zurück
Ochsenfurt
Neuer Technik-Vorstand Hans-Peter Gai: Was sich bei Südzucker in Ochsenfurt ändern wird
Die Abkehr von fossilen Energieträgern und eine breitere Produktpalette sind Herausforderungen, die auch die Zuckerfabrik in Ochsenfurt betreffen werden.
Hans-Peter Gai, neuer Technik-Vorstand der Südzucker AG, bei der jüngsten Generalversammlung des Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer (VFZ). 
Foto: Gerhard Meißner | Hans-Peter Gai, neuer Technik-Vorstand der Südzucker AG, bei der jüngsten Generalversammlung des Verbands fränkischer Zuckerrübenbauer (VFZ). 
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:09 Uhr

Die Berufung von Hans-Peter Gai in den Vorstand der Südzucker AG im vergangenen Herbst hat aufhorchen lassen. Mit der Ausweitung des Produktportfolios und der Umsetzung der Klimaschutzziele, die sich Europas größter Zuckerkonzern gesetzt hat, steht der 57-jährige Maschinenbauingenieur vor gewaltigen Aufgaben. Wie will er sie angehen und was bedeutet das für das fränkische Südzucker-Werk in Ochsenfurt?

Frage: Sie sind in der jüngeren Vergangenheit der Südzucker AG der erste Technische Vorstand, der nicht aus der Zuckerindustrie oder der Landwirtschaft kommt. Was qualifiziert Sie für diese Aufgabe?

Hans Peter Gai: Man sieht, dass sich Südzucker aus der Verarbeitung der Rübe und landschaftlicher Produkte heraus breiter aufstellt. Das geht auch in Richtung pflanzlicher Proteine und der Frage, was man noch an pflanzenbasierten Rohstoffen aufbauen kann. Der Ansatzpunkt für den Aufsichtsrat war sicherlich, jemanden zu suchen, der eine breitere Erfahrung in der Lebensmittelproduktion mitbringt. Da hab ich schon vieles gemacht, von Tee über Eiscreme und Käse bis zu Fertigprodukten, Ketchups und Mayonnaisen. Das Fachwissen zur Rübe haben wir sowieso. Ich denke, da ist es eine gute Ergänzung, dass jemand in den Vorstand kommt, der auch die breiten Anwendungsmöglichkeiten unserer Produkte kennt.

Bedeutet das eine gewisse Abkehr von der Zuckerrübe?

Gai: Nein, überhaupt nicht. Die Rübe ist die Wurzel und die starke Grundlage unseres Unternehmens, die wollen wir auch weiterhin stärken und ausbauen, aber das Unternehmen muss sich weiter breiter aufstellen, um krisensicherer zu werden. Da kann meine Erfahrung einen großen Beitrag leisten.

Südzucker hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 im Vergleich zu 2018 zu halbieren und bis 2050 entlang der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu werden. Wo stehen Sie aktuell?

Gai: Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben einen langfristigen Plan entwickelt, aber natürlich sind dafür große Investitionen erforderlich, die wir gerade tätigen, etwa in den Wechsel des Energieträgers oder in die weitere Elektrifizierung der Werke. Die großen Sprünge erwarten wir erst in den nächsten Jahren, aber wir sind in unserem Zeitplan gut unterwegs.

Wie viel investiert Südzucker dafür insgesamt?

Gai: Im Zeitraum 2022 bis 2030 planen wir Investitionen von rund 600 Mio. Euro zur Erreichung unseres Klimaziels im Bereich der Emissionen Scope 1 und 2, das sind die Emissionen aus der eigenen Geschäftstätigkeit sowie aus dem Kauf von Energie.

Was bedeutet das für die Zuckerfabrik in Ochsenfurt?

Gai: Der Ausstieg aus der Kohle und der Umstieg aufs Gas, das passiert jetzt gerade. Der nächste Schritt wird sein, die Verdampfer zu optimieren, und dann müssen wir in Ochsenfurt und auch an anderen Standorten die Elektrifizierung und die Wärmepumpentechnologie voranbringen, die wir zunächst in Rain und Offenau ausprobieren wollen. Mit den Erfahrungen dort werden wir für jeden Standort einen Elektrifizierungsplan ausarbeiten, das heißt, wir werden über Wärmepumpen den gesamten Energiebedarf reduzieren. Gerade sind wir dabei, die Möglichkeiten der Stromversorgung für jeden Standort zu verifizieren, weil der Umfang der Elektrifizierung davon abhängt.

Die EU hat inzwischen zugelassen, Rübenschnitzel, die bislang als Futtermittel verwertet werden, in einer Biogasanlage einzusetzen, um einen Teil des Energiebedarfs in den Werken zu decken. Ist das eine Option für Ochsenfurt?

Gai: Es ist ein Thema, das wir immer wieder neu bewerten. Man muss für jeden Standort überlegen, was sinnvoller ist: die energetische Verwertung oder die Verwertung als Futtermittel.

Das spricht in Ochsenfurt aber eher gegen die Verwertung als Biogas. Sie haben dort große Trocknungsanlagen für die Rübenschnitzel.

Gai: Genau, im Moment sehen wir, dass in Ochsenfurt die Trocknung und die Verwertung als Futtermittel die bessere Variante ist, aber das kann sich auch ändern. Heute können wir die Rübenschnitzel gut absetzen. Sie sind bei den Tierhaltern gefragt. Aber das kann sich in der Zukunft ändern. Wir arbeiten da komplett ergebnisoffen.

Aber die Zuckerproduktion ist energieintensiv. Die 50-prozentige Reduzierung der Klimagase bis 2030 und die Klimaneutralität ab 2050, ist das überhaupt machbar?

Gai: Bis 2030 haben wir einen klaren, durchgerechneten Plan. Der Schritt zur Klimaneutralität bis 2050 ist natürlich noch mal eine große Herausforderung. Dazu muss man grüne Gase einbeziehen, das sind für uns selbst hergestelltes Biogas oder grüner Wasserstoff. Der Plan bis 2030 ist machbar. Danach hängt viel davon ab, wie sich das Infrastrukturumfeld weiterentwickelt. Wenn die Stromnetze nicht ausgebaut werden, wird die Elektrifizierung irgendwann stecken bleiben. Wenn die Wasserstoffnetze nicht kommen, dann wird Wasserstoff keine Option sein. Da sind die Bundesländer unterschiedlich unterwegs. In Sachsen-Anhalt, wo unser Standort Zeitz liegt, ist man schon viel weiter. Bayern muss schnell vorankommen, wenn man dabei sein will. Als Zuckerindustrie sind wir gerne bereit, uns auch an Pilotprojekten zu beteiligen. Aber wir setzen auch schon konkrete Schritte um, so könnten die in Ochsenfurt neu eingebauten Gaskessel schon anteilig mit Wasserstoff betrieben werden.

In Süddeutschland ist die Region Ochsenfurt das größte Anbaugebiet von Biorüben, in diesem Jahr mit rund 1200 Hektar. Trotzdem werden die Rüben in Rain am Lech verarbeitet. Wann wird der erste Biozucker in Ochsenfurt hergestellt?

In den letzten zehn Jahren wurden die Biorübenflächen bei der Südzucker AG deutlich ausgeweitet. Der größte Teil der Flächen liegt in Südbayern und in Franken. Zur Zeit stellen wir aber durch den Ukraine-Krieg und die Inflation einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach unserem regionalem Biorübenzucker fest. Mittel- bis langfristig sollte der Markt für Biorübenzucker wieder wachsen – da sind wir überzeugt. Ziel sollte sein, importierten Biorohrzucker durch regional produzierten Biorübenzucker zu ersetzen. Sollten die Kapazitäten in Rain nicht mehr ausreichen, dann gilt es, über einen weiteren Verarbeitungsstandort nachzudenken. Dabei geht es aber auch um Investitionen im Millionenbereich, da Umbauten in der Fabrik – beispielsweise für die getrennte Lagerung von Biozucker und konventionellem Zucker – notwendig sind.

Zur Person

Hans Peter Gai, Jahrgang 1966, gehört seit dem 1. November 2022 dem Vorstand der Südzucker AG an. Er löste dort Dr. Thomas Kirchberg als Chief Operating Officer (Technischer Vorstand) des Konzerns ab.
Nach dem Studium zum Diplom-Ingenieur (TH) Maschinenbau war der aus dem Kraichgau stammende Gai unter anderem bei Unilever, der Unternehmensgruppe Theo Müller (Müller-Milch) und Danone tätig.
Quelle:meg
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ochsenfurt
Gerhard Meißner
Danone Ochsenfurt
Futtermittel
Markt Höchberg
Maschinenbauingenieure
Stromnetze
Südzucker AG
Südzucker AG Ochsenfurt
Theo Müller
Unilever
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top