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Würzburg
Ratskeller-Wirt Kurt Schubert: Ein polnischer Ritter mit Sitz im Würzburger Stadtrat
Wie kommt ein Würzburger Stadtrat und Wirt zu einem polnischen Ritterorden? Die Geschichte zur Verleihung des St.-Stanislaus-Ordens beginnt schon im Jahr 1981.
Ratskeller-Wirt Kurt Schubert mit Orden und Verleihungsurkunde des polnischen St.-Stanilaus-Ritterordens. 2006 hat er ihn für seinen Einsatz in der Polenhilfe in den Jahren 1981 bis 1988 bekommen.
Foto: Heiko Becker | Ratskeller-Wirt Kurt Schubert mit Orden und Verleihungsurkunde des polnischen St.-Stanilaus-Ritterordens. 2006 hat er ihn für seinen Einsatz in der Polenhilfe in den Jahren 1981 bis 1988 bekommen.
Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 26.07.2023 03:57 Uhr

Die frühen 1980er Jahre liegen für viele schon in grauer Vorzeit, andere erinnern sich noch gut. Kurz vor dem Jahreswechsel 1979/80 marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein und 1980 wurde Ronald Reagan der 40. US-Präsident. In Polen entstand aus einer Streikbewegung von Arbeitern im Sommer 1980 die Gewerkschaft Solidarność, in deren Folge im Dezember 1981 in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Es dauerte bis zum 22. Juli 1983 an. Das war vor 40 Jahren.

"Die Straßen waren nach einem Eisregen spiegelglatt, da konnte niemand raus und prostestieren"

Einer der sich noch gut an die Ausrufung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 erinnert, ist der Wirt des Würzburger Ratskellers Kurt Schubert, damals 31 Jahre alt und Wirt im Restaurant Lehmgrube in Heidingsfeld. Denn er war selbst mittendrin, in Polen, als Mitglied einer Würzburger Gruppe der Polenhilfe. "Die polnische Regierung hat das mit dem Kriegsrecht geschickt gemacht, als hätten sie es nach dem Wetterbericht geplant ", erinnert er sich. "Die Straßen waren nach einem Eisregen spiegelglatt, da konnte niemand raus und dagegen protestieren." 

"Oft haben wir uns auch blöd gestellt und gesagt, wir hätten uns verfahren."
Kurt Schubert - In der Polenhilfe aktiv

"Wir wussten daraufhin nicht, wie und ob wir unter dem Kriegsrecht nach Hause kommen würden und haben uns bis an die Grenze zurück geschlichen. Das hat solange gedauert, dass man uns über das Auswärtige Amt gesucht hat", berichtet er. "Die Grenzer wussten schließlich aber auch nicht so recht, was sie mit uns machen sollten und haben uns letztlich durchgelassen."

Fünf bis sechs Tage dauerten die Hilfsfahrten nach Polen und zurück

Wie kam er dazu, Hilfsgüter nach Polen zu bringen? "Wir haben gesehen, was der Pfarrer Eberhard Ritter aus Greußenheim und der dortige Bürgermeister Bruno Scheiner mit ihrer Polenhilfe gemacht haben, und dass dort im Land Not am Mann war. Da haben wir uns gesagt, das können wir auch." Gesagt, getan. Schubert trommelte zusammen mit Johannes Rommerskirchen von der Jungen Union und Gerhard Karg von den Pfadfindern St. Georg eine Truppe zusammen und los ging's. Würzburger Apotheker sammelten unter anderem Medikamente, die Caritas International in Freiburg vermittelte, wo diese gebraucht würden, und die Würzburger machten sich mit den Hilfsgütern auf die fünf bis sechs Tage dauernde Reise nach Polen und zurück. Übernachtet wurde in Pfarreien oder dem Auto. Insgesamt 14 Mal waren sie so mit Lkws der Johanniter, der Edeka und Leihfahrzeugen unterwegs.

Warten im Lkw an der Grenze. Kurt Schubert auf einer Tour nach Polen im Februar 1982.
Foto: Gerhard Karg | Warten im Lkw an der Grenze. Kurt Schubert auf einer Tour nach Polen im Februar 1982.

Und die Fahrten verliefen nicht immer reibungslos. "Wir wurden mehrmals festgehalten", sagt er. "Zwar hatten wir immer alle Papiere dabei, die konnten die Polen aber meistens nicht übersetzen." Oftmals half eine "Kaffeespende". "Den hatte ich immer in 90-Gramm-Portionen aus der Gastronomie dabei und habe die ihnen Stück für Stück rübergeschoben, bis es genug war." Nicht immer lief es gleich so "glatt".  "Oft haben wir uns auch blöd gestellt und gesagt, wir hätten uns verfahren."

Bei einer Tour gab es Ärger mit den DDR-Grenzern in Görlitz

Bei einer Tour gab's Ärger mit den DDR-Grenzern. "Die haben uns in Görlitz den gesamten Lkw mit Medikamenten ausladen lassen, haben alles geröntgt, und dann durften wir den kompletten Lkw wieder einladen." Bei der nächsten Tour half auch hier Kaffee. "Da habe ich gemerkt, dass es mit dem Arbeiter- und Bauernstaat zu Ende geht", scherzt Schubert. Bis 1988 wurden die Fahrten aus Würzburg noch fortgesetzt. "Mit der Grenzöffnung haben wir dann aufgehört", erinnert er sich.

Im Jahr 2006 bekam Ratskeller-Wirt Kurt Schubert (Zweiter von links)  in Greußenheim den polnischen Stanislaus-Orden für seine Verdienste um die Polenhilfe in den Jahren 1980 bis 1988.
Foto: Walter L. Frühauf | Im Jahr 2006 bekam Ratskeller-Wirt Kurt Schubert (Zweiter von links)  in Greußenheim den polnischen Stanislaus-Orden für seine Verdienste um die Polenhilfe in den Jahren 1980 bis 1988.

Einige Zeit später kam die Einladung zur Verleihung in der Greußenheimer Kirche

Erst Anfang 2006 informierte Schubert den damals amtierenden Bürgermeister Greußenheims, Bruno Scheiner, der bereits 1996 zusammen mit Pfarrer Eberhard Ritter für ihre Verdienste um die Polenhife mit dem polnischen St.-Stanislaus-Ritterorden ausgezeichnet worden waren, dass auch er für den Orden vorgeschlagen worden sei. Einige Zeit später kam die Einladung zur Verleihung in der Greußenheimer Kirche durch Ordens-Großmeister Prof. Dr. Marek Kwiatkowski. Außer Schubert bekamen den Orden dort unter anderem auch die SPD-Politikerin Gesine Schwan und die damalige Leiterin des ARD-Studios in New York, Annette Dittert.

"Das hat mich nicht nur sehr gefreut", sagt Schubert heute. "Es war auch eine Motivation, mich weiterhin im Ehrenamt zu engagieren." Tragen darf er die Auszeichnung bei allen offiziellen Anlässen. "Das habe ich bislang nur einmal gemacht, dann nicht mehr", erzählt er. "Da haben mir die Leute zu viel gefragt."

 
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