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Würzburg
Posthalle: Der bedrohte Mikrokosmos mit Großstadtflair
Dass es in der Posthalle mehr als Konzerte gibt, wird jetzt beim ersten Tag der offenen Hallen gezeigt. Dabei gibt's Einblicke in eine kreative Welt - die kurz vor dem Aus steht.
Herzstück des Kreativ-Zentrums Posthalle: die große Halle für bis zu 3000 Besucher. Hier ein 'Refugee Welcome Afternoon“ vor drei Jahren, zu dem sich rund 700 Flüchtlinge und 400 einheimische Bürger trafen.  Foto: Patty Varasano
| Herzstück des Kreativ-Zentrums Posthalle: die große Halle für bis zu 3000 Besucher. Hier ein "Refugee Welcome Afternoon“ vor drei Jahren, zu dem sich rund 700 Flüchtlinge und 400 einheimische Bürger trafen.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:25 Uhr

Über eine Million Menschen sind in den vergangenen zehn Jahren in die Posthallen gekommen. Zu Konzerten, Messen, Public Viewing und mehr. Einen Blick hinter die Kulissen des ehemaligen Briefsortierzentrums der Post können Besucher erstmals jetzt bekommen - bei einem "Tag der offenen Posthallen" am Mittwoch, 3. Oktober.

Was nach Chaos aussieht, kann auch kreativ sein: ein Büro in der Posthalle. Foto: Daniel Peter
| Was nach Chaos aussieht, kann auch kreativ sein: ein Büro in der Posthalle. Foto: Daniel Peter

Diese Aktion hat nicht allein mit dem zehnten Geburtstag des Hallen-Projektes zu tun, sondern auch mit dessen möglichem Ende. Auf dem Areal neben dem Bahnhof soll das Bismarck-Quartier mit Wohnungs-, Büro- und Hotelbauten  entstehen. Ein Alternativ-Standort für das Kreativ- und Kulturzentrum ist nicht in Sicht, geschweige denn, in der öffentlichen Diskussion.

Über 50 lokale Bands proben im Betonklotz

Dieser Umstand ist auch ein Anlass für den "Tag der offenen Posthallen", sagt Joachim "Jojo" Schulz. Der 46-jährige Sozialpädagoge, Konzert und Event-Manager und SPD-Stadtrat hat die 3000 Quadratmeter große Halle 2006 für Konzerte und größere Veranstaltungen entdeckt und bekannt und interessant gemacht - auch für viele Kultur- und Kreativschaffende, die sich mittlerweile in dem Betonklotz eingemietet haben.

Neben Hauptmieter Posthalle GmbH sorgen 35 weitere Nutzer für ein buntes Treiben: Clubs wie der Jugendtreff "Immerhin", Studios für Fotografie, Fitness oder Tatoo, Ateliers, Proberäume für über 50 lokale Bands sowie Spielangebote wie 3D-Minigolf oder LaserTag -  und und und. Ein Mikrokosmos mit Großstadtflair. 

Auch Muskeln kann man in der Posthalle spielen lassen. Foto: Daniel Peter
| Auch Muskeln kann man in der Posthalle spielen lassen. Foto: Daniel Peter

"Es ist an der Zeit, einmal zu zeigen, welches kreative und kulturelle Potenzial sich hier angesiedelt hat", erklärt Schulz den Posthallen-Tag, für den er einen prominenten Unterstützer gefunden hat. Oberbürgermeister Christian Schuchardt hat die Schirmherrschaft übernommen. Warum? „Das Programm ist ansprechend, der Tag der offenen Posthallen ein schöner Beitrag in Würzburgs kulturellem Leben", sagt der OB, was Schulz "sehr freut". Noch mehr freuen würde es Schulz, wenn die Zukunft des Posthallen-Mixes verstärkt in den Fokus rücken würde: im Rathaus und in der Öffentlichkeit. Bislang haben nur der Dachverband freier Kulturträger und die Grüne Jugend Ersatzlösungen nach dem Wegfall des kulturellen und subkulturellen Zentrums gefordert.                                         

Auch die Toten Hosen mit Leadsänger Campino (Zweiter von rechts) waren schon im Immerhin unter der Posthalle zu Gast.  Foto: Daniel Peter
| Auch die Toten Hosen mit Leadsänger Campino (Zweiter von rechts) waren schon im Immerhin unter der Posthalle zu Gast.  Foto: Daniel Peter

Vor zwei Jahren hat Schulz dem OB und StadträtenPläne für eine neue Halle an der Friedensbrücke präsentiert. Die Resonanz sei positiv gewesen, sagt Schulz. Mehr aber auch nicht: "Positioniert hat sich dazu bislang keiner." Und die geplante Multifunktionsarena am Bahnhof kann laut Schulz kein Ersatz sein, da sie das Segment ab 3000 Besuchern bediene, die Posthalle dagegen den Bereich für Veranstaltungen von 200 bis 3000 Besuchern.       

"Wir gehen fest von einer Perspektive von noch mindestens vier Jahren aus."
Betreiber Joachim "Jojo" Schulz zur Zukunft der Posthalle 

"Die Posthalle ist mehr als ein Veranstaltungsort und kommerzieller Betrieb. Sie ist ein unverzichtbarer Teil der Kulturlandschaft und kompensiert ohne öffentliche Förderung an vielen Stellen auch eine fehlende Stadthalle", sagt Schulz. Um diese Botschaft und Alternativlösungen zu forcieren, hat sich vergangenes Jahr der  "Förderverein zur Unterstützung der kulturellen Vielfalt der Posthalle" gegründet, dem auch prominente Vertreter des Stadtlebens angehören.             

Der Förderverein veranstaltet mit dem Förderverein des Jugendclubs Immerhin den Posthallen-Tag. Das Immerhin, Träger ist die Diakonie, war vor sieben Jahren der erste Mieter nach Schulz. Mit eingefädelt hat das Horst Porkert, einer von 20 bis 25 Ehrenamtlichen des Immerhin. Im Posthallen-Keller gibt's dort über 100 Konzerte im Jahr, dazu Kneipenbetrieb und Parties.

Ein kreatives Mit- und Nebeneinander in einer "Hammer-Lage"

Porkert, Kulturmedaillen-Träger, Plattenladenbetreiber und Konzertveranstalter, würde es sehr bedauern, wenn die ganze Posthallenszene "mit einem Schlag weg" wäre "in dieser Hammer-Lage". Porkert gefällt das kreative Neben- und Miteinander, auch wenn sich Yoga-Leute mal über zu laute Musik beschweren. Seine Vision, die Posthallen wie den Nürnberger Z-Bau, ein buntes Kulturzentrum in einer alten Kaserne, zu gestalten, wird wohl nicht verwirklicht.      

"Ein perfekter Standort", sagt Anna Gottwald vom Betreiberteam der  Schwarzlichtfabrik, die Spieleangebote wie 3-D Minigolf und ein Rätsel-Kabinett in den Posthallen offeriert. Bis zu 400 Besucher kommen an guten Tagen. Gottwald lobt das gute Verhältnis zu den Mitmietern und bedauert schon jetzt: "Solche Voraussetzungen wie hier werden wir wohl nicht wieder bekommen."          

Es gibt viele offene Fragen zur Zukunft von "Frankens größtem Kreativquartier", wie Posthalle-Chef  Schulz das Areal bezeichnet. Wie lange es das bunte Treiben in dem grauen Betonklotz am Bahnhof noch gibt? Schulz: "Wir gehen fest von einer Perspektive von noch mindestens vier Jahren aus."  

Eine bunte Attraktion im Posthallen-Angebot:  Indoor-Minigolf mit 3D-Effekten und Schwarzlicht. Foto: Thomas Obermeier
| Eine bunte Attraktion im Posthallen-Angebot:  Indoor-Minigolf mit 3D-Effekten und Schwarzlicht. Foto: Thomas Obermeier

Programm zum Tag der offenen Posthallen  

So bunt und unterschiedlich wie die Mieter ist das Programm zum ersten "Tag der offenen Posthallen" am Mittwoch, 3. Oktober, von 13 bis 18 Uhr.          
Beim Blick hinter die Kulissen gibt es zahlreiche Angebote, darunter Führungen im Bühnen- und Backstage-Bereich sowie bei der Schwarzlichtfabrik, Tanz-Workshops, Gewinnspiele, Flohmarkt, Einblicke in die Fotografie, einen Auftritt des Jugendkulturpreisträgers Adrian Millar, Autogrammstunde mit der Kinder-Rockband Heavysaurus und weitere Attraktionen für kleine und junge Besucher.         
Mit dabei sind: Posthalle Würzburg, Jugendclub Immerhin, Studio108 (Yoga-& Kampfkunst), Pole-Heaven, SG Records, Kommunikationsdesign Rojas, Kapuze Grafikdesign,  Schwarzlichtfabrik/Pit-Pat Wonderland, Todoroki Wadaiko - Japanische Trommelkunst, B-HOF (Projekt „Integratives Skaten“), Musikbahnhof 98 e.V., LaserTag,  RoomEscape,  JJB Sound, Fotostudio Blende72, KDS-Tanzschulen.
 
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Kommentare
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  • harryamend@outlook.de
    Von bedrohten Mikrokosmos kann keine Spur sein, eher wo sich am Wochenende der Pöbel trifft. Mit keinen einzigen Wort wird der Müll und die Hinterlassenschaften rund um das Areal erwähnt nach einer Party. Wir haben da schon selbst Leute beim Wildbisseln erwischt. Wir sind froh wenn sie weg ist endlich.
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  • jojo@posthalle.de
    ...da scheint ja jemand aus eigener Erfahrung zu sprechen... ;D
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