
"Bewusste Falschdarstellungen, Lügen, Verdrehungen, Diffamieren, Stigmatisieren sind auf der Tagesordnung. Ihre 'Kommentare' sind größtenteils kriminell und irreführend. (...) Die völlig wahnsinnig gewordene 'Ampel' hofieren Sie noch, anstatt den Volks- und Hochverrat anzuprangern. (...) Sie sind ein Handlanger des Bösen."
Das sind Auszüge aus einem anonymen Brief an die Chefredaktion der Main-Post aus dem Mai 2023. Täglich erreichen uns Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern. Manchmal weisen sie uns auf Fehler hin, geben Anregungen oder stellen Fragen. Häufig laden Menschen in Briefen und Mails aber auch ihre Wut ab und äußern ihr Misstrauen der Reaktion gegenüber. Chefredakteur Ivo Knahn antwortet auf die häufigsten Vorwürfe der Leserinnen und Leser.
1. Ihr Journalisten seid doch alle gleich: links-liberale Akademiker
Die Aussage ist falsch, hat aber meiner Meinung nach wahre Ansätze: Der Journalismus, auch unserer, ist nicht divers genug und oft zu akademisch. Eine Reihe von Umfragen und Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass deutsche Journalistinnen und Journalisten in Summe weiter links stehen als die Gesamtbevölkerung. Wie stark diese Abweichung ist und welche Auswirkungen das auf den Journalismus hat, darüber lässt sich streiten.
Christian Pieter Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig, beschrieb 2021 in einem Gastbeitrag für medienpolitik.org, dass in Chefredaktionen linke Positionen weniger stark ausgeprägt seien als bei Redakteurinnen und Redakteuren. Seiner Ansicht nach seien Verlegerinnen und Verleger "in vielen Fällen in der politischen Mitte verankert, manche sogar möglicherweise etwas rechts davon".
Aber was heißt das für die Main-Post? Die Chefredaktion fragt bei Einstellungsgesprächen nicht nach der politischen Haltung. Wenn erkennbar ist, dass jemand politisch aktiv war, sprechen wir über die Konflikte, die daraus entstehen können. In den vergangenen zwei Jahrgängen der Volontäre (Redakteurinnen und Redakteure in der Ausbildung), gab es beispielsweise zwei solcher Fälle: Eine Bewerberin war früher Parteimitglied der Grünen, hat ihre Mitgliedschaft aber aus persönlichen Gründen aufgegeben. Ein anderer Kandidat war stellvertretender Bürgermeister in einer Gemeinde im Landkreis Würzburg und ist Mitglied der CSU. Beide arbeiten heute als Volontärin bzw. als Redakteur für unsere Redaktion.

Als Chefredakteur empfehle ich jedem Redaktionsmitglied, kein Parteibuch zu haben, weil man sich damit auch dann angreifbar macht, wenn man ausgewogen über politische Themen berichtet. Andererseits kann auch jeder und jede ohne Parteibuch unausgewogen berichten. Tatsächlich werfen uns Leserinnen und Leser Parteilichkeit in alle Richtungen vor. Manchmal sind wir "links-grün-versifft", manchmal machen wir "faschistischen Journalismus" oder "bereiten dem braunen Pack den Boden". Im Mai schrieb mir Leser Konrad A.: "Bei Ihrer überregionalen politischen Berichterstattung erkennt man eindeutig, dass Ihre Mediengruppe eher der Union und der FDP zugetan ist."
Aber was stimmt denn nun? Meiner Erfahrung nach, beurteilen uns Leserinnen und Leser häufig aufgrund einzelner Beiträge anstatt über einen längeren Zeitraum. Und ich denke, alle haben Recht: Aus ihrer ganz persönlichen politischen Haltung heraus, ist unserer Berichterstattung mal "zu rechts" oder "zu links" oder "zu irgendwas".
Für uns sind diese Wiedersprüche ein Hinweis darauf, dass wir am Ende wahrscheinlich doch ausgewogen und überparteilich berichten - wie wir es in unseren Leitlinien versprechen.
2. Ihr geht nur nach Klicks!
Würden wir "nur nach Klicks" gehen, hätten wir ein sogenanntes Reichweitenportal geschaffen. Diese Portale tun alles dafür, dass möglichst viele Menschen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum Inhalte nutzen. Dabei sind Inhalte frei zugänglich, häufig locken Polizeimeldungen und leichte Boulevard-Themen auf die Angebote. Durch mehr Zugriffe werden mehr Erlöse durch Werbung erzielt - das ist das einzige Geschäftsmodell dieser Portale.

Auf mainpost.de ist unser erstes Ziel, Leserinnen und Leser aus der Region als zahlende Kunden zu gewinnen. Wir konzentrieren uns auf regionale Inhalte und betreiben hohen Aufwand für Beiträge. Auch dann, wenn wir wissen, dass ein Beitrag nicht viele Menschen erreicht, er aber für das Leben in der Region von Bedeutung ist.
Richtig ist, dass wir messen, wie viele Menschen auf mainpost.de einen Beitrag lesen, wie viel Zeit sie mit ihm verbringen, ob sie ihn bis zu Ende lesen und wie viele Menschen ihn kommentieren oder weiterempfehlen. Der Redaktion gibt das Nutzungsverhalten einen Hinweis darauf, ob wir mit unseren Inhalten passende Themen in passendem Format anbieten. Passend in dem Sinne, dass unsere Beiträge für das Leben der Leserinnen und Leser eine Relevanz haben.
3. Euch wird vorgeschrieben, was ihr zu schreiben habt
Vor einigen Jahren beschwerte sich ein Leser beim Landratsamt Schweinfurt über unsere Berichterstattung. Er dachte offenbar tatsächlich, das Landratsamt könne uns Vorgaben machen. Uns in der Redaktion ist es ein Rätsel, woher diese Denk- und Sichtweise kommt. Unabhängigkeit ist der zentrale Wert unseres Journalismus.
Ein Beispiel: Vor einigen Jahren hat ein Sportverein von uns gefordert, dass wir einen anderen Reporter schicken, weil sie die aktuelle Berichterstattung als zu kritisch empfanden. Wir haben unseren Reporter nicht ausgetauscht, der Verein hat eingelenkt. Weder Politik, noch Werbekunden noch irgendeine andere Interessenvertretung kann der Redaktion Vorgaben machen.

Und auch intern: Noch nie habe ich erlebt, dass eine Verlegerin oder ein Geschäftsführer sich in die inhaltliche Arbeit einmischt. Alleine die Chefredaktion ist verantwortlich für die Veröffentlichungen. Und selbst innerhalb der Redaktion gibt es Meinungsfreiheit: Weder der Chefredakteur noch andere Führungskräfte geben Meinungen vor oder verhindern diese, solange sie sich im Rahmen der demokratischen Grundwerte bewegen.
Folgendes Beispiel zeigt, wo die Grenzen liegen: Ärger bekam ein Reporter, als er während der Coronapandemie in einem Kommentar argumentierte, es sei an der Zeit das Versammlungsrecht und das Recht auf Meinungsäußerung einzuschränken. Er musste mehrere Monate lang jeden Kommentar beim Chefredakteur freigeben lassen, nachdem er auch im persönlichen Gespräch nicht verstanden hat, wie problematisch seine Forderung war.
4. Ihr traut euch ja nicht an die richtigen Missstände ran.
Im Alltag erleben wir meist das Gegenteil: Eine Reihe von Menschen will lieber verhindern, dass wir recherchieren, oder macht es uns schwer an Informationen zu kommen. Ob es um Mietbetrug, mutmaßliche Steuerhinterziehung, Versäumnisse bei der Trinkwasserversorgung oder die Machenschaften bei Go&Change in Lülsfeld geht: Menschen, immer wieder auch Lokalpolitiker, empfinden es häufig als unangenehm, wenn wir kritische Fragen stellen und damit möglicherweise Unruhe in die Gemeinde oder die Behörde bringen.
Für unsere Redaktion gibt es keine Tabuthemen. Dennoch kann es sein, dass Leserinnen und Leser andere Dinge als "Missstand" einordnen als die Redaktion. Wenn Sie ein kritisches Thema entdecken, dass wir Ihrer Meinung nach übersehen, dann melden Sie sich in der Redaktion.
5. Im Sport interessieren euch doch eh nur die Kickers!
Der Vorwurf suggeriert - unabhängig von den Kickers -, dass die Redaktion nur berichtet, was sie selbst interessiert. Das wäre inhaltlich dumm und am Ende auch wirtschaftlich fahrlässig. Wir wollen Interessen der Leserinnen und Leser bedienen, nicht unsere. Fußball ist mit Abstand die beliebteste Sportart. Je höherklassiger er ist, desto höher ist das Interesse.
Für die Region bedeutet das, dass die Würzburger Kickers der Verein sind, für den sich mit Abstand am meisten Menschen interessieren. Auch der TSV Aubstadt und der FC 05 in Schweinfurt können da nicht mithalten, obwohl alle drei Teams inzwischen wieder in derselben Liga spielen. Vermutlich auch deshalb, weil die Kickers in den vergangenen Jahren die wildeste Reise hinter sich und die prominentesten Köpfe an Bord hatten. Das tatsächliche Interesse der Leserinnen und Leser spiegelt sich auch im Umfang der Berichterstattung wider.

Ein Vergleich, der beispielhaft für viele andere Sportarten steht: In Bad Königshofen spielt eine unglaublich engagierte Mannschaft in der ersten Bundesliga Tischtennis. Es gelingt uns nicht, mit der Berichterstattung über Tischtennis eine breitere Leserschaft zu gewinnen. Dennoch berichten wir, aber weniger und in der Zeitung oft nur im Lokalteil.
Kritiker und Kritikerinnen sagen, das Interesse an anderen Sportarten würde sich ändern, wenn wir mehr und prominenter berichten würden. Unsere Erfahrung zeigt, dass das nicht viel verändert. Neben vielen anderen Faktoren, spielt sicher auch die Verankerung der Sportarten in der Gesellschaft eine Rolle: Laut Statista hatte der Deutsche Tischtennis-Bund im Jahr 2022 506.000 Mitglieder. Der Deutsche Fußballbund hatte 7,2 Millionen.