Woran krankt die Organspende in Deutschland? Bis 2017 ist die Zahl der Spender auf einen Tiefstwert von nur noch 797 gesunken. Erst im vergangenen Jahr wurde erstmals seit langem wieder ein Zuwachs auf 955 registriert. Im europaweiten Vergleich rangiert Deutschland damit aber weiterhin am Ende.
Für mehr Organspenden soll das zum 1.April in Kraft getretene Transplantationsgesetz sorgen - es verbessert die Abläufe und die Finanzierung in den Kliniken. Außerdem soll der Bundestag im Herbst ein neues Gesetz beschließen, um mehr Organspender in Deutschland zu gewinnen.
Noch immer sind viele Menschen verunsichert, tut Aufklärung Not. Das zeigte sich auch bei der Telefonaktion der Main-Post mit vier Experten der Würzburger Uniklinik. Anlass war der Tag der Organspende an diesem Samstag. Die Hotline wurde gut genutzt, geduldig wurden alle Fragen von diesen Ärzten beantwortet: Dr. Anna Herzog, geschäftsführende Ärztin des Transplantationszentrums am Uniklinikum und Transplantationsbeauftragte, Dr. Kai Lopau (Leiter des Nieren-Transplantationsprogramms), Dr. Johan Lock (Oberarzt der Transplantation- und Hepatobiliären Chirurgie) und Prof. Ivan Aleksic (Leiter des Herztransplantations- und Kunstherzprogramms). Hier eine Übersicht der wichtigsten Fragen und Antworten.
Ich möchte Organspender werden. Gibt es Ausschlussgründe, warum ich nicht in Frage kommen könnte?
Grundsätzlich nein. Jeder ab 16 Jahren sollte einen Organspenderausweis ausfüllen und den eigenen Willen dokumentieren. Gegen eine tatsächliche Organspende können gesundheitliche Gründe sprechen – etwa eine nicht kontrollierte Krebserkrankung oder nicht behandelbare Infektionen. Dagegen sind chronische Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-/Lungenerkrankungen generell kein Ausschlussgrund.
Gibt es eine Altersgrenze für die Organspende?
Nein, es gibt keine Altersgrenze nach oben oder nach unten. Liegt die Zustimmung zur Organspende vor, wird in jedem Einzelfall die Eignung noch einmal geprüft. Es wurden schon erfolgreiche Transplantationen von über 90-jährigen Organspendern durchgeführt. Auch verstorbene Kinder kommen als Spender für kranke Kinder in Frage.
Wo sollte ich den Organspenderausweis aufbewahren?
Im Portemonnaie oder in der Brieftasche, weil im Ernstfall Angehörige, Ärzte oder im Zweifel auch die Polizei dort nachschauen würden. Bitte nicht zuhause in der Schublade aufbewahren! Zusätzlich sollte man zu Lebzeiten mit Angehörigen über die Organspende sprechen, damit sie den eigenen Willen kennen.
Kann ich bestimmte Organe von der Entnahme ausschließen?
Ja. Auf dem Organspenderausweis kann jeder genau festlegen, welche Organe er nach dem Tod spenden würde. Oder welche Organe nicht entnommen werden sollen. Auch ein kompletter Widerspruch kann dort angekreuzt werden. Der Ausweis sollte in jedem Fall ausgefüllt werden, schon als Entscheidungshilfe für die Angehörigen.
Werden mir als erklärtem Spender nach dem Tod die Organe in jedem Fall entnommen?
Nein. Zunächst wird geprüft, ob medizinischen Gründe gegen eine Entnahme sprechen. Es werden nur Organe entnommen, die für eine Transplantation geeignet sind und über Eurotransplant an einen passenden Empfänger vermittelt wurden. Insgesamt ist der Bedarf an Spendern sehr hoch. In Deutschland warten zurzeit rund 10.000 Patienten auf ein Organ.
Kann ich als Angehöriger trotz Organspende von dem Toten Abschied nehmen?
Eine Sterbebegleitung ist auf jeden Fall gewünscht und der Abschied kann auch noch einmal nach Organspende erfolgen. Nur bei der Organspende-Operation selbst kann kein Angehöriger dabei sein – wie bei anderen Operationen auch.
Kann nach der Organentnahme noch eine normale Bestattung stattfinden?
Der Leichnam ist nach einer Organentnahme äußerlich unversehrt. Jede Form der Beisetzung ist möglich.
Kann der Spender bei der Organentnahme noch Schmerzen haben?
Nein. Mit dem Hirntod ist der Tod des Menschen eingetreten. Schmerzen können nicht mehr empfunden werden. Reine Nerven- oder Muskelreflexe sind noch möglich.
Werden die Organe unter Narkose entnommen?
Bis zur Entnahme-OP werden Lunge- und Herzfunktion künstlich aufrechterhalten. Schmerzmittel oder Schlafmittel sind nicht erforderlich, da der Hirntod bereits eingetreten ist. Es werden lediglich Medikamente zur Muskelentspannung eingesetzt, um mögliche Körperreflexe zu unterbinden, die nicht durch das Gehirn gesteuert sind.
Macht es einen Unterschied, woher ich meinen Organspenderausweis habe?
Es gibt unterschiedliche Ausweise von verschiedenen Einrichtungen, zum Beispiel Krankenkassen, Behörden oder Initiativen. Gültig sind alle. Am gebräuchlichsten ist der Ausweis der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ausweise gibt es in Apotheken, Arztpraxen, Krankenkassen oder Krankenhäusern oder bei der Bundeszentrale (www.bzga.de).
Ich habe in meiner Patientenverfügung den lebensverlängernden Maßnahmen widersprochen. Kann ich dann überhaupt Organe spenden?
Eigentlich nein, weil bis zum Hirntod schon lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen wurden. Sie sollten in Ihrer Patientenverfügung ausdrücklich angeben, dass Sie Organe spenden möchten. Damit wird dieses Problem umgangen.
Habe ich einen Vorteil, wenn ich mich zur Organspende bereit erkläre?
Nein. Es gibt keinen finanziellen Ausgleich oder sonstige Kompensationen.
Können Angehörige von Organspendern den Empfänger kennenlernen?
Nein, jede Organspende ist anonym. Zurzeit ist eine Kontaktaufnahme grundsätzlich nicht möglich, über eine Gesetzesänderung wird aber nachgedacht.
Stimmt es, dass ich im Urlaub in anderen europäischen Ländern im Todesfall automatisch Organspender bin?
Ja, zum Beispiel in Ländern wie Österreich, Spanien oder Kroatien. Dort gilt wie in 20 weiteren EU-Ländern eine Widerspruchslösung.
Was halten die vier Experten von der Einführung einer Widerspruchslösung, wonach jeder grundsätzlich ein Organspender wäre?
Alle vier befürworten eine solche Gesetzesänderung, über die derzeit diskutiert wird und im Herbst entschieden werden soll. Mit der Widerspruchslösung wird jeder einzelne in die Pflicht genommen, sich zur Organspende zu positionieren und eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. Sie kann jederzeit wieder geändert werden. Die Erfahrung aus europäischen Ländern mit Widerspruchslösung zeigt: Es können damit mehr Menschenleben gerettet werden.