Die Situation in den Pflegeeinrichtungen ist wegen der Corona-Pandemie derzeit besonders angespannt. Nun hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern beschlossen, seine Qualitätskontrollen in Pflegeeinrichtungen bis Ende Mai einzustellen. Das soll dabei helfen, das Personal in den Heimen zeitlich zu entlasten. Auch die Hausbesuche des MDK, bei denen der Pflegegrad von älteren Menschen festgestellt wird, fallen aus. Stattdessen will der MDK diese Infos über Fragebogen und telefonische Interviews sammeln. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass sich ältere Menschen mit dem Virus anstecken.
Schraml fordert: Pflegekräfte des MDK sollen einspringen
In Würzburg werden nun Stimmen laut, die sich wünschen, dass der MDK seine Pflegekräfte zur Hilfe in den Pflegeheimen bereitstellt. In einer E-Mail an den Medizinischen Dienst schrieb Alexander Schraml, Geschäftsführer der Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg, dass dieses Personal dringend benötigt werde. Dabei setzte er zahlreiche Politiker und Medienhäuser aus der Region mit der Bitte um Unterstützung in Kopie.
"Es gibt nichts, das mehr Priorität hat, als das Wohl unserer Pflegeheimbewohner", sagt er auf Anfrage. Viele Mitarbeiter des Medizinischen Diensts arbeiteten laut Schraml früher in Pflegeeinrichtungen. "Diese Kräfte könnte man nun reaktivieren, wenn der MDK seine Arbeit einstellt." Bei der AWO Unterfranken sehe man das genauso, sagt Ulrike Hahn, Bereichsleitung Senioren und Rehabilitation. "Das wäre ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Pflegekräften."
Auch Annette Noffz, Direktorin der Stiftung Bürgerspital in Würzburg, sagt, dass sie den Appell an den Medizinischen Dienst unterstütze. "Das sind ausgebildete Leute, die die Risiken einschätzen können." Zum Bürgerspital gehört auch das Seniorenheim Ehehaltenhaus/St.Nikolaus, wo bereits vier Senioren am Coronavirus gestorben sind.
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Auch Rolf Müßig, Geschäftsführer der Arche in Würzburg, fordert eine Unterstützung vom Medizinischen Dienst. Die Arche, eine Einrichtung der Diakonie, betreibt in Würzburg und Umgebung sieben Wohn- und Pflegeheime mit insgesamt 245 Bewohnern. „Die Gutachter des MDK sind gut ausgebildete Pflegefachkrafte. Die wären für mich die Reserve, die wir dringend brauchen, wenn wir Mitarbeiter heimschicken müssen“, so Müßig. Noch sei man Herr der Lage. Seine Mitarbeiter seien angespannt, aber sehr motiviert. Trotzdem bereite ihm der Gedanke an weiter steigende Infektionszahlen schlaflose Nächte, sagt Müßig.
Der MDK ist bereit zu helfen – und dämpft Erwartungen
Der MDK Bayern sei sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung in Zeiten der Corona-Pandemie bewusst, erklärt Johanna Sell, Leiterin des Bereichs Pflege beim MDK. "Es kann aber nicht sein, dass jetzt ausgerechnet die Einrichtungen Hilfe bekommen, die als Erstes und am Lautesten schreien." Es brauche stattdessen eine von der bayerischen Staatsregierung gesteuerte Aktion. "An dieser werden wir uns selbstverständlich beteiligen." Nur die Katastrophenschutzbehörden können laut Sell einschätzen, wo genau und in welchem Umfang personelle Unterstützung notwendig ist.
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In Bayern hat der MDK 500 Pflegekräfte im Einsatz. Sell: "Wenn alle unsere Pflegekräfte nun Katastrophenhilfe leisten müssen, gäbe es niemanden mehr in Bayern, der den Pflegegrad der Menschen feststellen kann." Ohne die Gutachten, die momentan telefonisch erstellt werden, könne aber auch niemand mehr Pflegeversicherungsleistungen beantragen. Bayernweit seien es daher maximal 50 Pflegekräfte, die durch die entfallenden Qualitätsprüfungen in Heimen zur Verfügung stünden. "Wird werden nicht die Welt retten können, aber wir werden unseren kleinen Beitrag dazu leisten."
Keine Pause für Pflegepersonal in Sicht
Darüber hinaus könnten Medizinstudenten und medizinische Fachkräfte der Bundeswehr eine wesentliche Unterstützung sein, erklärt Sonja Schwab, Fachbereichsleiterin Gesundheit und Alter beim Caritasverband für die Diözese Würzburg. Die Caritas hat in Unterfranken rund 120 Einrichtungen der Altenhilfe. Bei der Verteilung von weiterem Personal brauche es eine regionale Koordination, so Schwab, kein Gießkannensystem. "Die Unterstützung muss dort angekommen, wo sie gebraucht wird."
Vor allem dürfe die Hilfe nicht erst dann greifen, wenn es zu vielen Ausfällen aufgrund von Erkrankung kommt, sagt sie. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten jetzt Zeiten der Erholung geschaffen werden. "Sie müssen weiter arbeiten, wenn die Krise überstanden ist, sie werden keine Zeit zum Durchatmen bekommen." Mitarbeit: Gerhard Meißner