Die Corona-Pandemie wird Spuren im Rentensystem hinterlassen, soviel ist sicher. Wie heftig die Auswirkungen sein werden, ist noch nicht abzusehen. "Das hängt auch davon ab, wie hoch die Einnahmeausfälle für die Rentenversicherung am Ende sein werden", sagt Alexander Gunkel, Alternierender Vorsitzender des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) am Mittwoch in Berlin. Als Folge des Konjunktureinbruchs wegen der Corona-Krise müssen Rentner im Westen Deutschlands im kommenden Jahr mit einer Nullrunde rechnen. Im Osten sollen demnach die Renten geringfügig um 0,72 Prozent ansteigen.
Wenn die Kurzarbeit zurückgeht, wird es voraussichtlich 2022 wieder eine Rentenerhöhung geben. Die Corona-Pandemie verursacht in Deutschland einen Beschäftigungsrückgang. Kurzarbeit und andere Maßnahmen federten diesen zwar ab. Dennoch komme es zu einem Rückgang der Lohnsumme. "Da die Lohnsumme die Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt, hat das zwangsläufig Folgen für die Rente", so Gunkel. "Die Leistungsfähigkeit unserer umlagefinanzierten Rentenversicherung ist – neben der Demografie und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung – vor allem ein Spiegelbild des Arbeitsmarktes."
Warum wird die Rente nicht sinken?
Die gute Nachricht: Aufgrund der Schutzklausel, der sogenannten Rentengarantie, wird der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli 2021 jedoch nicht sinken. 2009 wurde die bereits geltende Schutzklausel um eine sogenannte Rentengarantie erweitert. Und die in 2019 eingeführten Haltelinien sorgen dafür, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken darf. "Die Renten können zwar stagnieren, aber nicht sinken", sagt Thomas Zwick, Professor für Betriebswirtschaftslehre, Personal und Organisation an der Universität Würzburg. Die Pandemie trifft also jetzige Beitragszahler durch ihre sinkenden Lohneinkünfte stärker als Menschen, die bereits in Rente sind.
Werden durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit entscheidende Beiträge fehlen?
Das System der gesetzlichen Rentenversicherung beruht in Deutschland auf dem Prinzip des Umlageverfahrens. Die Jüngeren zahlen Beiträge ein, von denen umgehend die Renten der aktuellen Rentner-Generation bezahlt werden. Rücklagen gibt es quasi nicht. "Wenn sich der Verdienst während der Kurzarbeit reduziert, sinken auch die Beitragszahlungen der Beschäftigten im gleichen Umfang", sagt der Würzburger BWL-Professor.
In den nächsten Jahren wird auch ohne Pandemie der Druck auf das Rentensystem steigen. "Wir wissen seit vielen Jahren, dass immer mehr Menschen mit Rentenansprüchen immer weniger Beitragszahlern gegenüber stehen", sagt Zwick. Diese demographische Belastung des Rentenversicherungssystems wurde durch die langanhaltend gute Konjunktur mit immer neuen Rekorden bei der Anzahl der Beitragszahler gedämpft. "Bei einer sprunghaften Erhöhung, insbesondere der Anzahl von Hartz-IV -Empfängern, würde sich die Situation schnell verschärfen."
Ist die Rentenversicherung gut für die Zukunft aufgestellt?
Die von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission schlägt vor, die Mindestrücklage von heute 0,2 auf 0,3 Monatsausgaben zu erhöhen, um Liquiditätsschwankungen nach unten besser auffangen zu können. Zum anderen sollen die unterjährigen Zahlungen des Bundes vorgezogen werden, um die saisonal bedingten Schwankungen der Beitragseinnahmen zu glätten. Anja Piel, Grünen-Politikerin und seit März 2020 im Vorstand der DRV, appelliert an die Politik: "Wir brauchen eine Änderung des geltenden Rechts, um die ganzjährige Liquidität der Rentenversicherung auch bei unerwarteten Einnahmeausfällen zu gewährleisten."
Müssen Selbständige bald auch in die Rentenversicherung einzahlen?
"Gerade die letzten Monate haben deutlich gemacht, wie wichtig auch für Selbständige die soziale Absicherung ist", so Piel. Doch ein Gesetzesvorschlag lasse auf sich warten. Einer der nach wie vor offenen Punkte sei die Frage, ob von Anfang an alle Selbständigen in die obligatorische Absicherung einbezogen werden sollten, oder nur die jüngeren Selbständigen oder sogar nur diejenigen, die in Zukunft neu eine selbständige Tätigkeit aufnehmen.
Aus Sicht der DRV solle – nicht zuletzt mit Blick auf die Erfahrungen aus der Corona-Krise – jetzt nicht mehr über das "Ob" einer obligatorischen Alterssicherung der Selbständigen gestritten werden, sondern rasch das "Wie", also die konkrete Ausgestaltung, geklärt werden, damit dieses wichtige Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne.
Die derzeitige ökonomische Entwicklung berge zahlreiche Risiken auch für die Finanzentwicklung der Rentenversicherung. "Der immer noch sehr dynamische Verlauf der Corona-Pandemie macht das Setzen verlässlicher Annahmen schwieriger als bisher", sagt DRV-Vorsitzender Gunkel. Dennoch erweise sich die Finanzlage der Rentenversicherung aber bislang als sehr stabil. Auch BWL-Professor Zwick, der sich bereits in vielen Studien mit dem Thema Rente beschäftigt hat, ist zuversichtlich: "Die Pandemie wird kurzfristig Spuren im Rentensystem hinterlassen aber keine Verwüstungen."