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Würzburg
Möglicher Mietbetrug in Würzburg: Vermieter beharrt darauf, dass das Jobcenter von falschen Angaben gewusst habe
Ein Vermieter soll falsche Angaben zu Wohnungsgrößen gemacht und so zu viel Miete abgerechnet haben. Vor Gericht betont er, dass das Jobcenter davon gewusst habe.
Im Fall des mutmaßlichen Mietbetrugs erheben Vermieter und Verwalter einen schweren Vorwurf: Wusste das Jobcenter von den falschen Quadratmeterangaben?
Foto: Daniel Peter | Im Fall des mutmaßlichen Mietbetrugs erheben Vermieter und Verwalter einen schweren Vorwurf: Wusste das Jobcenter von den falschen Quadratmeterangaben?
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:24 Uhr

Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber hatte es im November 2022 bereits angekündigt: Das Jobcenter will sich nicht mit einem Urteil abfinden, mit dem das Amtsgericht Würzburg Klagen des Jobcenters (gemeinsame Einrichtung der Stadt und der Bundesagentur für Arbeit) gegen einen Würzburger Vermieter abgewiesen hat. Dabei war es um Vorwürfe gegangen, nach denen der Vermieter seit Jahren systematisch und im großen Stil Mieten beim Jobcenter falsch abgerechnet haben soll.

Verstoß gegen die Mietpreisbremse und Mietwucher lauten die Vorwürfe in den drei Verfahren der Berufungsverhandlung, die am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verhandelt wurden. Konkret geht es um drei Wohnungen, deren Mietbescheinigungen höhere Quadratmeteranzahlen aufweisen, als es tatsächlich der Fall sein soll.

Mit Urteil vom 7. November hat das Gericht die Klagen als unbegründet abgewiesen

Zum Hintergrund: Im März 2022 hatte diese Redaktion über den Würzburger Vermieter berichtet. Der Mann, damals Besitzer von 14 Häusern, hatte dem Jobcenter offenbar mehrfach zu hohe Quadratmeterzahlen von Wohnungen für Sozialhilfeempfänger mitgeteilt.

Nach der Berichterstattung erstattete die Stadt Würzburg Strafanzeige. Die Ermittlungen dazu dauern noch an, teilt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Aus ermittlungstaktischen Gründen seien derzeit keine weiteren Auskünfte möglich.

Davon unabhängig reichte das Jobcenter Würzburg Zivilklagen ein. Das Jobcenter verklagte den Vermieter und beantragte die Rückzahlung überzahlter Mieten für zwei Wohnungen. Mit Urteil vom 7. November 2022 hat das Amtsgericht die Klagen als unbegründet abgewiesen. Im Mietvertrag sei von der Quadratmeterzahl keine Rede gewesen, heißt es. Zwischen den Vertragspartnern habe es also keine schriftliche Vereinbarung über die Wohnfläche gegeben. 

Vermieter und Verwalter geben falsche Quadratmeterangaben offen zu

Nun ging es zweitinstanzlich vor dem Landgericht um die Vorwürfe Verstoß gegen die Mietpreisbremse, Mietwucher und Betrug. Mietpreisbremse bedeutet, dass – mit Ausnahmen – bei Neuvermietung der Mietzins nur zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Von Mietwucher wiederum wird gesprochen, wenn die verlangte Miete mehr als 150 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt.

Das Jobcenter Würzburg durfte für Wohnungen (Stand 2021) bis 30 Quadratmeter bisher maximal 13 Euro pro Quadratmeter zahlen. Seit Januar 2023 wurde der Betrag auf 16,20 Euro erhöht. Ein Mitarbeiter des Jobcenters, der als Zuhörer anwesend war, erklärte auf Nachfrage des Richters, dass diese Beträge die Stadt Würzburg festlege. "Wir bekommen die Anweisung vom Sozialreferat. Wir vollziehen nur."

Für diese festgelegten Beträge des Jobcenters wären die Wohnungen des Vermieters zu teuer. Deshalb wurden in den Mietbescheinigungen mit Absicht falsche Quadratmeterangaben gemacht, um den Quadratmeterpreis zu verringern. Das geben Vermieter und Verwalter offen zu. "Mein Fokus liegt darauf, jedem eine Chance zu geben", erklärt der Verwalter. Er habe ein "sehr gemischtes Mieterklientel". 15 bis 20 Prozent der Mieterinnen und Mieter seien Sozialhilfeempfänger.

Hat das Jobcenter von den Falschangaben gewusst? Das behaupten Vermieter und Verwalter

Der Vermieter beharrt darauf, dass das Jobcenter über die falschen Quadratmeterangaben Bescheid wusste: "Das ist ein offenes Geheimnis." Sein Verwalter geht noch weiter. Seit 2017 arbeitet er in Festanstellung für den Vermieter, 325 Würzburger Wohnungen verwaltet er dabei. "Das Jobcenter hat mir gesagt, ich soll mehr Quadratmeter angeben. Es sei froh, wenn seine Mandanten überhaupt eine Wohnung bekommen. Das prüfe eh keiner nach", erklärte der 40-Jährige im Zeugenstand.

"Zwei bis vier Mal" hätten verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters dies ihm gegenüber in Telefongesprächen gesagt. An Einzelheiten, wann die Telefonate stattgefunden haben, wie die Personen hießen und um welche Wohnungen es sich dabei handelte, daran könne er sich jedoch nicht mehr erinnern.

Main-Post-Quelle hatte 2022 berichtet, dass das Jobcenter von falschen Angaben gewusst habe

Er habe auch in den Jahren danach falsche Quadratmeterangaben auf die Mietbescheinigungen geschrieben, sagte der Verwalter vor dem Landgericht. Irgendwann unterbrach ihn der Richter: Er solle als Zeuge nicht weiter aussagen, er könne sich sonst strafbar machen. 

Bereits im Oktober 2022 berichtete diese Redaktion über eine ehemals beim Jobcenter beschäftigte Person. Man habe beim Jobcenter Bescheid gewusst, dass der Vermieter falsche Quadratmeter angebe und es sei auch aufgefallen, wenn die Mieten immer genau so berechnet waren, dass sie vom Jobcenter noch getragen wurden, sagte die Person, die anonym bleiben möchte.

Man müsse die Rolle des Jobcenters verstehen, hieß es in der an Eides statt versicherten Aussage der Person weiter: Der sozialverträgliche Wohnungsmarkt in Würzburg sei sehr angespannt und dadurch sei die Situation für die Jobcenter sehr schwierig. "Man will den Wohnungssuchenden die Wohnung nicht verwehren, wenn sie endlich eine gefunden haben und ein einzelner Mitarbeiter kann da auch nichts tun."

Jobcenter-Anwalt: Das Amt hat keine Kenntnis von falschen Quadratmeterangaben

Es steht Aussage gegen Aussage. Rechtsanwalt Tobias Beckmann aus Hamburg vertritt die Stadt Würzburg in der Sache. Er habe keine Hinweise darüber, dass Mitarbeitende des Jobcenters von den falschen Quadratmeterangaben wussten, erklärte er. "Das ist kein offenes Geheimnis." Er habe mehrere Gespräche mit dem Jobcenter geführt, dabei hätte niemand behauptet, davon gewusst zu haben.

Anwalt Beckmann soll nun die sogenannten Richtlinien für die Erbringung der Kosten der Unterkunft in der Stadt Würzburg dem Richter nachreichen. Anschließend soll ein Sachverständiger die genauen Quadratmetergrößen in den Wohnungen messen.

 
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    Gefängnis! Rein u. nicht mehr raus. Betrug ist Betrug! Und wenn evtl. noch 25 Jahren.
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  • H. S.
    Das Ganze zeigt nur auf, dass dieses System einfach nicht funktioniert!
    Der Vermieter einer Wohnung macht das ja nicht aus Langeweile, sondern:
    Die Miete für die Wohnung soll die laufenden Kosten abdecken, und natürlich auch eine gewisse Rendite erwirtschaften. Tut sie das nicht, müsste der Vermieter sie sinnvollerweise aufgeben.
    Die Bundesagentur hingegen steht unter dem Druck, Ihren Mandanten eine Wohnung finanzieren zu können, um zu vermeiden, dass die unter der Löwenbrücke leben müssen.

    Da entsteht ein gewisser Konflikt.
    Dass es da ein derartiges "Gentlemen-Agreement" gibt, über das man nicht öffentlich spricht, halte ich nicht für ausgeschlossen. Natürlich weiß davon heute keiner mehr was...
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  • S. K.
    ein Rechtsanwalt aus Hamburg!!!

    haben wir hier keine fähigen in der Nähe?
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  • N. T.
    Man wird halt keinen RA aus Würzburg finden, der auf seine Reputation bei Gericht bedacht ist, die hanebüchenen Begründungen der Stadt zu vertreten.
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  • C. B.
    …Das Jobcenter will sich nicht mit einem Urteil abfinden…. Übersetzt wir wollen unsere Inkompetenz nicht akzeptieren und wollen versuchen die Schuld beim Vermieter zu suchen…
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  • H. S.
    Bitte spezifizieren Sie ihr Kritik, wenn Sie der Redaktion vorwerfen nicht wahrheitsgemäß zu berichten.
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  • H. A.
    Welche Inkompetenz denn, nur weil ein Vermieter und Verwalter was behaupten? So einfach ist das nicht.
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  • M. F.
    Wohnungen gehören grundsätzlich alle dem Markt entzogen und Genossenschaften übereignet. Die ganzen Vermieter sind dochh alle nur total raffgierig. Die wissen doch gar nicht mehr wohin mit ihrer ganzen Kohle. Da wird das 20te Haus gekauft. Das 5te Auto usw. Nur das das Geld ja nicht durch deren Leistung zustande kommt.
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    na dann sehen Sie mal zu, dass Sie auch Vermieter werden.
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  • G. L.
    Naja, seine Eltern kann man sich halt nicht aussuchen. Das dürfte den meisten Vermietern zu Eigentum verholfen haben.
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  • O. B.
    @Mainkommentar: Ihr Statement ist nicht nur falsch weil verallgemeinernd, sondern auch eine Beleidigung für die vielen (vor allem privaten, kleinen) Vermieter, die es tatsächlich noch gibt. Und kommen Sie nicht mit der billigen Ausrede daher, die hätten Sie doch gar nicht gemeint. Mit dem Satzanfang "Die ganzen Vermieter ..." sind alle ohne Ausnahme eingeschlossen.
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  • M. R.
    Grundsätzlich ist es wurscht, ob das jemand aus der Stadt Würzburg das zugeflüstert habe. Es gibt scheinbar kein schriftlichen Beweis und wenn der Vermieter dann mit Absicht die Falschaussagen aufschreibt, naja, dann nennt man es eben Betrug.
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