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Würzburg
Auftakt im Prozess um Gewalt in der Kita Greußenheim: Angeklagte Erzieherin bestreitet, Kinder misshandelt zu haben
Kinder auf den Boden geknallt, eingesperrt, bis zum Erbrechen gefüttert? Vor dem Landgericht Würzburg belastet die mitangeklagte frühere Vorgesetzte ihre Kollegin schwer.
Prozessauftakt am Landgericht Würzburg: An diesem Montag hat das Verfahren gegen zwei ehemalige Mitarbeiterinnen der Kita Greußenheim begonnen.
Foto: Thomas Obermeier | Prozessauftakt am Landgericht Würzburg: An diesem Montag hat das Verfahren gegen zwei ehemalige Mitarbeiterinnen der Kita Greußenheim begonnen.
Aaron Niemeyer
 und  Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 13.04.2024 02:42 Uhr

Ein Dutzend Kameras sind auf die beiden Angeklagten gerichtet, als sie an diesem Montagvormittag den Schwurgerichtssaal am Landgericht Würzburg betreten. Das Medieninteresse am Fall um mutmaßliche Gewalt in der Kita Greußenheim (Lkr. Würzburg) ist groß. Eine Erzieherin soll dort vor drei Jahren Kinder misshandelt haben. Die 30-Jährige kommt zum Prozessauftakt mit schwarzem Kapuzenpulli, Sonnenbrille und Mundschutz in den Saal. 

Staatsanwalt Ingo Krist spricht in seiner Anklage von "rohen Misshandlungen". Die Erzieherin soll zwischen September und Dezember 2021 immer wieder Kleinkinder gequält haben. Die Anklage wirft der 30-Jährigen vorsätzliche Körperverletzung in acht Fällen vor, außerdem Nötigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährliche Körperverletzung.

Mitangeklagte als Belastungszeugin: "Ich hatte Angst, dass mir keiner glaubt"

Ihre 37-jährige Vorgesetzte wird der Unterlassung beschuldigt, weil sie diese Straftaten mitbekommen und nicht verhindert hat. Die Mitangeklagte gibt dies selbst am Montag vor der großen Strafkammer zu:  "Ich weiß, dass ich es nicht aufgehalten habe und nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich stand alleine da und hatte Angst, dass mir keiner glaubt", sagt die Erzieherin.

Seit Oktober 2018 in der Kita Greußenheim tätig, leitete sie die Gruppe, in der die Hauptangeklagte seit 2020 arbeitete. Im September 2021 habe es erste "schlimmere Fälle" mit einem Jungen gegeben, sagt die 37-Jährige. Ihre Ex-Kollegin habe ihn "von Anfang an nicht so gerne" gemocht. "Auch die Mama konnte sie nicht leiden."

Ihre damalige Kollegin habe den Jungen gepackt, auf Schulterhöhe gehoben und "auf den Boden geknallt", schildert die 37-Jährige vor den drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Auch mit anderen habe sie das gemacht. Die Kinder hätten "vor Schmerzen geweint".  

Weiter berichtet die Mitangeklagte und zugleich Belastungszeugin, wie die Erzieherin Kinder unter anderem in einen abgedunkelten Raum eingesperrt habe. Ein Mädchen, das nicht essen wollte, habe sie zweimal so gefüttert, dass es gewürgt und sich dann erbrochen habe. 

Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe: Keine Absicht, Kindern weh zu tun

Die 30-jährige Angeklagte bestreitet diese Vorwürfe. Ihr Verteidiger Hanjo Schrepfer sagt: "Meine Mandantin hat in keinem Fall ein Kind auf den Boden geknallt. Es war ein unsanftes Auf-den-Po-Setzen, eine Maßregelung, die bestimmt heftiger war, als es sein sollte, aber nicht mit der Absicht, Kindern weh zu tun."

Auch ein Mädchen sei zwar gefüttert worden, damit es das von den Eltern mitgebrachte Essen isst, so der Anwalt. Aber nicht, um es zu quälen. Dass sich das Kind erbrochen habe, hätte nichts mit dem Füttern zu tun gehabt, sagt Schrepfer. Das sei öfter vorgekommen. 

Als massivsten Fall von Körperverletzung führt die Anklage die Kopfverletzung eines Kleinkindes auf. Die Belastungszeugin erinnert sich so: Ihre Ex-Kollegin habe das Kind gepackt und weggezogen. Aus 1,20 Meter Höhe sei es  "ungebremst mit dem Kopf auf den Fußboden aufgeschlagen". 

Die 30-jährige Beschuldigte schildert diesen Vorfall als ein unglückliches Versehen. Sie habe den Jungen aus dem Bett hopsen lassen wollen. "Ich war an diesem Tag sehr angespannt", sagt sie. Angespannt und überlastet sei sie im Herbst 2021 öfter gewesen, auch weil ihre Vorgesetzte häufig krank gewesen sei. "Ich musste oft alleine acht Kinder in den Schlaf bringen." Außerdem habe sie in der Zeit private Probleme gehabt.         

Neben der Beweisaufnahme zu den vorgeworfenen Fällen beschäftigt das Gericht am ersten Prozesstag die Frage, wie in der Greußenheimer Kita damit umgegangen wurde. Sie hätten die Ursache der Kopfverletzung des Kleinkindes vor den Eltern verschwiegen, sagen beide Angeklagten.  Die Vorgesetzte wartete bis September 2022, bis sie ihre Beobachtungen der Kita-Leitung schilderte. Daraufhin schaltete die Gemeinde Greußenheim die Polizei ein und suspendierte beide Erzieherinnen.

Privates und Berufliches: Kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Frauen

Die Fehlerkultur in der Kita und der Umgang mit überlasteten Mitarbeiterinnen werden das Gericht in den nächsten Prozesstagen beschäftigen. Außerdem wird es darum gehen, wie glaubhaft die Ausführungen der beiden Frauen jeweils sind.   

Prozess um Vorfälle in der Kita Greußenheim: Zwei Angeklagte, zwei Verteidiger - und das Gericht um den Vorsitzenden Richter Thomas Schuster an diesem Montag im Strafjustizzentrum in Würzburg. 
Foto: Thomas Obermeier | Prozess um Vorfälle in der Kita Greußenheim: Zwei Angeklagte, zwei Verteidiger - und das Gericht um den Vorsitzenden Richter Thomas Schuster an diesem Montag im Strafjustizzentrum in Würzburg. 

Die Nachfragen des Gerichts um den Vorsitzenden Richters Thomas Schuster bringen an diesem Montag ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Frauen ans Licht. Private Dreiecksverbindungen lösten offenbar Eifersucht und Ärger aus - was sich auf ihr Miteinander in der Kita auswirkte.

Bei der Fortsetzung der Verhandlung ab Freitag dürften diese Hintergründe eine Rolle spielen.   

 
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  • Barbara Fersch
    sorry Frau Scherendorn, dieser Fall hier hat aber überhaupt nichts mit "anschaffen" zu tun. Es gibt in unserem Land massenhaft Eltern, die einfach zu zweit ganztags arbeiten müssen, um Miete, Lebensunterhalt, ja und evtl. ein Auto zu stemmen!! Die jetztige Generation hat einen Beruf erlernt, studiert und möchte dies nicht aufgeben, was auch vollkommen richtig ist, unsere Eltern, oder auch wir konnten uns noch leisten erst mal zu Hause zu bleiben, doch die Zeiten haben sich ordentlich geändert.
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  • Helga Scherendorn
    Frau Fersch, nicht die Zeiten haben sich geändert, sondern die Ansprüche!
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  • Martin Deeg
    Die ideologische Diskussion, ob Eltern „arbeiten“ dürfen/müssen oder wegen der Kinder zuhause bleiben, hat was genau mit dem Thema hier zu tun, dass hier Übergriffe gegen Kinder, Gewalt und Körperverletzung gerichtlich angeklagt sind!?

    Soll das heißen, die Eltern sind „schuld“ - am besten wegen ihrer „Ansprüche“ in Bezug auf Auto, Urlaub etc….!?
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  • Felix Habermann
    Hallo miteinander ! ! !
    Ich wurde vor fast 60 Jahren an den Augen
    in der Theresienklinik operiert.
    Da hat sich das auch zugetragen.
    Wenn ein Kind seinen Teller nicht leer
    gegessen hatte kam die Ordensschwester
    und hat ihm das reingeläufelt.
    Eines habe ich bis heute nicht vergessen.
    Ein Mädchen hat sein Essen wieder erbrochen.
    Die Ordenschwester hat ihm das auch wieder
    zwangsweise verpaßt.
    Soviel hierzu.
    Gruß Klaus Habermann, Estenfeld ! ! !
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  • Martin Deeg
    Das gesetzliche Recht auf gewaltfreie Erziehung gilt mittlerweile auch in rückständigen Provinzen und für autoritär-gottesfürchtiges und sonstiges „Fachpersonal“:

    …“Seit dem Jahr 2000 steht im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben. Nach Angaben des bayerischen Familienministeriums haben alle Kitas im Freistaat ein Gewaltschutzkonzept. Darin steht etwa, wie Gewalt verhindert oder Fälle aufgearbeitet werden können.

    Dabei geht es längst nicht nur um körperliche Misshandlungen wie Prügel oder Ohrfeigen. Auch um psychische Gewalt – wenn Kinder niedergebrüllt, sozial isoliert oder erniedrigt werden. Gerade bei den ganz Kleinen, die noch nicht richtig sprechen können, ist es allerdings ohne typische Anzeichen wie blaue Flecke schwierig, Betreuerinnen und Betreuer zu überführen.“….

    Quelle: infranken

    „Soviel hierzu“.
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  • Stefan Krug
    und wie ist es
    wenn kleine Kinder (3-7)
    ihre "Eltern" täglich anschreien und schlagen?

    so wie man seine Kinder erzieht
    so hat man sie...

    aber das "erziehen" müssen ja andere Menschen übernehmen
    das die eigene worklifebalance nicht aus dem Gleichgewicht kommt...

    Erzieher und Lehrer tun mir leid...
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  • Klaus B. Fiederling
    falls es so der Fall ist, hat eigentlich die beschuldigte Kindergärtnerin nichts mehr in diesem Job
    verloren. Wenn einem fremde Kinder anvertraut werden, so sollte man stets das Wohl der Kleinen im Auge haben.
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  • Duncan Seitz
    Um solche Fälle zu verhindern oder aufzuklären sollte man eine generelle Videoüberwachung einführen. Dies hat auch in Hamburg dafür gesorgt, dass solche Fälle erstmal sachlich aufgeklärt werden können und gleichzeitig kann das Erziehungspersonal von Vorwürfen entlastet werden. Klappt ja auch in Krankenhäusern, Flughäfen, jedem Supermarkt oder Geschäft hervorragend. Man sollte aber auch einfach mal öfters unangemeldet vorbeischauen und sein Kind zu unregelmäßigen Zeiten abholen. Der Personalschlüssel gehört auch dringend erweitert!
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  • Alexandra Roith
    Wenn man das liest…Ich bin schockiert u wütend. Ich habe die Äußerungen ( nach d. angeblich eigenen Kündigung) der Hauptbeschuldigten noch im Ohr! „die Leitung ist so unerträglich, die Eltern dort sind so empfindlich u die Mainpost hat alles übertrieben!“ Selbst nach den Vorfällen in der betroffenen Kita hat sie sich in einer anderen Kita beworben anstatt sich Hilfe zu holen.
    Ja, unser Job ist anstrengend u kann auch sehr herausfordernd sein aber nichts auf der Welt rechtfertigt diese schlimmen Taten/Misshandlungen.
    Auch passt es nicht immer mit der direkten Kollegin oder Vorgesetzten, das kommt auch vor dann muss man aber mit der Leitung/dem Träger nach anderen Möglichkeiten suchen. Und: eine kurze Zündschnur entschuldigt schon mal gar nichts. Schon gar nicht eine Misshandlung am Kind.
    Wie kann man denn mit solchen „Taten“ leben?
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  • Martin Deeg
    …“Den Eltern hat man nichts gesagt, das liegt an der

    Anschließend hat die Vorgesetzte diesen Vorfall aber gedeckt und den Eltern gesagt, dass sich das Kind zufällig verletzt hat.“….

    Wie verletzt sich ein Kind „zufällig“ und woran „liegt“ was….(Man kann erahnen, weshalb der Satz nicht zu Ende gebracht wurde…).

    Ich auch mal in einem Kindergarten gearbeitet. Als da ein Junge beim Rennen hingefallen ist und sich eine Kopfwunde zuzog, waren 10 Minuten später die Eltern da und es wurden schriftliche Stellungnahmen gefertigt.
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  • Martin Deeg
    Wer sich nicht einmal gegenüber letztlich hilflosen Kleinkindern beherrschen kann - „ Maßregel“? - und hier offenbar seine körperliche Überlegenheit missbraucht, um Macht auszuüben, der hat nicht nur eben mal eine „kurze Zündschnur“….
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  • Wow. Ehrlich gesagt dachte ich bisher, dass da vielleicht ein paar überempfindliche Eltern übertreiben. Wenn ich das aber so lese, dreht sich mir der Magen um. Heutzutage ist man als Eltern nahezu immer gezwungen, die eigenen Kinder fremdbetreuen zu lassen, damit beide Geld verdienen können. Man gibt sein Wertvollstes in gutem Glauben in die Hände anderer, eigentlich fremder Menschen…..
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  • Helga Scherendorn
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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