Am 17. April 2021 zogen rund 200 "Querdenker" bei einer Demo gegen die Corona-Politik durch Bad Kissingen. Darunter auch Johann Fischer (Name geändert) aus einem kleinen Ort im Landkreis Bad Kissingen. Er hatte die Demo angemeldet. Die vorgeschriebene Maske trug er nicht. Doch das Attest, das ihn von der Maskenpflicht befreien sollte und das er der Polizei zeigte, war falsch. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, deshalb muss sich Fischer in wenigen Tagen dafür verantworten. Dieses Verfahren jedoch dürfte Fischer nicht sehr jucken, sitzt ihm doch die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen eines größeren Falls noch im Genick. Er wird verdächtigt, am Anschlag auf eine ICE-Strecke in Unterfranken beteiligt gewesen zu sein.

Transparente auf den Gleisen

Am 6. Januar 2021 machten Corona-Leugner zum "D-Day" mobil. Deutschlandweit demonstrierten Aktivistinnen und Aktivisten gegen Corona-Regeln. An diesem Tag fuhr auf der Bahnlinie zwischen zwischen Waigolshausen (Lkr. Schweinfurt) und Gemünden (Lkr. Main-Spessart) ein ICE. Der Zugführer erkannte zwar bei Stetten (Lkr. Main-Spessart) noch das vor ihm stehende Hindernis auf den Gleisen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig bremsen: Der Zug rauschte in ein über die Schienen gespanntes Transparent, gezimmert aus Holzlatten. Der Triebwagen wurde beschädigt, Menschen nicht verletzt. Es wurden noch mehr dieser Transparente auf der Strecke gefunden, auf einem stand "Diesmal FAKE".

Die Spuren führte die "Soko Werntal" der Kripo zu Johann Fischer. Der lebt in einer 900-Seelen-Gemeinde und war offensichtlich Administrator mindestens einer Chat-Gruppe bei Telegram – auf einem Kanal, in dem sich viele sogenannte Querdenker, Corona-Leugner und andere trafen, die sich aus der Welt der Fakten verabschiedet haben. Mittlerweile ist die Gruppe gelöscht. Fischer ist nicht nur "Querdenker", man darf ihn auch getrost als Reichsbürger bezeichnen. Der Tageszeitung "taz" sagte er auf die Frage, ob er selbst einer sei: "Wenn die Definition eines Reichsbürgers ist, dass er die Souveränität des deutschen Staats nicht anerkennt, dann ja."

Verdächtiger: "ICE-Aktion ist keine Gewalt"

Seit April 2020 ist er für die Ordnungskräfte kein Unbekannter mehr, schließlich organisierte er in Bad Kissingen viele Anti-Corona-Demonstrationen. Am 10. Januar, vier Tage nach dem ICE-Anschlag, durchsuchten Ermittler das Haus der Familie Fischer. Sie beschlagnahmen Handys, Laptops und Tablets, Johann Fischer muss eine DNA-Probe abgeben. Auch diese Redaktion berichtete darüber. Die Reaktion in der Telegram-Gruppe: Der Artikel wurde dort geteilt, Fischer als Administrator versuchte, den Verdacht bezüglich des ICE-Anschlags auf die Antifa zu schieben. Wenige Tage später wurde die Gruppe gelöscht, es gebe eine "Durchseuchung" in ihr, so lautet einer der letzten Posts. Durchseucht hätten die Gruppe "Antifa, Polizei (Söldner), Verfassungsschutz und Spitzel".

Die "taz" hat Fischer gefragt, wo für ihn bei Protest und Radikalität die rote Linie verlaufe. Er sagte, er lehne Gewalt in jeglicher Form ab, aber "die ICE-Aktion ist für mich keine Gewalt". Die Kripo ermittelte gegen Fischer wegen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr. Die Staatsanwaltschaft Würzburg entscheidet in diesen Tagen darüber, ob Anklage erhoben wird. Die Chance, dass Fischer vor einem Richter stehen wird, sehen Ermittler und Juristen hinter vorgehaltener Hand als groß.

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Doch davor kann Fischer schon mal üben: Am 8. Dezember steht er vor dem Bad Kissinger Amtsgericht. Es geht um seine Demonstrationen im April 2021. Für "Frieden, Freiheit, Souveränität, Wahrheit, für eine sorgenfreie Kindheit, Selbstbestimmung, Forderung Regierungs- und Systemwechsel" liefen mit ihm zweimal bis zu 200 Menschen durch Bad Kissingen – Fischer ohne Maske. Er legte laut Anklage ein Attest vor. Jedoch soll dieses Attest nach Ansicht der Staatsanwaltschaft "unrichtig" gewesen sein. Es habe sich um ein vorformuliertes Schreiben gehandelt, das nicht auf einer individuellen Diagnose beruht – strafbar als "Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse".

Wer den mutmaßlichen Täter verteidigt

Auch als er als Zeuge im Juli vor Gericht aussagen musste, verwies er auf den Schrieb. Seine Anwältin ist Gisa Tangermann-Ahring. Die Fürtherin ist eine "Anwältin für Aufklärung", so der Name eines Zusammenschlusses von Juristen mit dem Hauptthema Covid-19. Sie scheinen jedem juristisch zu helfen, der Probleme mit Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hat. Erst am 23. November haben die "Anwälte für Aufklärung" einen offenen Brief an Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Politik geschrieben. Inhalt: 3G am Arbeitsplatz. Das sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeber.