
Die Berufung von Hans-Peter Gai in den Vorstand der Südzucker AG im vergangenen Herbst hat aufhorchen lassen. Mit der Ausweitung des Produktportfolios und der Umsetzung der Klimaschutzziele, die sich Europas größter Zuckerkonzern gesetzt hat, steht der 57-jährige Maschinenbauingenieur vor gewaltigen Aufgaben. Wie will er sie angehen und was bedeutet das für das fränkische Südzucker-Werk in Ochsenfurt?
Hans Peter Gai: Man sieht, dass sich Südzucker aus der Verarbeitung der Rübe und landschaftlicher Produkte heraus breiter aufstellt. Das geht auch in Richtung pflanzlicher Proteine und der Frage, was man noch an pflanzenbasierten Rohstoffen aufbauen kann. Der Ansatzpunkt für den Aufsichtsrat war sicherlich, jemanden zu suchen, der eine breitere Erfahrung in der Lebensmittelproduktion mitbringt. Da hab ich schon vieles gemacht, von Tee über Eiscreme und Käse bis zu Fertigprodukten, Ketchups und Mayonnaisen. Das Fachwissen zur Rübe haben wir sowieso. Ich denke, da ist es eine gute Ergänzung, dass jemand in den Vorstand kommt, der auch die breiten Anwendungsmöglichkeiten unserer Produkte kennt.
Gai: Nein, überhaupt nicht. Die Rübe ist die Wurzel und die starke Grundlage unseres Unternehmens, die wollen wir auch weiterhin stärken und ausbauen, aber das Unternehmen muss sich weiter breiter aufstellen, um krisensicherer zu werden. Da kann meine Erfahrung einen großen Beitrag leisten.
Gai: Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben einen langfristigen Plan entwickelt, aber natürlich sind dafür große Investitionen erforderlich, die wir gerade tätigen, etwa in den Wechsel des Energieträgers oder in die weitere Elektrifizierung der Werke. Die großen Sprünge erwarten wir erst in den nächsten Jahren, aber wir sind in unserem Zeitplan gut unterwegs.
Gai: Im Zeitraum 2022 bis 2030 planen wir Investitionen von rund 600 Mio. Euro zur Erreichung unseres Klimaziels im Bereich der Emissionen Scope 1 und 2, das sind die Emissionen aus der eigenen Geschäftstätigkeit sowie aus dem Kauf von Energie.
Gai: Der Ausstieg aus der Kohle und der Umstieg aufs Gas, das passiert jetzt gerade. Der nächste Schritt wird sein, die Verdampfer zu optimieren, und dann müssen wir in Ochsenfurt und auch an anderen Standorten die Elektrifizierung und die Wärmepumpentechnologie voranbringen, die wir zunächst in Rain und Offenau ausprobieren wollen. Mit den Erfahrungen dort werden wir für jeden Standort einen Elektrifizierungsplan ausarbeiten, das heißt, wir werden über Wärmepumpen den gesamten Energiebedarf reduzieren. Gerade sind wir dabei, die Möglichkeiten der Stromversorgung für jeden Standort zu verifizieren, weil der Umfang der Elektrifizierung davon abhängt.
Gai: Es ist ein Thema, das wir immer wieder neu bewerten. Man muss für jeden Standort überlegen, was sinnvoller ist: die energetische Verwertung oder die Verwertung als Futtermittel.
Gai: Genau, im Moment sehen wir, dass in Ochsenfurt die Trocknung und die Verwertung als Futtermittel die bessere Variante ist, aber das kann sich auch ändern. Heute können wir die Rübenschnitzel gut absetzen. Sie sind bei den Tierhaltern gefragt. Aber das kann sich in der Zukunft ändern. Wir arbeiten da komplett ergebnisoffen.
Gai: Bis 2030 haben wir einen klaren, durchgerechneten Plan. Der Schritt zur Klimaneutralität bis 2050 ist natürlich noch mal eine große Herausforderung. Dazu muss man grüne Gase einbeziehen, das sind für uns selbst hergestelltes Biogas oder grüner Wasserstoff. Der Plan bis 2030 ist machbar. Danach hängt viel davon ab, wie sich das Infrastrukturumfeld weiterentwickelt. Wenn die Stromnetze nicht ausgebaut werden, wird die Elektrifizierung irgendwann stecken bleiben. Wenn die Wasserstoffnetze nicht kommen, dann wird Wasserstoff keine Option sein. Da sind die Bundesländer unterschiedlich unterwegs. In Sachsen-Anhalt, wo unser Standort Zeitz liegt, ist man schon viel weiter. Bayern muss schnell vorankommen, wenn man dabei sein will. Als Zuckerindustrie sind wir gerne bereit, uns auch an Pilotprojekten zu beteiligen. Aber wir setzen auch schon konkrete Schritte um, so könnten die in Ochsenfurt neu eingebauten Gaskessel schon anteilig mit Wasserstoff betrieben werden.
In den letzten zehn Jahren wurden die Biorübenflächen bei der Südzucker AG deutlich ausgeweitet. Der größte Teil der Flächen liegt in Südbayern und in Franken. Zur Zeit stellen wir aber durch den Ukraine-Krieg und die Inflation einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach unserem regionalem Biorübenzucker fest. Mittel- bis langfristig sollte der Markt für Biorübenzucker wieder wachsen – da sind wir überzeugt. Ziel sollte sein, importierten Biorohrzucker durch regional produzierten Biorübenzucker zu ersetzen. Sollten die Kapazitäten in Rain nicht mehr ausreichen, dann gilt es, über einen weiteren Verarbeitungsstandort nachzudenken. Dabei geht es aber auch um Investitionen im Millionenbereich, da Umbauten in der Fabrik – beispielsweise für die getrennte Lagerung von Biozucker und konventionellem Zucker – notwendig sind.