zurück
Würzburg
NS-belastete Straßennamen in Würzburg: Umbenennungen werden wahrscheinlicher
Welche Straßennamen in Würzburg sollen weichen? Darum ging es im Kulturausschuss. Diskutiert wurde über Mozartfest-Gründer Hermann Zilcher, und dann gab es noch eine Überraschung.
Wird die Würzburger Hermann-Zilcher-Straße umbenannt? Der Kulturausschuss sprach sich mit knapper Mehrheit dafür aus.
Foto: Archivbild Daniel Peter | Wird die Würzburger Hermann-Zilcher-Straße umbenannt? Der Kulturausschuss sprach sich mit knapper Mehrheit dafür aus.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Dass noch keine endgültige Entscheidung fallen würde, war klar, aber nach der Sitzung des Stadtrats- Kulturausschusses am Mittwoch zeichnet sich deutlich ab, dass in Würzburg wohl mehrere Straßen umbenannt werden. Grund für die Umbenennung ist eine Verstrickung der Namensgeber ins NS-Regime, die über ein reines Mitläufertum hinausgeht.

Die Ausschussmitglieder hatten über jeden einzelnen Straßennamen gesondert abgestimmt. Erwartungsgemäß gab es bei Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher (1881-1948) eine längere Diskussion und mit neun zu sieben Stimmen das knappste Ergebnis für die Umbenennung.

Würzburger Kulturreferent widerspricht Stadtrat Baumann

Zu Zilcher hatte die Würzburger Straßennamenkommission in ihrem Ende 2020 veröffentlichten Bericht das Fazit gezogen, der Komponist sei "Profiteur der NS-Herrschaft" gewesen, habe sich dem Regime "als willfähriger Unterstützer und Multiplikator der NS-Ideologie mit musikalischen Mitteln" angedient und es auch durch seine Tätigkeit als NSDAP-Ratsherr im Würzburger Stadtrat unterstützt.

An dieser Einschätzung hatte ZfW-Stadtrat Wolfgang Baumann bereits bei einer öffentlichen Anhörung im vergangenen Jahr Kritik geübt und von einem "Unwerturteil" gesprochen. Kurz vor der Ausschusssitzung hatte Baumann ein 95-seitiges Memorandum vorgelegt, in dem er in Sachen Zilcher zu einem gänzlich anderen Schluss als die Kommission kommt.

Breiten Raum nimmt darin die Erwiderung auf den Vorwurf der Kommission ein, Zilcher habe den Maler Eugen Vinnai (1889-1961) aus privaten Motiven bei der Gestapo denunziert, was Baumann, der auch Mitglied der Hermann-Zilcher-Gesellschaft ist, in seiner Schrift umfangreich zu entkräften sucht (wir berichteten).

"Hermann Zilcher hat sich über die ganze NS-Zeit hinweg mit dem Regime eingelassen."
Achim Könneke, Kulturreferent der Stadt Würzburg

Würzburgs Kulturreferent Achim Könneke, der Vorsitzender der Straßennamenkommission gewesen war, zeigte sich von Baumanns Untersuchungen unbeeindruckt. Am Mittwoch stellte er bereits zu Beginn klar, dass es aus seiner Sicht "keine substanziellen neuen Erkenntnisse" seit Veröffentlichung des Kommissionsberichts gebe, eine Einschätzung, die er ausdrücklich auch auf Baumanns Memorandum bezog.

"Hermann Zilcher", sagte Könneke wenig später in der Debatte, "hat sich über die ganze NS-Zeit hinweg mit dem Regime eingelassen". Selbst wenn man die Sache mit der Denunziation außer Acht lasse, müsse man die Frage stellen: "War Zilcher dann der naive Musiker oder war er auf der Seite derer, die das Regime mit dem Parteiabzeichen auf der Brust aktiv unterstützt haben?"

Der Komponist und Begründer des Würzburger Mozartfestes Hermann Zilcher (1881-1948).
Foto: Hermann Zilcher Gesellschaft | Der Komponist und Begründer des Würzburger Mozartfestes Hermann Zilcher (1881-1948).

Konstantin Mack (Bündnis 90/Grüne) erinnerte ebenso wie Joachim Spatz (FDP) daran, dass das NS-Regime eine Vorgeschichte in der Weimarer Republik hatte. Zilcher habe sich schon in der Weimarer Zeit nationalistisch geäußert und sei unter anderem Mitglied im völkisch-antisemitischen "Kampfbund für deutsche Kultur" gewesen. Nach 1933 sei Zilcher im Sinne des Regimes politisch zuverlässig gewesen, das würden die Untersuchungen der Kommission "wissenschaftlich und faktenbasiert" belegen.

Anträge von Würzburger CSU und AfD blieben erfolglos

Anträge aus den Reihen von CSU und AfD, es bei einem Zusatz am Straßenschild zu belassen beziehungsweise ein weiteres Gutachten einzuholen, blieben ebenso erfolglos wie Baumanns Antrag, der den Verzicht auf die Umbenennung zum Ziel hatte. Einstimmig für eine Umbenennung sprach sich der Ausschuss bei den nach Nikolaus Fey, Carl Schadewitz und Karl Ritter von Frisch benannten Straßen aus und bei zwei Gegenstimmen auch im Fall des Heiner-Dikreiter-Weges.

Eine Überraschung gab es zum Schluss: Mit knapper Mehrheit war der Ausschuss auch für die Umbenennung der nach dem Komponisten Richard Strauss ("Der Rosenkavalier") benannten Straße, die laut Kommission eigentlich nur ein Zusatzschild ("Kontextualisierung") erhalten sollte. Dass es dazu kam, war ein Ergebnis der Diskussion zu Hermann Zilcher.

Wolfgang Baumann hatte auf Strauss' Rolle als Chef der "Reichsmusikkammer" verwiesen, die ihre "nichtarischen" Mitglieder ausgeschlossen und somit erwerbslos gemacht hatte. Damit habe Strauss "extreme Schuld" auf sich geladen. Im Vergleich mit Zilcher habe die Kommission mit zweierlei Maß gemessen. Grünen-Stadtrat Konstantin Mack beantragte daraufhin auch für Strauss die Umbenennung – mit Erfolg.

Für Zusätze an den Straßenschildern sprach sich der Ausschuss im Fall von Armin Knab und Peter Schneider aus. In der nächsten Woche beschäftigt sich der Hauptausschuss mit dem Thema, danach trifft der Stadtrat die Entscheidungen.

Abstimmung zur Hermann-Zilcher-Straße

Zur Hermann-Zilcher-Straße gab es eine namentliche Abstimmung. Für eine Umbenennung haben gestimmt: Barbara Lehrieder, Konstantin Mack, Silke Trost, Sandra Vorlová, Antonio Pecoraro (alle Grüne), Nadine Lexa (CSU), Anna-Maria Dürr (Linke), Kerstin Westphal (SPD), Joachim Spatz (FDP).
Dagegen: Adolf Bauer, Anette Hollerbach, Judith Jörg, Kurt Schubert (alle CSU), Wolfgang Baumann (ZfW), Willi Dürrnagel (WL), Ludwig Mechler (AfD)
Quelle: tsc
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Torsten Schleicher
Adolf Bauer
Alternative für Deutschland
Antonio Pecoraro
Armin Knab
Barbara Lehrieder
CSU
FDP
Gestapo
Hermann Zilcher
Joachim Spatz
Kerstin Westphal
Kommissionen
Kurt Schubert
Nadine Lexa
Nikolaus Fey
Peter Schneider
Regimes
Richard Strauss
SPD
Silke Trost
Stadt Würzburg
Willi Dürrnagel
Wolfgang Baumann
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • S. S.
    Wo wir gerade beim Thema Benennung sind, müsste man nicht auch überlegen ob man den Stadtteil Frauenland umbenennt? Also am besten Dritteln und draus diversland, weiblichland und mänlichland?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. S.
    Nein, beim Geschlecht ist inzwischen Selbstbestimmung angesagt. Das heißt, jede*r Bewohner*in dieses Stadtteils muss entscheiden, ob er/sie/es im Frauenland, Männerland oder Diversland wohnt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Auf eigenen Wunsch entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. M.
    Politiker wurden gewählt, sie sind also tatsächlich Volksvertreter.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. W.
    Wir bekommen in Zukunft noch ganz andere Probleme.... Richtige Probleme.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. W.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. L.
    Ich möchte nicht in einer Straße wohnen, die nach einem Nazi benannt wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Auf eigenen Wunsch entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    Steff Reni
    Auch wenn er erfinder des Mozartfestes ist?
    Oder wird das auch abgeschafft?
    Oder gehen nur noch bestimmte Leute hin?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    Nach dem Gentern kömmt das Ändern. Wenn man sonst nix zu tun hat.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. B.
    Eine ausgezeichnete Entscheidung!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. T.
    Vielleicht sollte man es ganz lassen, "Ehrungen" von Menschen mit Strassennnamen durchzuführen. Sicher gibt es da auch ganz andere Möglichkeiten, das kann oft später betrachtet heikel werden und dann hat man jedes Mal diese Diskussionen und viel Aufwand.... Alle Blumen und Tiere, Sterne und Landschaften etc. muss man erst mal durchhaben...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. F.
    ich frage mich schon, warum diese namen erst jetzt geändert werden sollen, fast 80 jahre nach kriegsende. man wusste doch damals, beim anbringen der schilder schon von derer braunen vergangenheit oder nicht?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    Mit Sicherheit wusste man das damals noch besser.

    Die über 8.000 NSDAP- Mitglieder Würzburgs sind ja nicht von heute auf morgen gestorben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. A.
    Strassennamen haben etwas mit Erinnern zu tun. Dies mit 'Ehrung' zu verbinden ist altväterlich. Die Anwohner, Bürger sollten darüber abstimmen dürfen.
    Geschichte kann man nicht ändern, Gegenwart selbst bestimmen und Zukunft planen, vielleicht demnächst am Hubland die Strassen nummerieren 1ost, 2 west etc.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Als erste die Kaiserstraße umbenennen, wer einen Weltkrieg anzettelt und Millionen in den Tod schickt hat das Recht auf Staßennamen und Plätzen verwirkt!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. K.
    Das is ja ne tolle Idee...Weil wir keine anderen Sorgen haben..
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • d. e.
    Macht eine Bürgerbeteiligung, zur dieser Frage, auf das Ergebnis kann man gespannt sein.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    Ist ein Straßenname eine Ehrung? Eher eine Erinnerung, die auch negativ sein kann.
    Ich denke wenn ich diese Namen lese oder höre an Nazi und Judenmörder.
    Es werden Koffer aufgesellt und Stolpersteine verlegt zur Erinnerung, doch niemand verfolgt die Geschichte weiter, wie zum Beispiel ehemals jüdische Immobilien an die heutigen Besitzer kamen.
    Bei Raubkunst scheut man keine Kosten, um die Besitzer zu ermitteln -siehe Gurlitt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. F.
    Pragmatismus und Opportunismus versus Prinzipientreue - das alte Dilemma. Gemesssen an den Kommentaren und Likes steht die Quote bei ca. 5 zu 1. Da ist noch Luft nach oben.
    Eine Quote von ca. 1 zu 1 fände ich gut.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten