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Würzburg
Ein Jahr nach der Messerattacke in Würzburg: Stadtrat beschließt die Einrichtung eines zentralen Gedenkorts
Knapp ein Jahr nach der Messerattacke vom Barbarossaplatz steht fest, dass ein "Gedenkort für alle Opfer von Gewalt" entstehen soll. Doch an welchem Standort?
Kurz nach dem Amoklauf in Würzburg vom 25. Juni 2021 gedachten die Menschen am Barbarossaplatz der Opfer mit Kerzen oder Blumen. Jetzt soll es einen dauerhaften Gedenkort für alle Opfer von Gewalt geben.
Foto: Patty Varasano | Kurz nach dem Amoklauf in Würzburg vom 25. Juni 2021 gedachten die Menschen am Barbarossaplatz der Opfer mit Kerzen oder Blumen. Jetzt soll es einen dauerhaften Gedenkort für alle Opfer von Gewalt geben.
Patrick Wötzel
 und  Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 27.04.2023 13:08 Uhr

Kurz vor dem ersten Jahrestag der Messerattacke am Barbarossaplatz hat der Würzburger Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen, in Würzburg einen "Gedenkort für alle Opfer von Gewalt" zu realisieren. Eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Oberbürgermeister Christian Schuchardt soll möglichst noch in diesem Jahr einen geeigneten Standort finden.

Mit einem Messer hatte am 25. Juni 2021 ein Mann am Würzburger Barbarossaplatz auf Passanten eingestochen – erst in einem Kaufhaus, dann auf der Straße. Drei Frauen starben, mehrere Menschen wurden schwer verletzt. Der Täter, der zur Tatzeit 32 Jahre alte Somali Abdirahman J., wurde kurz nach der Tat festgenommen.

Gedenkstätte soll nicht in der Nähe des Tatorts realisiert werden

Bereits im Juli 2021, wenige Wochen nach den schrecklichen Ereignissen vom 25. Juni, hatte der Stadtrat nach einem interfraktionellen Antrag beschlossen, eine Gedenkstätte für die Opfer der Messerattacke einzurichten. Nach Diskussionen im Ältestenrat und einer Beratung in nicht öffentlicher Sitzung im Herbst stand dann fest, dass es ein Gedenkort für alle Opfer von Gewalt werden soll.

Die Gedenkstätte soll nicht in der Nähe des Tatorts realisiert werden. Bereits im Ältestenrat habe es weitgehende Einigkeit darüber gegeben, "dass es am Standort Barbarossaplatz schwierig ist, einen würdigen Gedenkort zu gestalten", berichtete Kulturreferent Achim Könneke. Er stellte dem Stadtrat vier mögliche Standorte am Mainufer vor, die nach der Prüfung zahlreicher Alternativen die Grundlage für die Diskussionen in der Arbeitsgruppe bilden werden (siehe Infobox).

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Der Standort der Gedenkstätte soll zu Fuß aus der Innenstadt erreichbar sein und nicht durch ein anderes Denkmal thematisch bereits besetzt sein, so Könneke. Erst nach der Festlegung des Ortes soll über die künstlerische Gestaltung gesprochen werden. "Kunstwerk oder Gedenktafel – beides ist möglich", sagte Könneke. Geplant ist, die Gedenkstätte im kommenden Jahr zu realisieren. 

Standortvorschlag 1: Felix-Freudenberger-Platz am Willy-Brandt-Kai in Würzburg.
Foto: Torsten Schleicher | Standortvorschlag 1: Felix-Freudenberger-Platz am Willy-Brandt-Kai in Würzburg.

Zu einer Diskussion über die dezentralen Standorte kam es im Stadtrat nicht, lediglich die neun Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen in der Arbeitsgruppe wurden festgelegt. Beteiligt sind außerdem der städtische Fachbereich Kultur, das Gartenamt und das Tiefbauamt. OB Schuchardt hat vorgeschlagen, zu den Beratungen auch das Sozialreferat und eine Psychologin hinzuzuziehen, die seit einem Jahr die Opfer der Messerattacke begleitet.

Standortvorschlag 2: Grünfläche gegenüber der Dreikronenstraße 13, oberhalb der Leonhard-Frank-Promenade.
Foto: Achim Könneke | Standortvorschlag 2: Grünfläche gegenüber der Dreikronenstraße 13, oberhalb der Leonhard-Frank-Promenade.

Grünen-Stadtrat Matthias Pilz warf vor der Abstimmung in einer persönlichen Erklärung die Frage auf, "ob wir überhaupt einen solchen Gedenkort brauchen und ob er uns einen Mehrwert gibt". Die Stadtgesellschaft sei nach der Messerattacke auch ohne feste Gedenkstätte in der Lage gewesen, würdevoll und angemessen mit der Tat und ihren Folgen umzugehen.

Standortvorschlag 3: Wiesenfläche unterhalb der Bastionsmauer der Leonhard-Frank-Promenade.
Foto: Achim Könneke | Standortvorschlag 3: Wiesenfläche unterhalb der Bastionsmauer der Leonhard-Frank-Promenade.

"Auch das ist etwas, worüber sich die Arbeitsgruppe intensiv Gedanken machen muss", antwortete der Oberbürgermeister: "Diese Option ist auf jeden Fall da, wenn man keinen angemessenenen Ort oder keine angemessene Gestaltung findet."

Standortvorschlag 4: Dicker Turm, Leonhard-Frank-Promenade.
Foto: Franziska Fröhlich | Standortvorschlag 4: Dicker Turm, Leonhard-Frank-Promenade.

Die AfD wird nicht an der Entscheidungsfindung in der Arbeitsgruppe beteiligt sein, weil sie mit zwei Sitzen im Stadtrat keine Fraktionsstärke hat. "Auch für unsere Wählerschaft ist das ein ganz wichtiges Thema", sagte AfD-Stadtrat Ludwig Mechler. Sein Antrag auf Aufnahme in die Arbeitsgruppe wurde vom Rest des Stadtrats abgelehnt. Daraufhin verweigerten die beiden AfD-Stadträte dem Grundsatzbeschluss zur Einrichtung des Gedenkorts ihre Stimme.

Mögliche Standorte für den Gedenkort

Felix-Freudenberger-Platz: Der Felix-Freudenberger-Platz liegt im Innenstadtbereich und sei bestens erreichbar sowie barrierefrei, heißt es in der Sitzungsvorlage. Der Platz biete eine hohe Aufenthaltsqualität, hier könnten auch große, öffentliche Gedenkveranstaltungen stattfinden. Allerdings herrsche beachtlicher Verkehrslärm und es bestehe ein gewisses Risiko der Hochwassergefahr.
Grünfläche gegenüber der Dreikronenstraße 13: "Direkt gegenüber der Dreikronenstraße 13 liegt zum Main hin ein Grünflächenareal auf den Bastionsmauern, welches aktuell offenbar nur wenig genutzt wird", heißt es in der Ortsbeschreibung der Verwaltung zum zweiten möglichen Standort. Die Fläche biete nicht nur einen Panoramaausblick auf die Innenstadt, sondern durch alten Baumbestand eine sehr ruhige und geschützte Ausstrahlung. Die Rasenfläche biete Platz für mittelgroße Gedenkfeiern. Allerdings sei das Areal nicht barrierefrei und bisher nur über zwei seitliche Steintreppen von der Straße her zugänglich.
Wiesenfläche unterhalb der Bastionsmauer der Leonhard-Frank-Promenade: Der dritte mögliche Standort befindet sich in einem Mauer-Dreieck ebenfalls entlang der Leonhard-Frank-Promenade. "Die Promenade ist ein gut erschlossener und beliebter und ruhiger Erholungsraum, über die Dreikronenstraße, bzw. über den Viehmarktparkplatz relativ gut und barrierefrei erreichbar", heißt es in der Vorlage. Die Aufenthaltsqualität dieses Ortes sei "hervorragend", die Ecklage biete eine gewisse Intimität, zugleich wäre hier auch Platz für mittlere und große Gedenkveranstaltungen. Allerdings sei dieser Platz wie die gesamte Promenade einer grundsätzlichen Hochwassergefahr ausgesetzt.
Dicker Turm, Leonhard-Frank-Promenade: Der vierte mögliche Standort ist der sogenannte Dicke Turm an der Leonhard-Frank-Promenade, der sich etwas versteckt hinter Bäumen befindet. Der Turm gehörte zur Stadtmauerbefestigung von Würzburg, sein Stumpf wurde nach 1945 rekonstruiert, heißt es in der Verwaltungsvorlage.
Dieser Ort sei sehr gut erreichbar und barrierefrei. Die Aufenthaltsqualität sei sehr hoch: Zum einen werde der Verkehrslärm der Dreikronenstraße durch den Baumbestand stark abgeschirmt, zum anderen biete der Ort aufgrund seiner leicht erhöhten Lage eine Panoramasicht auf die Innenstadt. Die durch den Turmstumpf vorgegebene Begrenzung biete Raum für kleine und mittlere Gedenkveranstaltungen.
Quelle: tsc/Stadt Würzburg
 
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  • P. S.
    Es ist übergriffig gegenüber den Opfern und geradezu absurd, eine Gedenkstätte für ein Ereignis zu errichten, das vielen Menschen Leid und der Bevölkerung Angst gebracht hat. Aber Politiker denken vermutlich anders...
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  • H. S.
    Wie in der guten alten Sowjetunion…..dort hat es offiziell gar keine schwere Verbrechen gegeben, sowas war nur bei den schlechten Kapitalistischen Ländern möglich. Würzburg versucht hier das ganze zu einer Nichtigkeit herunterzuspielen, dabei war dieser Akt der Grausamkeit fast Beispiellos und Weltweit in den Schlagzeilen…..
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  • B. F.
    sind das die Probleme nach solch einer Tat?? Beginnen müsste man wesentlich dringender mit der Arbeit in den Ämtern, damit solche Menschen , die eine derartige Straftat begehen, wesentlich früher in Gewahrsam kommen, was dieser Fall eindeutig gezeigt hat !!
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  • D. C.
    Wie gedenkt man eines Anschlages der nach offizieller Lesart keiner war? Wie schafft man eine Stelle des Gedenkens für eine Gewalttat, die es im Zeitgeist des Politisch Korrekten gar nicht geben kann?
    Ganz einfach: Durch Eiertanz!
    Es gibt jetzt also bald den "Gedenkort für alle Opfer von Gewalt", also möglichst ohne groß auf das Geschehen vom 25.06.2021 hinzuweisen und möglichst weit weg von der Innenstadt.
    Nicht genehme Parteien werden von der Beschlußfassung ausgeschlossen.
    Das ist gelebte Demokratie vom Feinsten.
    Das ist sicher im Sinne der vielbeschworenen Zivilgesellschaft.
    Und das lässt tief blicken – scheint sich doch das gängige Narrativ zu dieser Tat in Würzburg nach einem Jahr verfestigt zu haben.
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  • H. S.
    Schade das es keinen Gedenkort am Barbarossaplatz, also am Ort den Geschehens, geben wird. Der Stadt scheint ein Gedenkort fernab der Touristenströme lieber zu sein, damit besser Gras über die Sache wachsen kann...
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  • S. T.
    das kann ja sein, dass das für Herrn Pilz so ist, aber das ist sehr unempathisch von ihm. Er ist jka kein Betroffener.
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