Die Nadel ist bereit und Maximilian Hartmann auch. Die Tätowiererin Denise Mittnacht setzt die Nadel an, es surrt, ein bisschen Blut fließt aus der frischen Wunde und schon ist es vorbei. Nicht länger als 15 Minuten hat das kleine Kreismotiv auf Hartmanns Oberarm gedauert. Das Tattoo ist ein Statement, eine Willenserklärung, die ihn als Organspender kennzeichnet. Die Frage zu beantworten, weshalb er sich dazu entschieden hat, fällt ihm leicht: "Um kein Egoist zu sein, weil es wichtig ist, um Menschenleben zu retten" erklärt Hartmann nüchtern.
Die Organisation Junge Helden starten die Tattoo-Kampagne
"Get inked, give life"- So heißt die Kampagne, die die Organisation Junge Helden in Braunschweig am Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen hat. Ein Tattoo, das Menschenleben rettet. Es symbolisiert den Willen der Person, im Todesfall als Organspender zur Verfügung zu stehen. Das minimalistische Motiv besteht aus zwei verbundenen Halbkreisen, die zusammen zu einem Kreis werden. Die Form soll ein Akronym für das englische "Organ Donor", also Organspender, darstellen. Die Kampagne soll ein Zeichen setzen, Gespräche starten. Das ist zumindest Hartmanns Ziel: "Die Reichweite des wichtigen Themas nochmal erhöhen, um mehr Leute darauf aufmerksam zu machen." Das wünscht er sich mit seinem Tattoo.
Mitmachen können alle Tattoo Studios in Deutschland, die sich bereiterklären, das Tattoo kostenlos zu stechen. Auch die Tattoo-Artistin Denise Mittnacht hat sich dazu entschlossen. Ihr Tattoo Studio Problemchild Ink. in Grombühl ist bisher das einzige Studio in Würzburg, das das Motiv sticht. "Viele Menschen haben das einfach nicht auf dem Schirm", sagt sie. "Man kann sich die Organspendeausweise ja nicht einfach im Supermarkt holen, und mit so einem Tattoo macht man doch alle darauf aufmerksam", erklärt die 29-Jährige.
Mittnacht hat selbst nur durch Zufall von der Aktion erfahren: "Meine Tante hat mich darauf aufmerksam gemacht. Sie hat das online gesehen, und dann habe ich gar nicht lange rumgefackelt und das auch hier in meinem Studio ins Leben gerufen!" Mit einer derartigen Resonanz hatte die Tätowiererin allerdings nicht gerechnet. "Die Nachfrage ist extrem hoch, am ersten Tag waren es locker 30 Nachrichten, und es werden jeden Tag mehr." Erstaunt hat sie, wie gut das Tattoo bei den Würzburgern ankommt: "Da meldet sich jeder, von der 18-jährigen Studentin bis zum 45 Jahre alten Professor."
Organspende ist immer noch ein großes Problem in Deutschland
Ungefähr 8500 Patientinnen und Patienten stehen, laut der deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), derzeit in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Im Jahr 2022 gab es allerdings nur 869 Menschen, die Organe nach ihrem Tod gespendet haben. Das liegt unter anderem daran, dass insgesamt nur 40 Prozent der Deutschen überhaupt einen Organspendeausweis besitzen und im Zweifel immer die Angehörigen entscheiden müssen.
Das Tattoo an sich könne den Organspendeausweis nicht ersetzen, da es nicht rechtsbindend sei, erklärt Dr. Anna Laura Herzog, die Leiterin des Transplantationszentrums in Würzburg. Dennoch sieht sie die Aktion überwiegend positiv: "Es setzt ein klares Zeichen. Und kann Angehörigen in dieser Ausnahmesituation die Entscheidung erleichtern." Außerdem zeige man mit dem Tattoo Flagge, was eine gute Sache sei.
Mittnacht will das Tattoo auf jeden Fall noch eine ganze Weile stechen: "Momentan ist noch kein Ende in Sicht. Ich finde die Aktion so gut, dass ich das Tattoo wahrscheinlich noch in einem Jahr anbiete", meint die Tätowiererin. Einen Termin bekomme man auch relativ schnell:" Man wartet nicht länger als drei Wochen auf einen Termin." Wer sich ein Tattoo stechen lassen will, könne ihr einfach eine Nachricht auf Instagram schreiben oder anrufen. Lediglich die Materialkosten von 20 Euro müsse man selber zahlen. Maximilian Hartmann jedenfalls gefällt sein neues Tattoo: "Ich finde es schön und bin damit mega zufrieden."
Im Artikel steht, daß das Tattoo den Ausweis nicht ersetzt. Der Titel lautet "Organspendeausweis als Tattoo ..."
Was soll das? Wir sind hier doch nicht bei Bild, oder?
Die Willensbekundung ist bei einem Tattoo nicht vom Entscheider selbst niedergeschrieben worden, sondern von einem Dritten.
Allein aufgrund eines Tattoos könne zudem nicht abgeschätzt werden, ob der zum Ausdruck kommende Wille überhaupt noch aktuell ist oder eine Meinungsänderung beim Verfügenden eingetreten ist, weil dieser es nicht selbst in der Hand hat, seine Willenserklärung selbst zu beseitigen.
Dort steht: "Das Tattoo ist ein Statement, eine Willenserklärung, die ihn als Organspender kennzeichnet. "
Die einzige die Information, die hier in die Haut gestochen wird, ist die, dass der Tätowierte überhaupt Organspender ist. Mehr nicht. Alle anderen Informationen müssen immer noch erstmal ermittelt oder woanders gespeichert werden.
Ich finde die Aktion super.
Ich war dieses Jahr schon mehrfach mit einem engen Angehörigen in Notfall- und Vertretungspraxen, und durfte die Krankengeschichte Mal für Mal auf' s Neue erzählen, weil ja kein Zugriff auf frühere Arztberichte bestand.
Was wäre gewesen, wenn der irgendwo bewusstlos aufgefunden worden wäre, ohne Angehörigen in der Nähe, der seine Vorgeschichte kennt?
Die Widerspruchslösung, die mal im Gespräch war, dass jeder, der nicht aktiv bei der Krankenasse widerspricht, automatisch Organspender ist, wäre schon gut gewesen. Aber da hat die Leiche einen besser Schutz, als Schwerkranke Menschen. Wenn man unerwartet (jung) stirbt, sollte das wenigstens einen kleinen Nutzen für jemand anderen haben.