
Zwei Jahre lang war er der stellvertretende Leiter des Würzburger Röntgen-Gymnasiums, seit diesem Schuljahr hat Nikolaus Kocher die Leitung übernommen. Zuvor war der 48-Jährige, der in Chemie promoviert hat, an verschiedenen Gymnasien in Unter-, Ober- und Mittelfranken tätig, vor dem Wechsel ans Röntgen-Gymnasium als stellvertretender Schulleiter am Reichsstadt-Gymnasium in Rothenburg.
Im Interview erzählt er, warum die Digitalisierung an den Schulen weiterhin ein großes Thema ist, welche inhaltlichen Schwerpunkte er für sein Gymnasium setzt und warum sich durch Corona die Prioritäten verschoben haben. Momentan verzeichnet das Gymnasium, das auch Seminarschule ist, mit insgesamt 900 Schülerinnen und Schülern eine wachsende Schüleranzahl.
Niklolaus Kocher: Es ist ganz klar ein Vorteil, denn ich kenne die Gegebenheiten und Zielsetzungen unserer Schule und kann daran anknüpfen. Besonders in dieser schwierigen Corona-Zeit sorgt das für mehr Kontinuität.
Kocher: Es ist schon eine bewusste Entscheidung für das Lehramt gewesen. Aber gerade als Naturwissenschaftler ist auch die Forschung interessant. Nach meinem Lehramtsstudium habe ich deshalb im Bereich Chemie einige Jahre in die Grundlagenforschung hineingeschnuppert und hätte nach der Promotion auch andere Angebote gehabt. Letztendlich hat mir das Lehramt aber doch mehr Spaß gemacht.
Kocher: Durchaus. Eine weiterführende Schule hat auf dem Land immer noch einen anderen Stellenwert als in der Stadt. Unterrichten an einem Gymnasium in einer größeren Stadt ist manchmal anstrengender, die Unterrichtsmethoden sind häufig aber moderner. Eltern in Stadtschulen sehen manche Dinge kritischer, bringen sich aber oft gewinnbringend ins Schulleben ein.

Kocher: Leider bestimmt Corona immer noch stark den Schulalltag und es gibt viele zusätzliche Aufgaben, sowohl für mich als auch für all unsere Lehrkräfte. Beispielsweise testen sich alle Schüler, die nicht doppelt geimpft sind, dreimal in der Woche in der Schule mit Antigen-Schnelltests. Das funktioniert mittlerweile gut, muss aber organisiert sein. Ich bin froh, dass wir diesen Sommer rechtzeitig das Signal vom Ministerium bekommen haben, dass wir bis auf Weiteres im Präsenzunterricht bleiben. Das hat bisher Planungssicherheit gebracht und das Schuljahr ruhiger starten lassen. Das ist besonders für unsere Schülerinnen und Schüler enorm wichtig.
Kocher: Natürlich. Gerade deswegen bin ich der Meinung, dass die regelmäßigen, verpflichtenden Tests an der Schule ein sehr wichtiges Werkzeug sind, um Infektionen bei Schülern und Schülerinnen frühzeitig zu erkennen. So kann das Risiko einer weiteren Übertragung minimiert werden. Problematisch finde ich, dass wir bei allen zusätzlichen Maßnahmen keinerlei personelle Unterstützung bekommen. Alles landet bei uns in der Schule. Das kostet Energie, vor allem über einen so langen Zeitraum hinweg. Die Corona-Zeit stellt eine außergewöhnlich hohe Belastung dar, egal ob im Online-Unterricht, im Wechsel- oder im Präsenzunterricht. Ich bin froh, dass die Eltern unserer Schüler sehr verantwortungsvoll mit der Corona-Problematik umgehen. Wir haben keine Maskenverweigerer, keine Coronaverweigerer und eine praktisch 100-prozentige Zustimmung für das Online-Tool Microsoft Teams.
Kocher: Ja definitiv. Kinder, die schon vorher leistungsstark waren, haben die Zeit zwar ganz gut geschafft, aber insbesondere leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler haben unter der Situation gelitten – obwohl wir von Anfang an ein umfangreiches Programm mit echter Lehrer-Schüler-Interaktion für den digitalen Online-Unterricht konzipiert haben.
Kocher: Wir haben die ersten drei Wochen im neuen Schuljahr erstmal wiederholt und Inhalte aus dem vergangenen Jahr vertieft. Es gab keinen neuen Stoff und keine Prüfungen. Das war aus meiner Sicht nötig, um die Schüler und Schülerinnen wieder in den Schulalltag einzugliedern, ihnen Zeit zu geben im Klassenzimmer anzukommen. Auch die Stunden mit individueller Förderung wurden dauerhaft erhöht. Zudem haben wir festgestellt, dass Corona auch das Sozialverhalten beeinflusst hat. Deshalb sehe ich die Schulen auch in der Verantwortung, bei den Kindern auf Werte wie Respekt, soziale Verantwortung und Einfühlungsvermögen zu achten.

Kocher: Für Räume im Dachgeschoss, die schlecht belüftbar sind, hatten wir die Möglichkeit, mobile Luftfilter anzuschaffen. In die Klassenzimmer haben wir weitere Sets für das Streaming von Unterricht installiert. Und wir haben unser Corona-Testkonzept optimiert. Bei uns können sich Schüler jeden Tag testen, immer bis bis 8.45 Uhr. Dafür ist eine Lehrkraft eingeteilt, die die Aufsicht hat. Diese Maßnahme ist wichtig, wenn ein Schüler am eigentlichen Testtag krank ist, denn dann kann er sich am nächsten Tag hier testen und anschließend den Unterricht besuchen. Auch Schüler der Oberstufe, für die der Unterricht manchmal später beginnt, profitieren davon.
Kocher: Digitalisierung bleibt ein zentrales Thema. Schule muss digitaler werden, das gilt sowohl für die Ausstattung der Schulen als auch für den Unterricht. Da war Corona sogar eine Hilfe, denn wir haben viel dazu gelernt. Allerdings funktioniert für mich Digitalisierung nur dann, wenn digitale Medien und Methoden einen echten Mehrwert bringen. Die ganzen Bausteine zusammenzuführen, ist und bleibt eine große Aufgabe für die Zukunft. Trotz aller Digitalisierung: Schule insgesamt ist und bleibt ein Ort des Lernens, des Austauschs und der Gemeinschaft, an dem Kinder und Jugendliche in allen Bereichen ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden müssen. Gerade in der Corona-Zeit, in der es für viele Kinder nicht mehr "die Clique" oder "den Sportverein" gibt, ist das wichtiger denn je.
Kocher: Durch Corona haben sich auch die Themen an der Schule verschoben. Schulentwicklung muss sich im Moment weitgehend auf Maßnahmen beschränken, die besondere Unterrichtsmodelle aufgrund der Pandemie weiter verbessern. Das ist natürlich schade, aber nicht anders zu leisten. Was den naturwissenschaftlichen Bereich angeht, ist mir wichtig, schon ab der fünften Klasse profilbildende Angebote zu schaffen, zum Beispiel durch das Projekt "Junge Forscher". Im sprachlichen Zweig sind wir gut aufgestellt. Bei uns kann ein Schüler in diesem Bereich bis zum Abitur vier verschiedene Fremdsprachen erlernen. Beginnend mit Englisch als erster und Französisch als zweiter Fremdsprache können dann auch Italienisch und Spanisch als dritte und/oder vierte Sprache erlernt werden.
Kocher: Es ist eine große Herausforderung, die wir da durchlaufen, aber die schrittweise Umstellung funktioniert. Obwohl wir auch noch eine dritte Variante haben, die bei uns etwa 75 Prozent der G8-ler nutzen: nämlich die so genannte Mittelstufe Plus. Dabei wird der Lehrplan des G8 mit einem gedehnten Konzept, einem zusätzlichen Schuljahr, umgesetzt.
Kocher: Generell trifft das auf viele Gymnasien zu. Für uns allerdings nicht, denn sowohl unsere Mittelstufen-Plus-Schüler als auch Schüler und Schülerinnen aus unseren E-Klassen, die erst nach dem mittleren Schulabschluss zu uns kommen, werden ihr Abitur 2025 bei uns an der Schule ablegen. Außerdem Schüler, die im letzten Jahrgang des G8 ein Schuljahr wiederholen müssen. Aller Voraussicht nach wird unsere Schule da auch Jugendliche aus anderen Gymnasien aufnehmen.