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Bad Neustadt
Tattoos retten Leben: Bad Neustädter Tätowier-Studio NadelNest sticht kostenlos Organspendeausweis in die Haut
Kampagne des Vereins "Junge Helden":  Junge Menschen dokumentieren durch ein Tattoo, dass sie Organspender sind. Madlen Wittmann aus Bad Neustadt unterstützt die Aktion.
In der Region bietet das Tattoo Studio NadelNest in Bad Neustadt kostenlos das Stechen eines Tattoos an, welches als Einverständnis zur möglichen Organspende gilt.
Foto: Josef Lamber | In der Region bietet das Tattoo Studio NadelNest in Bad Neustadt kostenlos das Stechen eines Tattoos an, welches als Einverständnis zur möglichen Organspende gilt.
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:20 Uhr

Die Nadel surrt und gleitet am Knöchel entlang der vorgezeichneten Linie. Die Kundin Nicky Luisa Kleinteich liegt entspannt auf dem Bauch und die Tattoo-Artist Madlen Wittmann plaudert mit ihr über Gott und die Welt. Ein auf den ersten Blick gewöhnliches Prozedere in einem Tattoo-Studio.

Doch seit einigen Wochen tätowiert Wittmann ein besonderes Tattoo-Motiv - und das kostenlos für den guten Zweck. Wittmanns Tattoo-Studio "Nadel NESt" in der Neustädter Innenstadt ist bisher das einzige Tattoo-Studio im Umkreis von knapp 40 Kilometern, dass diese besonderen Tattoos anbietet.

Fast jeder vierte Deutsche hat ein Tattoo 

Das Thema Organspende ist seit einigen Wochen in aller Munde. Dafür sorgt eine Kampagne des Vereins "Junge Helden". Der Verein initiierte die Kampagne "Opt.Ink - The Organ Donor Tattoo". Ihr Slogan "Get inked, get life", was frei übersetzt bedeutet; "Lass dich tätowieren, erhalte Leben."

Während fast jeder vierte Deutsche ein Tattoo trägt, besitzt nur ein kleiner Bruchteil einen Organspendeausweis. Ein Unding findet der Verein "Junge Helden". Laut der Vereinshomepage warten aktuell knapp 10.000 Menschen in Deutschland auf ein lebensrettendes Organ. Dabei versterben jährlich knapp 1000 Menschen, weil es kein passendes Spenderorgan für sie gegeben hat.

Madlen Wittmann zeigt das Symbol auf dem Tablet.
Foto: Josef Lamber | Madlen Wittmann zeigt das Symbol auf dem Tablet.

Zahl der Organspender ist erschreckend gering

Und obwohl viele Menschen angeben, dass sie ihre Organe spenden möchten, ist die tatsächliche Anzahl der Organspender erschreckend gering. 2022 gab es nur knapp 869 Organspender und Organspenderinnen. Es sterben durchschnittlich drei Menschen pro Tag, weil sie ihr dringend benötigtes Spendenorgan nicht rechtzeitig erhalten haben. Das "Organ Donor Tattoo" könnte diese Situation verbessern, hofft der Verein.

Madlen Wittmann ist auf der Social Media-Plattform Instagram über die Kampagne der "Junge Helden" gestolpert. Während eines Urlaubs bei einer Freundin in Hannover scrollte sie kurz vorm Schlafengehen durch ihren Feed und entdeckte die Kampagne. "Coole Aktion", dachte sie sogleich.

Sie beschloss, den Verein am nächsten Morgen direkt anzuschreiben. Gesagt, getan. Schnell kam die Antwort des Vereins und kurz danach wurde Madlen Wittmann bereits mit dutzenden interessierten E-Mails überschüttet. "Es kam sofort gut an", berichtet die Tätowiererin stolz.

Termine für Aktionstag sind alle vergeben

Jeder, der einen Tattoo-Termin vereinbart, kann sich zusätzlich auf Kosten des Hauses ein Opt.Ink-Tattoo stechen lassen. Demnächst gibt es zudem einen Aktionstag, an dem ausschließlich Opt.Ink-Tattoos gestochen werden. Aufgrund der immensen Nachfrage sind die Termine für den Aktionstag bereits alle vergeben.

Nicky Luisa Kleinteich lässt sich dieses Tattoo stechen.
Foto: Josef Lamber | Nicky Luisa Kleinteich lässt sich dieses Tattoo stechen.

Kundin Nicky Luisa Kleinteich hat jetzt schon ihren Termin. Ihr ursprünglicher Plan war, sich ein "Cover-Up" tätowieren zu lassen - also ein neues über ein älteres, unliebsames Tattoo zu stechen. Als sie vom Organspende-Tattoos gehört hatte, war sie sofort bereit mitzumachen. Kleinteich lässt sich ihr Organ-Donor-Tattoo im feinem Dot-Work-Stil, für den Wittmann Spezialistin ist, stechen.

Motiv für das Organ-Donor-Tattoo

"Klein, fein, detailliert", beschreibt Wittmann ihren Stil. Die Motivvorlage für das Organ-Donor-Tattoo wurde vom Verein zur Verfügung gestellt. Es ist ein einfaches, geometrisches Tattoo - ein Kreis mit zwei unterhalb liegenden Halbkreisen.

Tätowierer und Kunden können jedoch auch stilistische Abwandlungen einfließen lassen. Doch der Kreis mit den zwei unterhalb liegenden Halbkreisen muss als Organ-Donor-Tattoo erkennbar sein, um im Fall der Fälle seine Organe zu spenden. Rechtlich gesehen ist die Organ-Donor-Tätowierung kein offizielles Dokument. Sie gilt jedoch als eine Willenserklärung, da sie die Angehörigen wissen lässt, dass der Verstorbene pro-Organspende ist.

"Ein Tattoo hat man immer dabei"

So sieht das Tattoo aus.
Foto: Josef Lamber | So sieht das Tattoo aus.

"Es ist eine tolle Aktion und ein Tattoo hat man immer dabei", stellt Wittmann lachend klar. Sie rät ihrer Kundschaft trotzdem auf Nummer sich zu gehen und zusätzlich den Papier-Organspendeausweis mitzutragen oder im Smartphone abgespeichert zu haben.

"Das Thema Organspende kommt so wieder ins Gespräch", ist sich Tattoo-Artist Wittmann sicher. "Du sitzt ja nicht zusammen abends am Stammtisch und knallst kurz mit der Frage raus, ob jemand einen Organspendeausweis hat", erzählt sie und ergänzt gutgelaunt: "Aber wenn du ein Symbol hast, ein neues Tattoo, fragen dich die Leute auch danach".

Madlen Wittmann bringt die Vorlage am Bein von Nicky Luisa Kleinteich an.
Foto: Josef Lamber | Madlen Wittmann bringt die Vorlage am Bein von Nicky Luisa Kleinteich an.

Künstlerin und Kundin sind mit dem Ergebnis zufrieden

Es sind vor allem junge Personen, die sich dieses Tattoo stechen lassen und diese bringen häufig sogar ihre Eltern mit, berichtet Wittmann. Sie hat schon ein Mutter-Tochter-Tattoo als auch eine ganze Familie mit den Opt.Ink-Symbol tätowiert.

Wittmann ist eine von der schnellen Sorte, nach knapp einer halben Stunde ist sie mit dem Organ-Donor-Tattoo fertig. Sie streicht mit einem desinfizierten Papiertuch über das frisch gestochene Tattoo auf Kleinteichs Knöchel. Künstlerin und Kundin sind mit dem Ergebnis zufrieden. Kleinteich betrachtet das kleine, feine Tattoo am Knöchel und ist glücklich über das Tattoo, das Leben rettet.

 
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Kommentare
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  • 1977
    Das Problem ist das nur ein ganz kleiner Teil der Menschen Organe Spenden können.
    Alle die außerhalb eines Krankenhauses sterben haben schlechte Karten.
    Der Idealfall ist Hirntod im Krankenhaus.

    Nur mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen kann das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrechterhalten werden.

    Auf diese Weise werden die Organe der verstorbenen Person weiter mit Sauerstoff versorgt. Ihre Funktionsfähigkeit bleibt erhalten und sie können so Patienten transplantiert werden. Ohne künstliche Beatmung würde auf den Hirntod zeitnah der Herz-Kreislauf-Stillstand folgen. (Quelle: Organspende-info.de)
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  • mainpost@swamp.franken.de
    Zitat: "Rechtlich gesehen ist die Organ-Donor-Tätowierung kein offizielles Dokument. Sie gilt jedoch als eine Willenserklärung, da sie die Angehörigen wissen lässt, dass der Verstorbene pro-Organspende ist."

    Dieses Symbol soll wirklich eine Willenserklärung sein?
    Was, wenn jemand zufällig ein ähnliches Tattoo hat?
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  • gunter.scheidl@t-online.de
    Die Organ-Donor-Tätowierung ist schon alleine deshalb keinesfalls eine Willenserklärung weil zur Dokumentation des Willes die Unterschrift fehlt!
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  • mainpost@swamp.franken.de
    Zitat: "... ist die tatsächliche Anzahl der Organspender erschreckend gering. 2022 gab es nur knapp 869 Organspender und Organspenderinnen."

    Bitte mal recherchieren, ob es wirklich nur an zu wenigen bereiten Spendern liegt. Seit einigen Jahren sind die Krankenhäuser ja sowieso gut ausgelastet. Vielleicht haben die oft einfach keine Zeit für die für´s Spenden notwendigen Untersuchungen.
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  • Ente29
    Wirklich eine schöne Aktion. Wäre es nicht sinnvoll, auch andere sich beteiligenden Studios vorzustellen? Oder ist dies bereits geschehen und ich habe es verpasst...?
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