So alt wie die Eisenbahn ist die Klage, sie vermiese einem das Reisen. Aber vielleicht muss man sich einfach mal auf die Bahn einlassen und abseits des geschäftigen ICE-Treibens von ruckeligen Regionalzügen durch die Gegend gondeln lassen. Ohne Zeitdruck, ohne Termine, ohne festes Ziel. Das geht am besten in den Ferien, mit der ganzen Familie. Dazu das Nötigste in einen Rucksack packen, 49-Euro-Ticket buchen – schon kann es losgehen.
Einen großen Plan braucht es nicht: Eine grobe Route und 70 Euro Taschengeld am Tag reichen. Die Hotels bezahlt man besser mit der Kreditkarte. Das Schöne: Auch grenznahe Städte – ob Luxemburg, Straßburg, Basel oder Salzburg – lassen sich noch mit dem Deutschlandticket erreichen.
Wie bei dieser Tour in sechs Etappen, die im Landkreis Kitzingen beginnt.
Tag 1: Von Iphofen bis Würzburg, von Würzburg bis Trier
Die Reise mit der Bahn beginnt mit dem Bus. Weil der Bahnhof in Iphofen gerade umgebaut wird, geht es mit dem "Schienenersatzverkehr" nach Würzburg – und von dort in den Regionalzug Richtung Mannheim. Schon der erste Anschlusszug ist weg. Also nehmen wir den Umweg über Kaiserslautern. Eine Fußballmannschaft feiert ihren Triumph und gönnt dem errungenen Pokal einen eigenen Sitzplatz. Es ist voll und eng. Kurz vor 18 Uhr sind wir in Trier, dem Ziel unserer ersten Etappe. Einer der Fußballer krakeelt: "Wir fahren bis zur Endstation!"
Wir steigen hier aus und bummeln durch die Bischofsstadt. Mit ihrem riesigen Dom, der berühmten Porta Nigra und ihrem ganz eigenen Charme wird sie uns noch den Abend über in ihren Bann ziehen. In der Dämmerung erreichen wir unsere ziemlich junge Jugendherberge mit der mäandernden Mosel direkt dahinter.
Tag 2: Von Trier nach Luxemburg, von Luxemburg bis Rastatt
Am nächsten Morgen geht es in einem fast leeren Zug nach Luxemburg – in eine Stadt, die nicht über einen herfällt und es nicht nötig hat zu prunken, außer vielleicht mit einem für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Luxus: Alle Busse, alle Bahnen sind in Luxemburg kostenlos und ultramodern. Der komplette Nahverkehr, ein Geschenk des Staates an seine Bürger und Besucher.
In der Mittagshitze geht es zurück nach Trier und – in einem "Ersatzzug", gezogen von einer alten Diesellokomotive – Richtung Mannheim. Im Abteil ist es stickig und warm. Ein Kleinkind, brüllt gegen die Stille an und ist durch nichts zu beruhigen. Manche verlassen das Abteil, wir bleiben und erreichen Karlsruhe 20 Minuten zu spät. Das Kind kräht noch immer, unser Anschlusszug ist weg.
Mit dem nächsten sind wir um 18.51 Uhr in Rastatt. Eine Stadt von trostloser Unwirtlichkeit. Die Innenstadt wie ausgestorben, die Jalousien am Schloss heruntergelassen, der Park verwildert. Wenigstens das Hotel am Rande des Parks bietet ein bisschen Komfort.
Tag 3: Von Rastatt nach Baden-Baden, von Baden-Baden nach Straßburg
Wenn es noch einer Bestätigung bedurfte, dass hier, in der badischen Provinz, die Zeit stehen geblieben ist, dann sind es die Uhren am Bahnhof. Sie zeigen 8.23 Uhr, als wir Rastatt um 9.57 Uhr verlassen. Eine nostalgische Straßenbahn bringt uns in sieben Minuten nach Baden-Baden. Es reicht für einen Bummel durch die Altstadt und für einen Kaffee.
Am Mittag geht es weiter nach Appenweier, wieder so ein Irgendwo im Nirgendwo. Wir hängen uns an eine Schlange Franzosen. In der Ferne kreist ein Ufo, das sich bei näherer Betrachtung doch als Hubschrauber erweist. Am Bahnsteig wartet bereits ein buntes Völkchen: eine Frau in Tigerrobe, ein Mann mit blauen Haaren, ein Jüngling mit EU-Anstecker am Zwirn. Über Legelshurst, Kork und Krimmeri-Meinau erreichen wir um 14.14 Uhr Straßburg. Der Bahnhof sieht von außen so futuristisch aus, als wäre das Ufo von vorhin dort gelandet.
Vom Bahnhof ist man ruckzuck im Zentrum. Die Stadt summt und brodelt wie ein riesiger Jahrmarkt. Überwältigt steht man vor dem surreal großen Münster mit seinem 142 Meter hohen Turm und vor der astronomischen Uhr im Inneren. Im alten Gerberviertel gurgelt das Wasser in zahlreichen Kanälen. Unser Hotel, nun ja, ist ein in die Jahre gekommener Bau mit Blick auf das bis in die Nacht pulsierende Treiben am Bahnhof.
Tag 4: Von Straßburg nach Basel, von Basel nach Friedrichshafen
Manchmal fühlt man sich auf dieser Deutschlandreise wie ein Schiffbrüchiger – und fragt sich beim Aufwachen am Morgen, wo einen die wilde Tour gerade wieder hingetragen hat. Okay, Frankreich also. Wir nehmen die Route über Offenburg in die Schweiz. Zeit und Raum lösen sich auf, Landschaften und Milieus ziehen vorbei und verschwimmen wie unscharfe Bilder. Hat man sich erst einmal dem Takt der Bahn angepasst, ist es völlig egal, wann und wo man ankommt. Wir sind jetzt mitten in diesem Flow. Der Weg ist bisweilen spannender als das Ziel.
Wir bewegen uns im Drei-Länder-Eck – und erreichen um die Mittagszeit Basel. Diese Stadt ist ein zu Stein gewordenes Statement, hier riecht es nach schwerem, gesichertem Reichtum. Die Pizza Margarita gibt's nicht unter 20 Euro, in den Auslagen der Geschäfte blinken die Handtaschen aus Matelassé-Leder für 2000 Euro und aus den Marmorfassaden trieft es golden.
Erschlagen von all dem unerschwinglichen Luxus entschließen wir uns zur Weiterfahrt Richtung Bodensee: vorbei an Riegel-Malterdingen, Bellingen, Efringen-Kirchen, vorbei an bunten Häusern mit Aufschriften wie "Jesus ist unser Friede", hellgrünen Wiesen voller Störche und Freiburg im Schwarzwald, wo im Bahnhof die Geranien blühen. Man sieht Sandgruben, Hochsitze, Kühltürme – und in der Ferne immer einen Kirchturm. Der Zug stoppt ungefähr alle drei Minuten, die Provinz wird greifbar.
Um 17.13 Uhr schleicht sich der Zug an Singen vorbei. Hier steht das alte Maggi-Werk, eine wie in Blei gegossene Welt des alten Industriezeitalters. Spätestens jetzt sollte man sich einen Platz in Fahrtrichtung rechts sichern. Kurz darauf rückt auf dieser Seite der Bodensee ins Bild. Wären nicht die Fenster im Weg, man könnte in den See springen, so nah ist man dem Wasser.
Um 18.16 Uhr erreichen wir unser Etappenziel Friedrichshafen. Der See ist wie von gleißendem Silber gefüllt, Myriaden kleiner Glitzersteine funkeln auf der Oberfläche. Ein kleines Hotel etwas außerhalb des Trubels am Gestade erwartet uns; wir erreichen es mit dem Bus.
Tag 5: Von Friedrichshafen nach Salzburg, von Salzburg nach Landshut
Früh am Morgen geht es weiter auf der Schwäb'schen Eisenbahn: Bad Schussenried, Biberach, umsteigen in Ulm. Bilder entblättern sich wie in einem Daumenkino. Manchmal bleibt Zeit, sie zu erfassen und zu deuten: Bauernhöfe, Bienenstöcke, Biogasanlagen. Man lernt Orte kennen – so flüchtig, wie das mit der Bahn eben geht. Dörfer namens Dinkelscherben.
Nicht alle dieser kleinen Orte entlang dieser Kette sind Perlen. Einige erzählen von der Vergangenheit, andere von der Zukunft. Setzt man all die Bilder zu einem Film zusammen, würde der Titel wohl lauten: Ein zerklüftetes Land. In Sekundenschnelle wechseln landschaftliche und soziale Kontraste.
Kurz vor Augsburg spielt der Lokführer wilde Maus, zieht seinen Zug ruckartig nach rechts, Handys purzeln, Kinder kreischen. Der Himmel hier in Bayern ist nicht mehr ganz so blau, dafür sind die Wiesen grün und saftig. Kühe grasen, und in der Ferne zeichnet sich der Scherenschnitt des Voralpenlandes ab. Bayerische Beschaulichkeit.
Über einen kurzen Zwischenstopp in Salzburg, dem vierten Grenzübertritt unserer Reise, und München geht es nach Landshut, Ankunft 19.12 Uhr.
Es regnet, als wir den Zug verlassen. Die Bahn bringt einen nicht nur von A nach B. Sie bietet ein Zuhause, während draußen die Orte verwischen. So sehr hat man sich an ihre Geborgenheit gewöhnt, dass man sich jetzt nach ihrer Obhut sehnt. Zu Fuß erklimmen wir den Berg für unser Nachtlager, die Jugendherberge auf dem Burgberg.
6. Tag: Von Landshut nach Neustadt/Aisch, von Neustadt/Aisch nach Iphofen
Früher Morgen, kaltes, dunkelblaues Licht über dem Bayernland. Um 8.37 Uhr startet der Zug nach Nürnberg, noch einmal vorbei an Lagerhäusern, Fabrikhallen und ganz vielen Kränen. Auch das lernt man auf dieser Reise: Deutschland ist gerade im Aufbruch und eine einzige Baustelle.
Auch bei der Bahn. Es gibt mal wieder zwei Waggons weniger. "Rücken Sie bitte so nah wie möglich zusammen", lautet die Durchsage. Töne, wie man sie seit Corona nicht mehr gehört hat. Ankunft in Nürnberg um 10.28 Uhr, und dann dauert es noch mal eine Stunde bis Neustadt/Aisch. Der Chauffeur des Ersatzbusses fährt wie ein Henker, und so erreichen wir Iphofen Punkt 11.59 Uhr.
Die Reise ist zu Ende. Sechs Tage unterwegs in Regionalzügen, das sind sechs Tage Abenteuer, weil man nie so genau weiß, wo man am Ende landet. Aber auch sechs Tage, in denen man Geduld und Gelassenheit lernt. Besser, man bucht seine Hotels oder Pensionen erst vor Ort. Reisen mit der Bahn sieht man nach solchen sechs Tagen mit anderen Augen.
Da kommt ein Regionalexpress von Nürnberg deshalb verspätet in Kitzingen an, weil er auf einen verspäteten ICE in Nürnberg warten musste. Den Anschluss-ICE kann ich dann in Würzburg von hinten "bewundern", weil er noch nicht mal 30 s auf den Regionalexpress wartet. Auf der Alternativstrecke über Bamberg auch reines Glücksspiel. Oft, wirklich oft passiert.
Ich habe dermaßen die Nase voll, dass ich privat nur Auto oder E-Bike fahre.
Jetzt fehlt noch in den Verkehrsverbünden ein Tagesticket, z.B. 3€ für den gesamten Verbundraum. Dann könnte man sich die Monster-Tarifsysteme mit Waben & Verwaltungsaufwand sparen. Der Verkehrsverbund Mainfranken wäre überflüssig. Damit könnte deutschlandweit viel Personal eingespart werden - das man woanders viel dringender braucht: Lokführer & Busfahrer
Der Erfolg des 49€T. liegt in der Einfachheit. Ein Beispiel für alle Deutsche! Die Umstandskrämer des 21. Jh. -auch in der Wirtschaft - und Politik erhöhen den Aufwand, zerstören unseren Wohlstand und treiben dt. Firmen ins Ausland. Perfektionismus ist des Guten Feind