Über eine Million Menschen sind in den vergangenen zehn Jahren in die Posthallen gekommen. Zu Konzerten, Messen, Public Viewing und mehr. Einen Blick hinter die Kulissen des ehemaligen Briefsortierzentrums der Post können Besucher erstmals jetzt bekommen - bei einem "Tag der offenen Posthallen" am Mittwoch, 3. Oktober.
Diese Aktion hat nicht allein mit dem zehnten Geburtstag des Hallen-Projektes zu tun, sondern auch mit dessen möglichem Ende. Auf dem Areal neben dem Bahnhof soll das Bismarck-Quartier mit Wohnungs-, Büro- und Hotelbauten entstehen. Ein Alternativ-Standort für das Kreativ- und Kulturzentrum ist nicht in Sicht, geschweige denn, in der öffentlichen Diskussion.
Über 50 lokale Bands proben im Betonklotz
Dieser Umstand ist auch ein Anlass für den "Tag der offenen Posthallen", sagt Joachim "Jojo" Schulz. Der 46-jährige Sozialpädagoge, Konzert und Event-Manager und SPD-Stadtrat hat die 3000 Quadratmeter große Halle 2006 für Konzerte und größere Veranstaltungen entdeckt und bekannt und interessant gemacht - auch für viele Kultur- und Kreativschaffende, die sich mittlerweile in dem Betonklotz eingemietet haben.
Neben Hauptmieter Posthalle GmbH sorgen 35 weitere Nutzer für ein buntes Treiben: Clubs wie der Jugendtreff "Immerhin", Studios für Fotografie, Fitness oder Tatoo, Ateliers, Proberäume für über 50 lokale Bands sowie Spielangebote wie 3D-Minigolf oder LaserTag - und und und. Ein Mikrokosmos mit Großstadtflair.
"Es ist an der Zeit, einmal zu zeigen, welches kreative und kulturelle Potenzial sich hier angesiedelt hat", erklärt Schulz den Posthallen-Tag, für den er einen prominenten Unterstützer gefunden hat. Oberbürgermeister Christian Schuchardt hat die Schirmherrschaft übernommen. Warum? „Das Programm ist ansprechend, der Tag der offenen Posthallen ein schöner Beitrag in Würzburgs kulturellem Leben", sagt der OB, was Schulz "sehr freut". Noch mehr freuen würde es Schulz, wenn die Zukunft des Posthallen-Mixes verstärkt in den Fokus rücken würde: im Rathaus und in der Öffentlichkeit. Bislang haben nur der Dachverband freier Kulturträger und die Grüne Jugend Ersatzlösungen nach dem Wegfall des kulturellen und subkulturellen Zentrums gefordert.
Vor zwei Jahren hat Schulz dem OB und StadträtenPläne für eine neue Halle an der Friedensbrücke präsentiert. Die Resonanz sei positiv gewesen, sagt Schulz. Mehr aber auch nicht: "Positioniert hat sich dazu bislang keiner." Und die geplante Multifunktionsarena am Bahnhof kann laut Schulz kein Ersatz sein, da sie das Segment ab 3000 Besuchern bediene, die Posthalle dagegen den Bereich für Veranstaltungen von 200 bis 3000 Besuchern.
"Die Posthalle ist mehr als ein Veranstaltungsort und kommerzieller Betrieb. Sie ist ein unverzichtbarer Teil der Kulturlandschaft und kompensiert ohne öffentliche Förderung an vielen Stellen auch eine fehlende Stadthalle", sagt Schulz. Um diese Botschaft und Alternativlösungen zu forcieren, hat sich vergangenes Jahr der "Förderverein zur Unterstützung der kulturellen Vielfalt der Posthalle" gegründet, dem auch prominente Vertreter des Stadtlebens angehören.
Der Förderverein veranstaltet mit dem Förderverein des Jugendclubs Immerhin den Posthallen-Tag. Das Immerhin, Träger ist die Diakonie, war vor sieben Jahren der erste Mieter nach Schulz. Mit eingefädelt hat das Horst Porkert, einer von 20 bis 25 Ehrenamtlichen des Immerhin. Im Posthallen-Keller gibt's dort über 100 Konzerte im Jahr, dazu Kneipenbetrieb und Parties.
Ein kreatives Mit- und Nebeneinander in einer "Hammer-Lage"
Porkert, Kulturmedaillen-Träger, Plattenladenbetreiber und Konzertveranstalter, würde es sehr bedauern, wenn die ganze Posthallenszene "mit einem Schlag weg" wäre "in dieser Hammer-Lage". Porkert gefällt das kreative Neben- und Miteinander, auch wenn sich Yoga-Leute mal über zu laute Musik beschweren. Seine Vision, die Posthallen wie den Nürnberger Z-Bau, ein buntes Kulturzentrum in einer alten Kaserne, zu gestalten, wird wohl nicht verwirklicht.
"Ein perfekter Standort", sagt Anna Gottwald vom Betreiberteam der Schwarzlichtfabrik, die Spieleangebote wie 3-D Minigolf und ein Rätsel-Kabinett in den Posthallen offeriert. Bis zu 400 Besucher kommen an guten Tagen. Gottwald lobt das gute Verhältnis zu den Mitmietern und bedauert schon jetzt: "Solche Voraussetzungen wie hier werden wir wohl nicht wieder bekommen."
Es gibt viele offene Fragen zur Zukunft von "Frankens größtem Kreativquartier", wie Posthalle-Chef Schulz das Areal bezeichnet. Wie lange es das bunte Treiben in dem grauen Betonklotz am Bahnhof noch gibt? Schulz: "Wir gehen fest von einer Perspektive von noch mindestens vier Jahren aus."