karger Satz im „Wipfelder Amtsblatt“, aber eine Meldung von erheblicher Tragweite: „Nach Ausmessungen mit Magnetometerprospektion ist Wipfeld die älteste Siedlung in Unterfranken.“ Den Titel „Ältestes Dorf Deutschlands“ führt aber seit ein paar Jahren schon die Nachbargemeinde Schwanfeld, ebenfalls im Landkreis Schweinfurt. Und das älteste Dorf Deutschlands ist logischerweise auch das älteste Unterfrankens.

Am Rande Schwanfelds hatte man die Reste einer neusteinzeitlichen Siedlung der sogenannten Bandkeramikkultur gefunden, 7500 Jahre alt. Im Oktober 2010 wurde hier das Bandkeramikmuseum eröffnet, in dem diese entscheidende Phase der Menschheitsgeschichte anschaulich erklärt wird: der Übergang vom Nahrungserwerb durch Jagen und Sammeln zur bäuerlichen, sesshaften Lebensweise. Nun aber entpuppt sich ein Acker, keinen Kilometer vom Wipfelder Marktplatz entfernt, als Standort der „Ältesten befestigten Siedlung Unterfrankens“. So jedenfalls die Überschrift eines Artikels in den „Denkmalpflege Informationen“ des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege.

Demnach gab es hier vor 8000 Jahren einen mit etwa zehn Hektar ungewöhnlich großen, von einem mächtigen Grabenwerk umgebenen Marktflecken. Nachgewiesen hat das der Geophysiker Jörg Faßbinder vom Landesamt für Denkmalpflege, Autor des oben erwähnten Artikels. Dass das Gelände vorgeschichtliche Überreste barg, war seit Jahrzehnten durch Luftbilder und gelegentliche Scherbenfunde bekannt, im April hat Faßbinder es nun mit einem zehnköpfigen Team akribisch untersucht.

Nicht mit Grabungen, sondern mit Magnetometerprospektion: Die Forscher legten ein Messgitter über das gesamte Areal und maßen alle 25 Zentimeter das Erdmagnetfeld. Jeder Eingriff in den ungestörten Boden – eine Feuerstelle etwa, die Pfosten der Holzhäuser, Wege oder Gruben – hinterlässt eine Störung dieses Magnetfelds. Winzig zwar, aber nachweisbar, egal ob vor zehn oder vor 8000 Jahren. „Wir messen 50 Millionstel des Erdmagnetfelds“, sagt Jörg Faßbinder, „das ist minimal, da darf niemand etwas Metallisches am Körper tragen.“

Jeder Messpunkt ergibt einen Bildpunkt, und so kann auch der Laie auf der Visualisierung einiges erkennen. Die Wallanlage etwa, deren zwei bis drei Meter tiefer, längst verfüllter Graben bis heute unter der Humusoberkante erhalten ist. Oder eine große, freie Fläche, die möglicherweise als Markt- oder Versammlungsplatz diente. Der Experte erkennt außerdem „eine Vielzahl riesiger, bis zu 50 mal zehn Meter großer Häuser“ und eine Menge Vorrats- und Kellergruben.

Die Form der Häuser erlaube die Datierung in die Zeit der Bandkeramik, auf haargenau 8000 Jahre will sich Jörg Faßbinder aber nicht festlegen. „Selbst Untersuchungen mit der C14-Methode können eine Abweichung von plus/minus 200 bis 300 Jahren haben“, sagt der Geophysiker.

Nun verbindet Schwanfeld und Wipfeld seit jeher die für viele fränkische Dörfer typische Rivalität. Peter Zeißner, Wipfelds Bürgermeister, zeigt sich sportlich: „Wir werden den Schwanfeldern den Titel ,ältestes Dorf' nicht streitig machen.“

Der Schwanfelder Bürgermeister Richard Köth hätte ihn auch nicht so ohne weiteres hergegeben, wie er mit einen Augenzwinkern aus dem Urlaub mailt: „Selbstverständlich geben wir ,das älteste Dorf Deutschlands' aufgrund der momentanen Situation nicht auf – und außerdem, ,eines der ältesten Dörfer Mitteleuropas' bleibt ebenfalls noch aktuell.“

Für die Wissenschaft sind ohnehin andere Kriterien wichtiger. „Der Wipfelder Fund ist einzigartig, weil die Anlage im Gegensatz zu anderen Fundstätten komplett erhalten ist“, sagt Jörg Faßbinder. Und das soll auch so bleiben – in Wipfeld wird nicht gegraben werden. „Man würde mit Sicherheit ein paar Steinbeile finden, aber davon sind die Museen jetzt schon voll.“

 
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