Josef Schuster bewirbt sich um eine dritte Amtszeit als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das kündigte der Arzt aus Würzburg in einem Gespräch mit dieser Redaktion an. Die Wahl findet am Sonntag, 27. November, in Frankfurt statt. Dort tagt die Ratsversammlung, die Vertretung der rund 100 jüdischen Gemeinden hierzulande. Ein Gegenkandidat für Schuster, der das Amt seit 2014 innehat, ist nicht in Sicht.
Der 68-Jährige hat sich in den vergangenen acht Jahren einen Ruf als Mahner gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit erworben. Diese Rolle würde er gerne ablegen, sagt Schuster mit einem Achselzucken, wohl wissend, dass er da weiter gefordert ist. Von Antisemiten, Rassisten und anderen Extremisten gehe nach wie vor große Gefahr für das Zusammenleben in Deutschland aus, so Schuster. Er habe das Gefühl, dass die Judenfeindlichkeit in Deutschland zuletzt eher noch zugenommen habe. Längst sei sie auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie unter anderem der Skandal um antisemitische Darstellungen bei der Kunstausstellung "documenta" in Kassel zeige.
Ganz offensichtlich wachse in Krisenzeiten - "egal ob es die Corona-Folgen oder die wirtschaftlichen Probleme infolge des Ukraine-Kriegs sind" - das Bedürfnis, Sündenböcke zu suchen, sagt Schuster. Da säßen viele über Generationen weitervermittelte antisemitische Klischees und Verschwörungsmythen von Jüdinnen und Juden als Kindermörder oder Brunnenvergifter tief, vermutet der Zentralratspräsident. Dass zuletzt in einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung ein Viertel der befragten Deutschen der These zustimmte, Jüdinnen und Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss, überrasche ihn nicht wirklich.
Wie Begegnung hilft, Vorurteile abzubauen
Um hier gegenzusteuern, hilft nach Schusters Überzeugung vor allem Bildung. Als einen Erfolg seiner bisherigen Amtszeit nennt der Zentralratspräsident die Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz. Deren Ziel sei es, jüdisches Leben und jüdische Geschichte im Schulunterricht nicht nur in Zusammenhang mit der Verfolgung während der NS-Zeit zu thematisieren - "so wichtig der Umgang mit der Geschichte auch ist". Entscheidend seien nicht zuletzt Begegnungen wie sie das Programm "Meet a jew" ("Treffe einen Juden") ermögliche: Junge Jüdinnen und Juden besuchen Schulklassen, Vereine oder Jugendgruppen und erzählen aus ihrem Alltag.
Kommt es zu judenfeindlichen Übergriffen, sieht der Zentralratspräsident den Rechtsstaat mit aller Härte gefordert. Gerade nach verbalen Attacken, etwa auf Querdenker-Demos oder in den sozialen Netzwerken, fielen die Urteile häufig "arg milde" aus, sagt der Würzburger. Es sei aber ein gutes Zeichen, dass mittlerweile alle bayerischen Generalstaatsanwaltschaften Antisemitismus-Beauftragte haben, die für Sensibilität bei dem Thema sorgen. Den Vorwurf, die Justiz sei auf dem rechten Auge blind, wolle er nicht mehr aufrechterhalten, sagt Schuster. "Ich erkenne aber noch eine Sehschwäche."
Als Notarzt beim Roten Kreuz will Schuster weiter im Einsatz bleiben
Hier weiter den Finger in die Wunde zu legen, diese Aufgabe würde dem Zentralratspräsidenten auch in einer neuen, dritten Amtszeit erhalten bleiben. Die Zeit für das Ehrenamt hat Schuster mehr denn je, seit er vor zwei Jahren seine internistische Praxis in Würzburg aufgegeben hat. Ganz loslassen von der Medizin wolle er aber auch künftig nicht, sagt Schuster: Zwei Nächte pro Monat möchte er auch künftig Bereitschaftsdienste als Notarzt beim Roten Kreuz in Würzburg übernehmen.
Zu Ihrer Initiative "meet a jew" möchte ich an Ihren verstorbenen Vater David erinnern, der schon vor über 50 Jahren damit begonnen hat, die Schüler der benachbarten Jakob Scholl Schule (jetzt nach ihm selbst benannt) in die damalige Synagoge (jetzt Kulturzentrum) einzuladen und ihnen (die damals noch von Vätern der Kriegsgeneration geprägt waren) das Judentum vorzustellen.