
Alle zwei Wochen freitags fährt Ryan Reed aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) mit dem Zug zu seiner Freundin nach München. Regelmäßig sei der Regionalzug über Treuchtlingen (RE 80) überfüllt, sagt der 17-Jährige. Am Freitag, 28. Juni, sei es besonders schlimm gewesen. Unter den Fahrgästen habe sich massiver Unmut breit gemacht, sodass der Lokführer die zwei Waggons, die eigentlich bis München durchfahren sollten, in Treuchtlingen räumen ließ. Die Passagiere mussten für die Weiterfahrt in einen anderen Zug umsteigen.
Sind die Probleme, die Reed schildert und die andere Fahrgäste der Redaktion bestätigen, ein Einzelfall, wie Bahnbetreiber Go-Ahead Bayern beteuert - oder doch eher die Regel?
Winfried Karg, der Sprecher des Unternehmens, schreibt auf Anfrage, die Lage sei "stabil", die Entwicklung positiv, aber man sei noch nicht da, "wo wir hinwollen". Eine Einschätzung, die man bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), dem Staatsunternehmen, das den Regionalverkehr im Freistaat organisiert, bestätigt.
676 Zugausfälle in fünf Monaten auf der Strecke Würzburg-Treuchtlingen
Demnach sind auf der Strecke Würzburg-Treuchtlingen zwischen Januar und Mai dieses Jahres 676 Züge ganz oder teilweise ausgefallen, mit einem Volumen von über 35.000 Zugkilometern. Im gleichen Zeitraum 2023 kam es zu 816 (Teil-)Ausfällen; über 80.000 Zugkilometer fielen flach. Die Ausfallquote im gesamten "Augsburger Netz Los 1", zu dem die Verbindung RE 80 zählt, habe sich von 8,1 Prozent auf 5,5 Prozent reduziert.

Laut BEG ist Betreiber Go-Ahead nur für zehn Prozent der Zugausfälle verantwortlich: Mal gibt es Probleme mit den Zügen, mal fehlt es kurzfristig an Personal. 85 Prozent aller Zugausfälle im Augsburger Netz seien auf "infrastrukturelle Themen" zurückzuführen, allein zwei Drittel auf Baustellen am Schienennetz. Hinzu kämen Ausfälle durch fehlendes Stellwerk-Personal. Verantwortlich für die Infrastruktur ist die bundeseigene DB InfraGO (früher DB Netz).
Kritik der BEG: Baustellen müssen fristgerecht angekündigt werden
In ihrer Antwort auf Fragen dieser Redaktion übt die landeseigene BEG deutliche Kritik an der Netzgesellschaft. Man habe DB InfraGO "wiederholt mit Nachdruck" aufgefordert, einen zuverlässigen Bahnbetrieb in Bayern sicherzustellen.
Dazu gehöre unter anderem eine "umfassende präventive Vorsorge und Instandhaltung" von Trassen und Signaltechnik. Die notwendigen Baustellen müssten wenigstens fristgerecht - statt oftmals sehr kurzfristig - angekündigt werden, sodass die Verkehrsunternehmen wie Go-Ahead (oder die Deutsche Bahn in ihrer App) ihre Fahrgäste zeitnah über Zugausfälle oder Verspätungen informieren können.
Rad-Mitnahme kann verweigert werden
Auf diese Defizite verweist man auch bei Go-Ahead. Der Betreiber bekommt meistens den Unmut der Fahrgäste ab - ohne selbst etwas tun zu können. Aktuell, so Sprecher Karg, sei die Bahnstrecke Würzburg-Kitzingen-Nürnberg wegen Hochwasserschäden teilweise nur eingleisig befahrbar. In der Folge fallen viele Züge aus, sodass ein Teil der Fahrgäste, die mit der Regionalbahn nach München möchten, auf die Strecke über Treuchtlingen ausweicht. Die Folge seien dann die manchmal übervollen Züge.

Ein Grund für den Run auf die Verbindung Würzburg-Treuchtlingen-München ist laut Go-Ahead nicht zuletzt die Einführung des Deutschlandtickets. Dieses sei nicht nur für Fahrten im Nahverkehr beliebt. Für viele Menschen ist das 49-Euro-Ticket eine günstige Alternative zum ICE. Entsprechend voll sind die Regionalzüge. Fahrräder können öfter gar nicht mitgenommen werden.
Die Kapazitäten mit Blick auf die anstehenden Sommerferien zu erweitern und beispielsweise an Züge mit zwei Waggons bei Bedarf einfach einen dritten anzuhängen, funktioniere nicht so einfach, weil vorhandenes Zugmaterial in der Regel anderweitig verplant sei, sagt Winfried Karg. Die BEG macht gleichwohl Druck: Man habe Go-Ahead bereits aufgefordert, ein Konzept für "Verstärkungen" zu erarbeiten, so Sprecher Wolfgang Oeser.
Apropos Zugmaterial: Nach wie vor fährt Go-Ahead zwischen Würzburg und Treuchtlingen nicht immer mit den modernen Siemens-Zügen, die eigentlich zugesagt sind. Fünf Zuggarnituren und das zugehörige Personal werden benötigt, um den "normalen Fahrplan" zu erfüllen. Drei davon sind blau-weiße Go-Ahead-Züge, zwei Garnituren werden weiterhin von einem Subunternehmen, der Potsdamer Wedler Franz Logistik (WFL), gestellt. Diese Züge sind teilweise über 30 Jahre alt, die Doppelstockwaggons verfügen weder über Klimaanlage noch WLAN, sie sind auch nur teilweise barrierefrei.
Während Go-Ahead keine Zeitangaben macht, geht man bei der BEG davon aus, dass das "Ersatzkonzept" mit WFL-Zügen noch bis zum nächsten Fahrplanwechsel im Dezember zum Tragen kommt. Der Nachteil ist, dass die WFL-Züge nicht umsteigefrei von Würzburg bis München durchfahren können. Damit kann Go-Ahead weiterhin nicht den zugesagten Zwei-Stunden-Takt für umsteigefreie Verbindungen von Würzburg nach München umsetzen.
ICE von München nach Würzburg auch keine zuverlässige Alternative
Für Unternehmenssprecher Karg muss das nicht unbedingt von Nachteil sein. Eine umsteigefreie Verbindung habe nämlich die Schwäche, so schreibt er, dass sich jede Störung auf der langen Strecke auf den Rest der Zugfahrt übertrage. Komme es im Großraum München zu Verspätungen wegen einer Baustelle, litten dann eben auch Fahrgäste, die von Treuchtlingen in Richtung Würzburg wollen. Dagegen funktionierten die Umsteigeverbindungen zwischen München und Würzburg sowie in der Gegenrichtung für die meisten Fahrgäste sehr gut.
Ryan Reed hat da anderes erlebt. Egal, ob die Züge durchgebunden seien oder nicht, Verspätungen seien eher die Regel als die Ausnahme, so seine Erfahrung vom Wochenend-Pendeln. Das Abenteuer Regionalzug wird dem 17-Jährigen erhalten bleiben, zumal ihm seine Freundin berichtet hat, dass der ICE von München nach Würzburg auch keine zuverlässige Alternative sei: "Auch diese Züge fallen häufig aus oder haben massiv Verspätungen." Die Freundin habe mittlerweile aufgegeben: "Sie ist volljährig - und fährt jetzt immer mit dem Auto nach Ochsenfurt."
Nachweislich ist das Bundesland Bayern aber einer der Länder, die den ÖPNV nur unzureichend ausbauen. Die Wurzel des Übels liegt in der bayr. Staatsregierung.
Es klappt nie, oder zumindest selten mit der Pünktlichkeit, zum Teil sind die 2. Klasse Wagons total voll, in der 1. Klasse dafür leer. Warum lässt man Pendler nicht mal in Klasse 1 für einen geringeren Mehrbetrag sitzen, soviel besser sind die Sitze in Klasse 1 auch nicht. Mal gespannt wann das 49 Euo Ticket wieder teurer oder gar abgeschafft wird. So bringt der Bund die Leute nicht von den Straßen auf die Schienen.
Das ÖPNV-Vermiesungsprogramm funktioniert also - zumindest fallweise. Da könnten doch glatt bei der Auto- und (Straßen-/ Parkhaus-)Bau-Lobby die Sektkorken knallen: Skal - auf das Reißen des nächsten CO2-Einsparungszieles!!