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Würzburg
NS-belastete Straßennamen in Würzburg: Knappe Vorentscheidung zu Zilcher-Straße
Im Würzburger Stadtrat stand erneut die mögliche Umbenennung von NS-belasteten Straßennamen auf der Tagesordnung. Die Debatte um Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher spitzt sich zu.
Der Komponist Hermann Zilcher.
Foto: Hermann Zilcher Gesellschaft | Der Komponist Hermann Zilcher.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 10.02.2024 01:04 Uhr

Nach dem Kulturausschuss hat sich nun auch der Hauptausschuss des Würzburger Stadtrates für die Umbenennung von Straßen entschieden, deren Namenspaten eine aktive Verstrickung ins NS-Regime vorgeworfen wird. Ähnlich wie eine Woche zuvor im Kulturausschuss war auch diesmal die Vorentscheidung zu Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher (1881-1948) denkbar knapp.

Mit 9 gegen 8 Stimmen sprach sich der Ausschuss für die Umbenennung der Zilcher-Straße aus. Bei den anderen zur Umbenennung vorgeschlagenen Straßen (Heiner Dikreiter, Nikolaus Fey, Carl Schadewitz, Karl Ritter von Frisch) gab es einstimmige Entscheidungen. Im Fall der Richard-Strauss-Straße hat der Ausschuss die Entscheidung vertagt.

Scharfe Kritik von Kulturreferent Könneke an Baumann-Memorandum

Wie erbittert die Auseinandersetzung um Hermann Zilcher geführt wird, zeigte sich am Beginn der Sitzung. Hintergrund ist ein von ZfW-Stadtrat Wolfgang Baumann verfasstes Memorandum. Darin unternimmt Baumann den Versuch, Zilcher in Hinblick auf dessen Rolle im NS-Staat zu entlasten. Zugleich übt er in dem Text deutliche Kritik an der Arbeit der Straßennamenkommission.

Kulturreferent Achim Könneke griff Baumann am Mittwoch scharf an. Dessen Schrift sei inzwischen geprüft worden. "Das Memorandum ist durch und durch parteiisch und strotzt vor Fehlern", es sei "verschenkte Zeit", sich damit überhaupt zu beschäftigen, sagte er. Baumann, der Mitglied der Zilcher-Gesellschaft ist, sei befangen, das Memorandum habe er mit einem "offensichtlichen Ziel" verfasst.

Den Vorwurf, mit einer klaren Stoßrichtung agiert zu haben, erhebt Baumann allerdings auch gegen die Straßennamenkommission und gegen den mit Zilcher befassten Münchner Historiker Niels Weise. Dieser sei "sehr selektiv" bei der Bewertung von Sachverhalten vorgegangen. Er selbst, so Baumann, habe lediglich Fakten zusammengetragen, die man in der Kommission nicht gewollt habe. "Ich habe nichts zurückzunehmen", sagte er gegenüber der Redaktion.

Mozartfest in den 1940er Jahren: Hermann Zilcher dirigiert.
Foto: Groth-Schmachtenberger | Mozartfest in den 1940er Jahren: Hermann Zilcher dirigiert.

Partei für Zilcher ergriff CSU-Fraktionschef Wolfgang Roth, der weiteren Aufklärungsbedarf sieht. "Es ist für mich unerträglich, eine Ehrung abzuerkennen, wenn wir nicht hundertprozentig sicher sind", sagte er und verwies auf die Angehörigen Zilchers. "Eine Ehrung macht etwas mit den Angehörigen, eine Aberkennung noch viel mehr."

OB Schuchardt will Grundsatzdebatte zum Umgang mit Straßennamen

"Es gab damals auch Menschen, die etwas anderes gemacht haben, als mit dem Dritten Reich zu kollaborieren und sich für die NSDAP in den Stadtrat zu setzen", hielt Matthias Pilz (Grüne) entgegen, eine Ehrung "macht auch etwas mit einer Gesellschaft". Ebenso wie SPD-Fraktionschef Alexander Kolbow verteidigte er die Arbeit der Kommission.

"Ich kann keine Fehler bei der Kommission entdecken", fand auch OB Christian Schuchardt, kam dann aber zu einem anderen Schluss. "Im Vordergrund ist die Frage, welches Verständnis man von Namensgebungen hat." Es sei zu klären, ob es mehr um eine Ehrung gehe oder man eher auf Personen hinweisen wolle, die in der Stadtgeschichte eine Rolle gespielt hätten und "mit denen man sich trotzdem noch auseinandersetzen muss, auch außerhalb der NS-Zeit". Er halte Kontextualisierungen bei allen personenbezogenen Schildern für überlegenswert – und im Falle Hermann Zilchers für ausreichend.

Die Entscheidung über die Umbenennung von Straßen trifft der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung am 10. März.

 
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  • gabcht20581207
    Danke Wellis, so sehe ich das auch. Ein Strassennamen ist für mich ein Hinweis, wer wo wohnt.
    Eine Ehrung, für wen? Wohl kaum für den Verstorbenen.
    Erinnerung ist nicht nur positiv besetzt.
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  • klecki
    Andere Redebeiträge wohl untergegangen ????
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  • Mainheini
    Lasst doch bitte die Kirche im Dorf. Wer von all den Mozartfestbesuchern weiß denn, dass es auf eine Idee von Zilcher zurückgeht? Und wenn, wissen noch viel weniger, was Zilcher früher auch getan hat. Das Mozartfest nur deshalb zu streichen, ist gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Unsinn und bringt niemandem einen Vorteil, am allerwenigsten dem Ruf Würzburgs.
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  • juergenmagic@t-online.de
    Der Name Zilcher wird auch nach einer evtl. Umbenennung immer und ewig mit dem Mozartfest verbunden bleiben. Also wenn man konsequent ist, darf man eigentlich auch kein Mozartfest mehr veranstalten. Aber das wird wohl nicht geschehen, da dieses ein enormer Wirtschaftsfaktor für Würzburg ist.
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  • matthiasr
    Dann bitte jetzt auch so konsequent und ehrlich sein und das Mozartfest abschaffen!

    Alles andere ist grundweg verlogen!
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  • Mainheini
    Keiner kann beurteilen, welche Gründe seinerzeit die Stadtväter bewogen haben, den oder die Leute mit einer Straßenbenennung zu würdigen und zu ehren.
    Während ich diese Zeilen schreibe, haben die Russen den Krieg gegen die westliche Welt begonnen. Es gibt Wichtigeres zu tun als sich um Namen zu streiten, die Schall und Rauch sind und keinen interessieren außer vielleicht ein paar selbsternannte Weltverbesserer .
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  • marent1@hotmail.de
    Erscheint fast belanglos wenn man heute die Welt ansieht...aber ich finde die Debatte wichtig.und wenn man neue Erkenntnisse hat im Vergleich zu den 50er dann muss man die ernst nehmen... ob der Herr Pilz das beurteilen kann wie das damals war und warum???das wuerde ich den Zeitzeugen und Historikern ueberlassen
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  • popp.58
    Ich möchte an die Hanns-Martin-Schleyer-Halle erinnern.
    Wann wird die endlich umbenannt.
    In WÜ bei Carl Diem hat es auch geklappt
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  • klafie
    eigentlich hätte man diese straße gar nicht so nennen dürfen, wenn man weiß, was für eine braune vergangenheit der mann hatte. die stadtväter die damals (?) der straße den namen gegeben haben, wussten doch ganz genau was für ein parteibuch dieser hatte. sicher, mag er nach der nazizeit sich wieder besonnen haben und für die demokratie gelebt haben, aber trotzdem sollte man vorher überlegen was man tut. da begreife ich auch nicht denknappen ausgang der abstimmung der jetzigen stadtväter nicht. hätte doch viel höher ausfallen müssen, für eine umbenennung!
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  • RGPBR@aol.com
    Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Jemand der in dieser Zeit nicht gelebt hat weiß darüber auch nur das was geschrieben steht. ich habe mich mit mehreren Personen unterhalten und alle haben mir gesagt das hat doch niemand gewusst. Wenn man seine Wurzeln abhackt, ist das Problem noch lange nicht vom Tisch.
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  • Wellis
    Sorry, nochmal ich. Bitte, bitte lieber Stadtrat.... keine Umbenennung. Überlegt doch mal - trotz aller Recherche - Hermann Zilcher ist der VATER des Mozartfestes. Nach meinem Dafürhalten kann man doch kein weltweit anerkanntes Musikfest veranstalten, sich als Stadt dessen sonnen und auf der anderen Seite löscht man gleichzeitig den Namens des Begründers diesen, nach dem eine Straße benannt ist, aus.
    Ich verstehe es nicht.... Bitte erklären Sie es mir.
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  • Wellis
    Ich bin es nochmal. Ich lege nach. Keine Ahnung, ob die Main-Post meinen Kommentar veröffentlich.... er ist vielleicht zu emotional. Freilich war ich bei der Bürgerbefragung, die voriges Jahr im CCW stattfand.... Leider, leider, waren von "meiner" Straße nur drei Bürger anwesend. Das zeigt doch im Grunde genommen "Namen sind Schall und Rauch"....
    Mein Appell an den Stadtrat: Bitte, bitte, gebt Geld nicht für solche unnützen Forschungen aus, sondern z. B. für die Obdachlosen - wenn Sie mal durch die Stadt gehen und aufmerksam gucken... traurig, einfach nur traurig - . Sorry Leute, wenn ich emotional durchgebrannt bin, aber ich kann auch nicht aus meiner Haut. Und "meine" Hermann-Zilcher-Straße liegt mir eben am Herzen. Ich wünsche allen gute Gesundheit.
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  • Wellis
    Ich wohne seit meiner Geburt in der HERMANN-ZILCHER-Straße. Ich habe mich damit identifiziert. Zilcher ist der Begründer des MOZART-Festes... mit dem sich die Stadt Würzburg schmückt und sicherlich auch einiges an Geld einnimmt. Fragen die Verantwortlichen doch mal die Bürger, die in dieser Straße wohnen.... Ich sage Ihnen, kaum einer weiß, wer dieser Herr Zilcher war. Die Leute, die in dieser Straße wohnen, haben mit Sicherheit eine bezahlbare Wohnung gesucht.... die ganze Hermann-Zilcher-Straße wird von Wohungsgenossenschaften bewirtschaftet. Heutzutage glotzt doch keiner mehr auf den Straßennamen, sondern darauf, dass man eine bezahlbare Wohnung findet. Da isses doch völlig wurscht, wie die Straße heißt... Und außerdem, man tritt den damaligen 1950er Stadträten auf die Füße, die diese Straße so benannt haben. Ich bin emotional. Aber muss man die ganze "schlechte Zeit" aufrollen... haben wir heutzutage nicht andere Probleme..???
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  • kej0018@aol.com
    @Wellis

    Wenns völlig wurscht ist, wie die Strasse heisst, dann haben Sie doch eigentlich auch nichts dagegen, wenn man sie umbenennt...
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  • Albatros
    Diese Aktionen sind dem Zeitgeist geschuldet und bestimmte Gruppierungen in diesem Land tun alles dafür, dass die Selbstgeiselung aufrecht erhalten bleibt. Die letzten noch lebenden wirklichen Nazis sind entweder abgeurteilt, oder nicht mehr verhandlungsfähig. Also müssen Ersatzhandlungen für unsere Aufarbeitung herhalten. Natürlich wird keiner das Mozartfest abschaffen, denn hier geht es um wirtschaftliche Aspekte, aber so ein Straßennamen kostet nix. Anbei eine Quellangabe von ca. 2.500 deutschen Unternehmen (bei weitem nicht erschöpfend aufgezählt), welche im Nazi-Deutschland Kriegsgefangene beschäftigt und sich an diesen bereichert haben. Sie glauben doch nicht im ernst, dass von all den Moralisten auch nur einer deshalb sein Konsum- und Einkaufsverhalten ändern wird. Hauptsache man kann sich als Saubermann hervortun. (https://ns-in-ka.de/wp-content/uploads/2017/06/Liste_Unternehmen.pdf).
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