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Würzburg
Rente nach Corona: "Eine oder zwei Nullrunden durchaus denkbar"
Die Corona-Krise wird Spuren im Rentensystem hinterlassen, sagt Finanzwissenschaflter Hans Fehr. Wie heftig fallen die Effekte für die gesetzliche Rente aus?
Rentner müssen keine Kürzungen wegen der Coronakrise befürchten. Aber hohe Rentensteigerungen sind in absehbarer Zukunft eher unwahrscheinlich.
Foto: Getty Images | Rentner müssen keine Kürzungen wegen der Coronakrise befürchten. Aber hohe Rentensteigerungen sind in absehbarer Zukunft eher unwahrscheinlich.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 11.02.2024 20:13 Uhr

In diesem Jahr ist in Sachen Rente alles in trockenen Tüchern. Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre sind die Renten zum 1. Juli sogar noch einmal kräftig gestiegen, im Westen um 3,45 und im Osten im 4,20 Prozent. Doch wird es auch in Zukunft solche Steigerungen geben? Wie wirkt sich die Corona-Krise auf das Rentensystem aus? Mit der Frage, wie es mit der gesetzlichen Rente weitergeht beschäftigt sich auch Professor Hans Fehr vom Lehrstuhl für Finanzwissenschaften an der Universität Würzburg.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf unser Rentensystem aus?

Hans Fehr: Die Bundesagentur für Arbeit kommt zu der Einschätzung, dass die Corona-Pandemie in Deutschland zur schwersten Rezession in der Nachkriegsgeschichte führen wird. Die Pandemie verursacht einen Beschäftigungsrückgang. Kurzarbeit und andere Maßnahmen federn ihn ab. Dennoch kommt es zu einem Rückgang der Lohnsumme. Sie stellt die Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Das wird im nächsten Jahr Folgen für die Rente haben.

Welche Folgen werden das sein?

Fehr: Die zukünftigen Anpassungen der Renten an die nun krisenbedingt stagnierenden oder gar negativen Lohnentwicklungen würden die Renten eigentlich mit der gleichen Verzögerung stagnieren oder gar fallen lassen. Allerdings gibt es eine 2005 eingeführte Regelung im deutschen Rentenrecht, die ein Absinken des Rentenwertes verhindert: die Rentengarantie. Das bedeutet, dass die Renten zwar stagnieren können und nicht mehr steigen, aber Rentner keine Verluste, wie die Beitragszahler durch gesunkene Lohneinkünfte in den Jahren zuvor, verschmerzen müssen. Die Renten können also nicht sinken, eine oder zwei Nullrunden für die Rentner sind aber durchaus denkbar.

Professor Hans Fehr vom Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an Universität Würzburg.
Foto: Ulises Ruiz | Professor Hans Fehr vom Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an Universität Würzburg.
Gab es in früheren Jahren auch schon Nullrunden?

Fehr: Zum letzten Mal ist es 2010 passiert – im Jahr nach der Finanzkrise – dass eine Rentenerhöhung ausfiel. Seitdem sind die Renten jedes Jahr gestiegen, zum Teil kräftig. Gerade hat die Rentenversicherung bei ihrer Bundesvertreterversammlng bestätigt, dass die Renten 2021 nicht steigen werden.  

Rente nach Corona: 'Eine oder zwei Nullrunden durchaus denkbar'
Sind Erwerbstätige von der Krise stärker betroffen als Rentner?

Fehr: Nach der Krise ist zu erwarten, dass die Löhne wieder ansteigen. Davon werden auch die Rentner – wieder zeitversetzt um ein bis zwei Jahre – profitieren. Neu ist, dass die Bundesregierung mit dem Rentenpakt 2018 und der Einführung der "doppelten Haltelinie" den Nachholfaktor bis 2025 ausgesetzt hat. Damit werden die Rentner also voll am "Aufschwung" beteiligt, obwohl sie beim "Abschwung" keine negativen Einbußen hatten. Die Krise trifft also Erwerbstätige und künftige Rentner stärker als Menschen, die bereits in Rente sind.

In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer, die geburtenstarken Jahrgänge, in Rente. Es kommen so noch viele neue Rentenempfänger hinzu. Was kann die Politik da tun? 

Fehr: Der Druck auf das Rentensystem steigt in den nächsten Jahren, das hat gar nichts mit Corona zu tun. Wenn also die Beschäftigung aufgrund der demografischen Entwicklungen zurückgeht, könnte die Politik künftig das Rentenniveau von derzeit garantiert mindestens 48 Prozent absenken, den Beitragssatz der Beitragszahler von derzeit 18,6 Prozent erhöhen und so die Beitragseinnahmen konstant halten. Sie könnte das Rentenalter, das bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre steigt, weiter anheben und so die Anzahl der Beitragszahler erhöhen und gleichzeitig die Anzahl der Rentenempfänger senken oder den Bundeszuschuss erhöhen.

Was bedeutet es eigentlich, wenn das Rentenniveau sinkt?

Fehr: Das heißt, dass die Rentner nicht mehr zu 100 Prozent an der Lohnentwicklung teilhaben. Das bedeutet aber nicht, dass die Renten sinken. In den vergangenen Jahren hatten wir Rentenanpassungen, die deutlich über der Inflationsrate lagen.

Rente nach Corona: 'Eine oder zwei Nullrunden durchaus denkbar'
Wie könnte das Problem der demografischen Entwicklung aus Ihrer Sicht gelöst werden?

Fehr: Wir müssen zum Beispiel die künftige Lebensarbeitszeit an die Entwicklung der Lebenserwartung koppeln. Wir sind hier noch sehr unflexibel. Natürlich kann ein Dachdecker nicht noch mit 70 Jahren auf dem Dach stehen. Aber es gibt durchaus viele Leute, die in der Zukunft mit 70 Jahren noch produktiv arbeiten können – und die müssen wir auch lassen. Die Lebenserwartung steigt, aber nicht für alle gleich. Deshalb sollten wir zum Beispiel nach Berufen differenzieren, ob jemand früher oder später mit bestimmten Abschlägen in Rente gehen kann.

Das heißt, einige gehen früher, andere gehen später in Rente? Wäre so ein Modell gerecht?

Fehr: Ganz genau, denn wir haben nicht mehr die gleiche Lebenserwartung innerhalb einer Kohorte, also innerhalb einer Altersgruppe. Insgesamt steigt die Lebenserwartung, aber für relativ schlecht ausgebildete Menschen steigt sie weniger oder bleibt sogar konstant. Man nennt dies differenzielle Lebenserwartung. Auf mittlere Sicht werden wir diese Entwicklung bei der Rente berücksichtigen müssen.

Warum werden Selbständige immer noch nicht in das Rentensystem einbezogen?

Fehr: Das wird das grundsätzliche Problem nicht lösen. Wenn man Selbständige aufnimmt, bekommt man kurzfristig Beiträge. Aber die großen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung werden so nicht gelöst. 

Ab 1. Januar 2021 kommt die Grundrente. Ist sie Ihrer Ansicht nach ein gutes Instrument, um Altersarmut zu verhindern?

Fehr: Wir reden viel über Altersarmut, aber die derzeitigen Rentner brauchen nicht über Altersarmut zu klagen. Der Anteil der Rentner, die Hartz IV beziehen, ist signifikant niedriger als in der Gesamtbevölkerung. Aber: Es wird in Zukunft mehr Altersarmut geben, weil vor allem in Ostdeutschland lange Zeiten der Arbeitslosigkeit sich bei der Rente auswirken werden. Bei der Grundrente zählt nur, ob man eine bestimmte Anzahl von Jahren eingezahlt hat. Es wäre besser, hier mehr zu differenzieren. Beides - wie hoch die Beiträge waren und wie lange man eingezahlt hat - müsste in die Rente einbezogen werden.

Denken Sie, dass die Grundrente arme Menschen erreicht?

Fehr: So, wie die Grundrente jetzt konzipiert ist, kann es sein, dass sie diejenigen, die Altersarmut trifft, nicht erreicht. Altersarmut trifft immer noch oft Frauen. Die gesetzliche Rente kann das Problem nicht lösen, wenn Frauen zu wenig am Arbeitsmarkt waren. Das ist eine Konsequenz des gesellschaftlichen Leitbildes: Frauen bleiben zu Hause. Das rächst sich, wenn diese Frauen demnächst in die Rente kommen. Dieses Leitbild hat die Politik jahrelang gefördert.

Wie beurteilen Sie unser Rentensystem?

Fehr: Wir haben ein umlagefinanziertes Rentensystem, das gut funktioniert – auch mit Corona. Die gesetzliche Rente schützt. Aber man muss sich klar sein, die gesetzliche Rente kann nicht Leute schützen, die nicht gearbeitet haben. Und sie kann nicht ein Leben auf dem Niveau garantieren, wie es im Arbeitsleben war. Das muss jedem klar sein. Daher muss man selbst zusätzlich fürs Alter vorsorgen. Die Riesterrente ist zum Beispiel eine gute Sache in die richtige Richtung.

Prof. Hans Fehr

Seit November 2000 ist der Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der Universität Würzburg mit Professor Dr. Hans Fehr besetzt. Der gebürtige Tirschenreuther, Jahrgang 1962, studierte in Regensburg Volkswirtschaftslehre. Nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt an der Boston University (USA) wechselte er als wissenschaftlicher Assistent an die Universität Tübingen. Dort habilitierte er sich 1998 für das Fach Volkswirtschaftslehre. In seinen jüngeren Arbeiten beschäftigt sich Fehr mit den Konsequenzen von Einkommensteuer- und Rentenreformen. 
clk
 
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  • Hoegenbachtal
    Nach der Corona-Krise, die für die Regierung und manchen "Möchtegern-Kanzler" als Testlauf und "Laufsteg" sicher sehr willkommen war, wird es wieder so sein wie nach jeder Krise: Die Armen sind ärmer, die Reichen sind reicher. Wir Rentner sind in diesem Land sowieso die großen "Loser", wie Verlierer heutzutage auf Neudeutsch heißen. Ich kenne Rentner, die wegen ihrer mickrigen Rente nach Ungarn ausgewandert sind und dort damit offenbar besser leben können. Ich habe das auch vor. Die Mainstream-Medien scheuen - und schämen - sich nicht, immer wieder zu behaupten, dass "die Deutschen" immer reicher würden. Das Problematische hier in diesem Land ist wirklich, dass sich die Leute alles gefallen lassen und die Regierenden machen können, was sie wollen. In anderen Ländern wie z. B. Frankreich ist das nicht so einfach. In ein paar Jahren wird das Renteneintrittsalter siebzig sein - und keiner wird protestieren. Ist das noch normal?
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  • Michael Fischer
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  • waldemarthurn@freenet.de
    Die Risterente war nur gut für die Versicherungen nicht für die Kunden nach abzug der Verwaltungskosten.
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  • Lebenhan1965
    Themaverfehlung @ walters

    In dem Artikel geht es um die Auswirkungen der Corornakrise bei der gesetzlichen Rente, nicht um Zusatzversorgungen.
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