Hat der Angeklagte vor den tödlichen Stichen in der Würzburger Innenstadt im September 2023 eine weitere Person mit dem Messer bedroht? Dies sagte an diesem Freitag im Prozess am Landgericht Würzburg ein Zeuge aus. Der 29 Jahre alte Betroffene schilderte am sechsten Tag der Verhandlungen, was er wenige Stunden vor der angeklagten Tat erlebt hatte.
Die Messerstiche, durch die vor dem Würzburger Club Studio einen Mann getötet und zwei weitere schwer verletzt wurden, hat der heute 23 Jahre alte Angeklagte gestanden. Die Umstände der Tat sind weiter unklar, viele Zeugenaussagen widersprechen sich. Stach der Angeklagte aus Notwehr, wie er selbst sagt - oder war es Totschlag?
Um diese Frage dreht sich das Verfahren seit Anfang Juni. Die Aussagen des 29-Jährigen an diesem Freitag sind für den Prozess relevant, weil sie womöglich Rückschlüsse auf das Verhalten des Angeklagten in der Tatnacht zulassen.
Zeuge: Wurde von Angeklagtem vor Studio-Vorfall mit Messer bedroht
Der Zeuge schilderte vor Gericht, wie er am Abend vor der Tat in einem anderen Club auf einer Party der Familie des Angeklagten gefeiert habe. Er sei dort in einen kurzen Streit mit dem Angeklagten geraten. Er selbst sei betrunken gewesen und von der Feier geworfen worden. Ein Türsteher habe ihn geschlagen. Die Polizei sei gekommen, habe ihm jedoch nicht geglaubt. Er habe daraufhin die Party verlassen.
Nur wenige Meter weiter hätten ihn mehrere Männer angegriffen, sagt der Zeuge. "Wie ein Tennisball" sei er immer wieder zu Boden geschlagen worden. "Irgendwann stand er mit dem Messer in der Hand vor mir", sagte der 29-Jährige über den Angeklagten. Eine Frau sei dazwischen gegangen und habe ihn weggeschoben. "Wäre diese Frau nicht gewesen, hätte er mich vielleicht umgebracht."
Zweite Aussage der Hauptbelastungszeugin am Landgericht: Von Angehörigen kontaktiert
Mit Spannung war vor dem Verhandlungstag die erneute Aussage der Hauptbelastungszeugin erwartet worden. Im Laufe des Verfahrens waren Zweifel an ihrer ersten Aussage aufgekommen. Dass sie erneut in den Zeugenstand gerufen wurde, machte ihr sichtlich zu schaffen. Das Verfahren reiße alte Wunden auf, sagte sie am Freitag. Der Stiefvater des Angeklagten habe sie vor wenigen Tagen kontaktiert. Die Nachricht sei harmlos gewesen, dennoch fühle sie sich bedroht.
Bereits kurz nach der Tat hatte der Vater des Getöteten die Zeugin kontaktiert - und zu einer belastenden Darstellung gedrängt. Ihre Version der Tatnacht wird deshalb nun angezweifelt. Der 28-jährige Getötete habe den Konflikt schlichten wollen, so die erste Aussage der Zeugin. Der Angeklagte habe unvermittelt zugestochen. Sie habe nicht beobachtet, dass er selbst zuvor körperlich angegriffen worden war.
Aufnahmen einer Überwachungskamera ziehen diese Aussage jedoch teilweise in Zweifel. Darauf ist zu sehen, wie die Frau kurz vor den Messerstichen in Richtung Kreisverkehr am Stift Haug geht. Sie selbst sagt, sie sei losgerannt, weil sie den Streit zwischen dem 28-Jährigen und dem Angeklagten am Kreisel gesehen habe. Ein Handyvideo zeigt indes, wie der Angeklagte zum gleichen Zeitpunkt aus einer Gruppe heraus geschubst wird – in der Nähe des Studio-Eingangs.
Mehrfach flehte die Frau am Freitag im Zeugenstand, nicht weiter aussagen zu müssen. Schließlich bestätigte sie, dass die Aufnahmen sich mit ihren Erlebnissen decken. Den Schubser gegen den Angeklagten habe sie gesehen. Ihre Kernaussage zu den Stichen des Angeklagten bekräftigte die Frau jedoch: "Das war garantiert nicht in Selbstverteidigung."
Geschäftsführer des Würzburger Clubs: Mit Angestellten nicht über Details gesprochen
Kritischen Fragen des Gerichts musste sich am Freitag der Studio-Geschäftsführer stellen. Er hatte nach der Tat zwei der am Abend tätigen Türsteher dazu ermutigt, ihre Sichtweise öffentlich darzustellen. Sie gaben in ihren Schilderungen an, dass der Angeklagte eine Frau geschlagen, danach ein Messer gezückt und zugestochen habe.
Was aus seiner Sicht damals wirklich passiert ist, wollten die Richter nun vom Geschäftsführer wissen. An Details, sagt er, könne er sich nicht erinnern.
Vor Gericht sprach der Club-Betreiber von "Zivilcourage", die ihm geschildert worden sei und die er mit der Öffentlichkeit habe teilen wollen. Mit seinen "Leuten" habe er selbst nur oberflächlich gesprochen. Er habe sich bei "irgendwem" erkundigt und sei "fehlinformiert" worden. Aus seiner Sicht sei die ganze Angelegenheit Privatsache der Türsteher, der Vorfall sei nach der Arbeitszeit geschehen.
Dies sei falsch, informierte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster – und verwies auf die Aufzeichnung der Überwachungskamera.
Das Verfahren wird am Mittwoch, 3. Juli, um 8 Uhr fortgesetzt.
Was mir auch auffällt: Hier kennt anscheinend jeder jeden, ruft jeder jeden an, sogar die Eltern mischen bei dem Durcheinander mit.
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ich stimme Ihnen zu. Auch aus Sicht der Berichterstattung ist der Prozess eine Herausforderung: Welchen thematischen Schwerpunkten soll auf engem Raum der Fokus liegen?
Vielen Dank für Ihr Interesse und beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Autor)
Seit antiker Zeit gibt es den Rechtsgrundsatz "im Zweifel für die angeklagte Person" ( IN DUBIO PRO REO).
Möglicherweise erfährt diese grundlegende Regel ja auch in Unterfranken Beachtung.
Man sollte eine Sperrstunde ab 22 Uhr einführen und gut wär's.