Das hatten sich die Ochsenfurter Stadträtinnen und Stadträte wohl anders vorgestellt: Nach knapp zweistündiger Beratung präsentierte Bürgermeister Peter Juks (UWG) dem Gremium ein Schreiben, das die ganze Debatte überflüssig erscheinen lässt. Es geht um die Frage, ob bei der geplanten Generalsanierung des Rathauses ein Nebengebäude in den Komplex mit einbezogen werden soll. Eine Sitzung mit Paukenschlag – und ziemlich viel Kritik am Bürgermeister und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD).
Die Sanierung des historisch bedeutenden Rathauses aus der Spätgotik steht seit Jahren auf der Agenda. Wegen der zu erwartenden Kosten von damals noch acht Millionen Euro wurde die Maßnahme immer wieder aufgeschoben, bis vor zwei Jahren der Zeit- und Finanzierungsplan festgezurrt schien. Zu den geschätzten Kosten von 10,5 Millionen Euro hatte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege eine Förderung von 3,15 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Mindestens 60 Prozent des Restbetrags waren von der Städtebauförderung zu erwarten. Nachdem die Stadt in den Vorjahren bereits Rücklagen gebildet hatte, schien ein Baubeginn im Jahr 2025 realistisch.
Knappe Mehrheit stimmte für die Erweiterung des Rathauses
Dann jedoch reifte bei Teilen des Stadtrats die Idee, das angrenzende Haus in der Hauptstraße, in dem zuletzt ein Bekleidungsgeschäft ansässig war, in den Rathaus-Komplex mit einzubeziehen. Mit knapper Mehrheit entschied sich der Stadtrat im Sommer 2021 für die erweiterte Variante, vorbehaltlich der Finanzierbarkeit der Mehrkosten von geschätzt drei Millionen Euro. Die Befürworter argumentierten damit, dass sich die gesamte Stadtverwaltung samt Bauamt und Kommunalunternehmen so unter einem Dach und barrierefrei vereinen ließe.
Architekt Friedrich Staib erhielt den Zusatzauftrag, auch die Alternative zu überplanen. Der Bürgermeister sollte eruieren, welche zusätzlichen Förderungen zu erwarten wären. Vor rund einem Jahr präsentierte Staib seinen Entwurf. Er sieht vor, das Nachbarhaus vollständig zu entkernen und nur die stadtbildprägende neoklassizistische Fassade vom Ende des 19. Jahrhunderts zu erhalten. Im Inneren gelang es dem Planer, das Gebäude vollständig ins Rathaus integrieren, ohne dabei schützenswerte Details, wie die spätmittelalterlichen Holzdecken in Mitleidenschaft zu ziehen. Frühestens 2028 könnte die Sanierung beginnen.
2,3 Millionen Euro Mehrkosten ohne Kaufpreis
In der jüngsten Stadtratssitzung sollten die beiden Varianten samt Kostenprognose noch einmal eingehend erläutert werden, damit der Stadtrat noch vor der Sommerpause endgültig eine Entscheidung treffen kann. Die Bruttokosten der Ursprungsvariante beziffert Architekt Friedrich Staib inzwischen auf 10,5 Millionen. Würde man das Nebengebäude einbeziehen – das intern als "Haus IV" gehandelt wird – stiegen die Kosten auf 12,8 Millionen Euro, allerdings ohne den Kaufpreis.
Zu diesem Zeitpunkt schien die Situation noch klar. Stadtrat Joachim Beck (CSU) fasste zusammen: "Für mich sind beide Varianten planerisch überzeugend; jetzt müssen wir nur noch entscheiden: hopp oder top." Allerdings wusste Beck zu diesem Zeitpunkt noch nichts vom Überraschungscoup des Bürgermeisters. Jener verteilte ein E-Mail-Schreiben des BLfD vom März dieses Jahres, in dem Oberkonservator Hans-Christof Haas über das Ergebnis einer Ortseinsicht im Nachbargebäude berichtet.
Landesamt für Denkmalpflege will Nachbarhaus erhalten
Demnach sei Haus IV viel bedeutender als bisher angenommen. Die dreigeschossige neoklassizistische Fassade verdeckt ein Fachwerkhaus, das auf einem mittelalterlichen Gewölbekeller ruht und von einem Dachwerk aus dem 17. Jahrhundert bedeckt ist. Der Renaissance-Dachstuhl und das Kellergewölbe seien deshalb ebenfalls zu erhalten.
Der Schock saß in diesem Moment so tief, dass die Sitzung für einige Minuten unterbrochen werden musste. "Der Entwurf, wie wir ihn vorgeschlagen haben, ist so nicht möglich – Punkt, basta, Ende", folgerte Architekt Staib anschließend aus den Worten des Oberkonservators. Und auch für CSU-Fraktionssprecher Wolfgang Karl, von Anfang an ein Kritiker der Erweiterung, stand fest: "Damit ist Haus IV tot."
Kritik an Denkmalpflegern und am Bürgermeister
Als "Anmaßung sondergleichen" tadelte hingegen SPD-Sprecher Bert Eitschberger die Einlassungen des Oberkonservators. "Für mich ist das, was da auf dem Tisch liegt, null und nichtig." Dem schloss sich auch Grünen-Stadträtin Iris Eisenmann-Tappe an, während sich Fraktionskollegin Britta Huber gegen Haus IV aussprach.
"Ich finde, dass wir eine historische Chance vergeben", meinte Rosa Behon (CSU), kritisierte aber vor allem die Vorgehensweise des Bürgermeisters. "Warum haben Sie die Variante überhaupt noch einmal vorstellen lassen, wenn Sie schon wussten, dass sie nicht möglich ist", echauffierte sie sich. Stattdessen hätte Juks das Schreiben schon vor Wochen an die Stadträte verteilen und den Denkmalpfleger in die Sitzung einladen müssen, um seine Beurteilung zu erläutern, meinte Behon.
Der Angegriffene berief sich auf den Beschluss des Stadtrats, wonach beide Varianten gegenübergestellt werden sollten. Und ein "Totschlagargument" sei die Beurteilung des BLfD keineswegs, so Juks. Der Stadtrat könne sich immer noch für die Einbeziehung von Haus IV entscheiden, dann allerdings nach geänderten Plänen und mutmaßlich höheren Kosten.
Scheder: "Denkmalpfleger hat nur seinen Job gemacht."
"Scheinbar bin ich der einzige der nicht geschockt ist", meinte hingegen Siegfried Scheder (CSU). "Wenn ich höre, dass ein Renaissance-Dachstuhl vorhanden ist, ist klar, dass er erhalten werden muss", so Scheder weiter. Oberkonservator Haas habe somit lediglich "seinen Job gemacht".
Die endgültige Entscheidung will der Stadtrat erst in einer der nächsten Sitzungen treffen, wenngleich die erweiterte Variante kaum noch Chancen haben dürfte und die Sanierung weitere Jahre hinauszögern würde. Barsom Aktas (UWG) fasste die Beratung treffend zusammen: "Es ist eine unschöne Sitzung mit einem harten Ende."