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Würzburg
Nach jahrelanger Forschung: Warum Klaus Schilling jetzt um eine Satellitenfabrik in Würzburg kämpft
Mit seinen Kleinsatelliten hat er Maßstäbe gesetzt und der Uni Würzburg Prestige eingebracht. Als Professor ist er nun im Ruhestand, aber Klaus Schilling hat noch Ziele.
Die Würzburger Satellitenforscher um Klaus Schilling, hier mit einem Mini-Satelliten, kooperieren unter anderem mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Foto: Silvia Gralla | Die Würzburger Satellitenforscher um Klaus Schilling, hier mit einem Mini-Satelliten, kooperieren unter anderem mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:19 Uhr

Es sind High-Tech-Würfel kaum größer als Pflastersteine, doch ihre Reichweite ist gigantisch: Sie  schwirren im Orbit um die Erde, liefern wertvolle Bilder und Informationen, durchleuchten Wolken oder sorgen für die blitzschnelle Kommunikation rund um den Globus. Die Rede ist von Kleinsatelliten, wie sie seit fast 20 Jahren an der Universität Würzburg entwickelt werden.

Bund fördert Satellitenfabrik mit sechs Millionen Euro

Als deren Vater will Klaus Schilling in einem nächsten Schritt nun auch die Serienfertigung an den Main holen. Die ersten Weichen für eine Forschungsfabrik sind gestellt. Für ihren Aufbau gab es gerade erst sechs Millionen Euro an Bundesmitteln über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Robotik-Professor Schilling hofft nun auch auf starke politische Unterstützung für das Projekt aus der Region.

Er selbst wird ab sofort mehr Zeit dafür haben: Gerade hat Schilling seine Abschiedsvorlesung im Hörsaal gehalten, Uni-Präsident Prof. Paul Pauli verabschiedete den Robotik-Spezialisten in den Ruhestand. Wer den umtriebigen Schilling kennt, wird dabei schmunzeln. Der gebürtige Bayreuther, Jahrgang 1956, gilt als exzellenter Netzwerker mit Verbindungen rund um die Welt. Er wird nichts unversucht lassen, um Satellitenforschung und  Satellitenbau in Würzburg weiter voranzubringen.

Frühe Erfolge schon bei "Jugend forscht"

Dies tut er vor allem als Vorstandsvorsitzender des 2007 von ihm gegründeten Zentrums für Telematik (ZfT). Es ist eine der wenigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Würzburg, so wie das Fraunhofer Institut für Silicatforschung ISC. Dessen Leiter Gerhard Sextl war zu Schillings Verabschiedung gekommen - selbstredend, denn die beiden Wissenschaftler und Forschungsmanager sind befreundet. Und sie kennen sich seit 1976: Damals trafen sie sich beim bayerischen Landesfinale von "Jugend forscht". Sextl im Fach Chemie, Schilling in Mathe/Informatik.

Klaus Schilling, Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Telematik an der Uni Würzburg, nach seiner Abschiedsvorlesung. In der Hand hält er den Kleinsatelliten UWE 4. Rechts ein Modell der Raumsonde Huygens aus seiner Antrittsvorlesung von 2005,
Foto: Andreas Jungbauer | Klaus Schilling, Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Telematik an der Uni Würzburg, nach seiner Abschiedsvorlesung. In der Hand hält er den Kleinsatelliten UWE 4.

In Würzburg sollten sich 30 Jahre später ihre Wege wieder kreuzen. Im Fach "Arbeitswelt" wurde Klaus Schilling sogar "Jugend forscht"-Bundessieger. Er war also schon damals nicht nur der Formelfreak, sondern interessierte sich früh für das große Ganze und die praktische Anwendung. Im Bereich Mathematik an der damals recht neuen Uni Bayreuth war er Anfang der 80er Jahre der erste einheimische Doktorand. Er beschäftigte sich mit dem praxisnahen Thema von Steuerungsproblemen.

Sein Doktorvater Frank Lempio, von 1974 bis 1976 Professor für angewandte Mathematik in Würzburg, erinnert sich: "Ehrgeizig war Klaus Schilling schon damals, seine außerordentliche Karriere in der Deutlichkeit aber nicht abzusehen", sagt der heute 79-Jährige.

Die Verbindung zur Praxis ist der rote Faden, der sich durch Schillings Karriere zieht. Wissenschaft, so sein Credo, müsse den Menschen nützen – oder wie er es sagt: "Es muss etwas Sinnvolles dabei herauskommen." Und dafür braucht es einen moralischen Kompass, eine tragfähige Wertebasis. Technik zu entwickeln ist das eine – sie verantwortungsvoll einzusetzen, das andere.

Deshalb schlägt Schilling gern den großen Bogen, erklärt die Zusammenhänge und konnte viele Studierende für sein Metier begeistern. Sie müssen seine Leidenschaft vor allem für Satelliten gespürt haben. Als der Mathematiker 2003 dem Ruf an die Uni Würzburg folgte, hatte er sechs Jahre beim Raumfahrtunternehmen Dornier mit der Entwicklung von Raumsonden und zwölf Jahre als Professor an der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten hinter sich. Zusätzlich war er von 1992 bis 2007 Leiter des von ihm gegründeten Steinbeis Transferzentrums ARS.

In Würzburg ab 2003 die Weichen für Raumfahrt- und Satellitenforschung gestellt

Seine Bedingung, um dem Ruf an den Main zu folgen: eine Robotikhalle am Hubland-Campus. "Ich wollte ja Experimente durchführen." Und er hatte schnell sein "Baby" gefunden: Mit den Kleinsatelliten war Schilling am Puls der Zeit. 2005 präsentierten er und sein Team den Forschungssatelliten "UWE 1", es folgten weitere Generationen bis zu UWE 4, der mittels Elektroantrieb sogar Ausweichmanöver fliegen kann.

Meilenstein im Herbst 2020 für die  Würzburger Satelliten-Forscher: Vier Kleinstsatelliten wurden mit der einer Soyus-Rakete ins All geschossen. Den Start verfolgte Klaus Schilling gemeinsam mit Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach.
Foto: Thomas Obermeier | Meilenstein im Herbst 2020 für die  Würzburger Satelliten-Forscher: Vier Kleinstsatelliten wurden mit der einer Soyus-Rakete ins All geschossen.

Schilling begründete die Raumfahrtstudiengänge an der Julius-Maximilians-Universität. Seit 2018 gibt es die Satellitentechnologie, der Studiengang wird über das Elitenetzwerk Bayern vom Freistaat bis mindestens 2028 gefördert. Und für seine Forschung an Kleinsatelliten erhielt Schilling 2021 die Eugen-Sänger-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Sie gilt als wichtigste deutsche Auszeichnung im Raumfahrtsektor.

Wie richtungsweisend die Satellitenentwicklung in Würzburg mit Schilling war, zeigt ein Blick in den Himmel: Allein Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX hat seit 2019 mehr als 3000 Kleinsatelliten ins All befördert. Sie halfen zuletzt, das Internet in der Ukraine aufrecht zu erhalten. Das chinesische Staatsunternehmen CASC hat laut Schilling Funklizenzen für Konstellationen aus 13.000 Satelliten beantragt.

Der Wettlauf im All ist also voll entbrannt. Waren es Mitte der Nuller Jahre nur Hochschulen, die an den Mini-Satelliten bastelten, seien heute mehr als 90 Prozent aller Kleinsatelliten im All kommerziell unterwegs, so Schilling.

Deshalb ist bei dem nun emeritierten, normalerweise sehr ruhigen Professor eine gewisse Unruhe zu vernehmen: Fast 20 Jahre hat man jetzt geforscht – nun sollen Würzburger Kleinsatelliten auch in Serie gebaut werden, in einer robotergestützten Satellitenfabrik 4.0. Dafür will er noch kämpfen, Netzwerke weiter ausbauen und Gelder einwerben. Da hatte er schon in der Vergangenheit ein besonderes Talent, oder wie es jemand aus seinem nächsten Umfeld formuliert: "Er wäre auch ein guter Finanzminister geworden."

 
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  • Braun_Matthias@hotmail.com
    Was ich mich frage, wenn diese Würfel in Serie am Band gebaut werden und jede Nation 10 tsd. ins All schiessen möchte macht das doch bestimmt irgendwann auch Schwierigkeiten. Der Welrtaumschrott wird ja dann immer mehr zunehmen.
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