Derzeit nehmen die Menschen in Großbritannien Abschied von Königin Elizabeth II., die am 8. September im Alter von 96 Jahren gestorben war. Sie wird derzeit vier Tage lang in der Westminster Hall in London aufgebahrt, bevor sie am kommenden Montag, 19. September, beigesetzt wird.
Seit über 20 Jahren lebt der aus Würzburg stammende international gefragte Experte für Terrorismus und Präventionsstrategien, Peter Neumann, in Großbritannien und hat die Monarchie mehr und mehr verstehen gelernt. "Ich mochte die Queen", sagt der Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London, dessen Schirmherrin die Königin höchstpersönlich war. Dort leitete Neumann auch lange Zeit das International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR). Vor einigen Tagen erst erschien sein neues Buch "Die neue Weltunordnung" im Rowohlt-Verlag.
Momentane Stimmung auf den Straßen Londons
Leider habe er die Queen nie persönlich getroffen, sagt er im Telefongespräch mit der Redaktion. "Tatsächlich habe ich sie mehrmals verpasst, als sie unsere Universität besucht hat, aber einige meiner Studenten haben sie live erlebt." Er selbst habe dafür andere Mitglieder des Königshauses getroffen, so bereits zweimal die Tochter der Queen, Prinzessin Anne.
Die derzeitige Stimmung auf den Straßen Londons schildert Neumann folgendermaßen: "Es kommt darauf an, wo man sich bewegt. Rund um Westminster und den Buckingham Palace, dort wo auch die Trauerprozession stattfand, haben sich viele Trauernde versammelt. Allerdings sind auch viele Touristen dabei und Menschen, die sich das Geschehen einfach mal anschauen wollen." Im Rest der Stadt gehe das Leben recht normal weiter", erklärt der 47-Jährige.
Auffällig sei dennoch, dass in vielen Gebäuden Kondolenzbücher ausliegen, "auch Porträts der Queen werden vermehrt gezeigt, so ist das auch in vielen Pubs der Fall". Und: In vielen Kirchen seien für den kommenden Sonntag Dankesgottesdienste zu Ehren der Queen angekündigt. Auch Neumann hat sich in seiner Universität, dem King’s College, in ein Kondolenzbuch eingetragen, erzählt er.
Insgesamt habe sich die Aufregung einige Tage nach dem Tod von Elizabeth II. in der Bevölkerung etwas gelegt: "Ich kenne auch Leute, die die zehntägige Trauerperiode als zu lang erachten". Einige seien auch genervt, weil im Radio und im Fernsehen nonstop über die Queen berichtet werde, "der Rest der Welt findet da gar nicht mehr statt", so Neumann. Dabei lasse sich jetzt auch nicht mehr wirklich Neues berichten.
Es gebe aber auch wirklich große Anhänger der königlichen Familie, die sich vor dem Palast in Stellung bringen oder in der Schlange warten, um sich am Sarg der Queen in der Westminster Hall von ihr zu verabschieden, erzählt der gebürtige Würzburger. Auch er kenne einige, die der Queen die letzte Ehre erweisen wollen, "zum Teil aber auch deshalb, weil sie sich bewusst sind, Teil eines einmaligen historischen Ereignisses zu sein, über das noch in Hunderten von Jahren gesprochen werden wird".
Fast acht Kilometer Schlange, um die Queen zu würdigen
Und Neumann selbst? "Ich finde, solche Ereignisse kann man viel besser am Fernseher verfolgen als live." Obwohl er die Queen mochte, sei er zudem nicht bereit, sich mehrere Stunden in eine Warteschlange zu stellen. "Außerdem darf man ja noch nicht mal ein Foto machen, was aus heutiger Sicht noch ein Anreiz gewesen wäre, um dieses in sozialen Medien zu verwerten. Aber noch nicht mal das geht." Nach Informationen des britischen Nachrichtenportals BBC vom Freitagmittag war die Warteschlange von Tausenden von Menschen am Südufer der Themse entlang flussaufwärts um die acht Kilometer lang. Mindestens elf (oder mehr) Stunden Wartezeit müssten eingeplant werden, um von der Queen in der Westminster Hall Abschied zu nehmen.
"Wenn man wie ich seit mehr als zwanzig Jahren im dem Land lebt, kann man das große Interesse schon nachvollziehen. Die Queen war wie 'jedermanns Großmutter, jedermanns Oma', viele Briten haben ihr ganzes Leben ja nichts anderes gekannt. Sie war auf jeder Briefmarke, auf jeder Banknote, eigentlich omnipräsent – die Queen war Teil deines Lebens, egal ob du das wolltest oder nicht, sozusagen das Logo des britischen Staates", fasst Neumann zusammen.
Er spricht vom "Zauber der Monarchie", den man in Deutschland nicht kennt. Zwar habe das Königshaus keine politische Macht mehr, aber nach wie vor eine große repräsentative Bedeutung für die Briten.
Er könne sich in seiner gesamten Zeit in Großbritannien eigentlich an niemanden erinnern, der etwas Negatives über die Queen gesagt hätte. "Sogar diejenigen, die eigentlich gegen die Monarchie sind, haben nichts persönlich gegen die Königin gehabt." Dies sei mit anderen Mitgliedern des Königshauses anders. Da werde es der neue König Charles III. nicht einfach haben, prophezeit Neumann: "Schon jetzt gab es zwei Situationen, die hier Gesprächsthema sind, in denen er sich arrogant verhalten haben soll." Die Queen sei seines Wissens nach in über 70 Jahren Regentschaft nicht einmal negativ aufgefallen, erklärt er.
Insgesamt sei die Monarchie im Freundes- und Bekanntenkreis, aber durchaus auch mal im Beruflichen, "ein niemals endendes Gesprächsthema", erzählt der 47-Jährige. In den vergangenen Jahren waren es nicht mehr so sehr die Geschichten um die Queen, aber ihrer Enkel William und Harry mit deren Ehefrauen Kate und Meghan gewesen, die das Volk mitverfolgt habe. Neumann hätte es als gute Lösung für die Monarchie erachtet, wenn Charles die Krone gleich an seinen Sohn William weitergereicht hätte: "William und Kate sind sehr beliebt im Volk."
Was der Experte zur Sicherheitslage in London sagt
Auf die momentane Sicherheitslage in London angesprochen, sagt der Terrorexperte: "Natürlich birgt solch ein Ereignis, bei dem so viele Menschen zusammenkommen, auch eine erhöhte Bedrohungslage und kann ein Magnet sein." Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, sei das Risiko für einen Anschlag im Zusammenhang mit der Beerdigung der Queen laut Angaben des Britischen Geheimdienstes "erheblich". Dies ist die dritte von insgesamt fünf Bedrohungsstufen, die höchste wird als "kritisch" bezeichnet.
Neumann hat aber auch beobachtet, wie viele Sicherheitsvorkehrungen zu diesem historischen Großereignis getroffen wurden. Das Polizeiaufkommen sei sehr hoch, auch das britische Militär sei mobilisiert worden, sagt er. Erhöhte Wachsamkeit sei trotzdem angesagt.
Rein biologisch schon unwahrscheinlich, Charles müsste ja älter als 133 Jahre werden.
Natürlich haben Sie Recht, ich habe die Amtszeit der Queen erheblich zu niedrig angesetzt.