
Update: Der Beginn des Berufungsprozesses gegen mutmaßliche Anhänger der sogenannten Querdenker-Szene am Landgericht Würzburg ist am Montag kurzfristig abgesagt worden. Hintergrund ist die Erkrankung der Verteidigung. Das Gericht muss die Verhandlung jetzt neu terminieren.
Vor zweieinhalb Jahren musste der Lokführer eines ICE im Landkreis Main-Spessart abrupt die Notbremse ziehen. Über die Gleise gespannte Protestplakate erwiesen sich zwar am Ende als harmloser als befürchtet. Aber zwei Verdächtige aus der Bad Kissinger "Querdenker"-Szene sitzen für die Aktion jetzt am Landgericht Würzburg erneut auf der Anklagebank.
Ein erstes Urteil des Amtsgerichts Gemünden vom Dezember 2022 wollten weder sie noch die Staatsanwaltschaft Würzburg akzeptieren. Der 38-jährige Hauptangeklagte war wegen Eingriffs in den Bahnverkehr und Nötigung zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt worden; eine mitangeklagte 61-Jährige bekam neun Monate auf Bewährung.
Laut Staatsanwaltschaft hatten die Angeklagten auf der Bahnstrecke zwischen Gemünden (Lkr. Main-Spessart) und Waigolshausen (Lkr. Schweinfurt) im Abstand von je rund zwei Kilometern fünf an Holzlatten befestigte Plakate über die Gleise gespannt. Die waren mit "Achtung Gleisbruch 2 km", "letzte Warnung Gleisbruch", "Diesmal FAKE", "Letzte Warnung Gleisbruch" und "Achtung Gleisbruch" beschriftet.
Der ICE kam erst 200 Meter hinter dem Hindernis zum Stehen
Kurz nachdem die Plakate angebracht worden waren, befuhr laut Staatsanwaltschaft ein ICE aus Richtung Schweinfurt kommend mit einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern die Strecke. Der Zugführer leitete laut Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach "sofort eine Schnellbremsung ein und ging in seinem Führerhaus in Deckung". Allerdings konnte er einen Aufprall nicht verhindern, der Zug kam erst etwa 200 Meter weiter zum Stehen.
Bei der Kollision am Dreikönigstag 2021 wurde niemand verletzt. Aber durch Zugausfälle und Verspätungen entstand der Deutschen Bahn ein Schaden von 37.000 Euro.
Schon das Schöffengericht in Gemünden hatte keinen Zweifel, dass die beiden Angeklagten am Aufspannen der Plakate beteiligt waren. Weitere Beteiligte wurden nicht identifiziert. Ob es ihnen um den Anschlag auf einen ICE ging, blieb indes zweifelhaft. Die Werntalstrecke wird von Güterzügen befahren. Allerdings zitierte das Gericht einen Bericht dieser Redaktion vom Oktober 2020: Darin hieß es, dass damals für kurze Zeit auch regelmäßig ICE-Züge auf diese Strecke umgeleitet würden.
Im Internet mit der Tat geprahlt
Dem vorbestraften 38-Jährigen wurde zum Verderben, dass er im Internet zeitnah nach dem Anschlag mit zwei Bildern der Plakate vom Tatort geprahlt haben soll. Im Auto seiner Frau fand die Spurensicherung zudem Farbpartikel, die zur Farbe auf den Plakaten passten. Und in einem abgehörten Telefonat räumte der 38-Jährige eine Tatbeteiligung ein. Auf seine ebenfalls zweifach vorbestrafte mutmaßlich Komplizin kam die Polizei durch Zeugenaussagen.
Der Prozess am Landgericht Würzburg beginnt am Montag, 17. Juli, um 9 Uhr.