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Reichenberg
Nach der Sturzflut in Reichenberg: Wie die Menschen im Dorf zusammenstehen, um die Schäden des Hochwassers zu beseitigen
Am Sonntag nach der Sturzflut haben viele Menschen in Reichenberg mit angepackt, um Wasser und Schlamm aus den Häusern zu bekommen: Beobachtungen in der Bahnhofstraße.
Reichenberg am Morgen nach der Sturzflut vom 3. August: Marion Koblenz (rechts) und Monika Frosch vom 'tauschbar'-Team in der Bahnhofstraße lassen sich den Optimismus nicht nehmen
Foto: Torsten Schleicher | Reichenberg am Morgen nach der Sturzflut vom 3. August: Marion Koblenz (rechts) und Monika Frosch vom "tauschbar"-Team in der Bahnhofstraße lassen sich den Optimismus nicht nehmen
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 13.08.2024 02:38 Uhr

Am Sonntagmorgen ist der Asphalt in der Ortsmitte von Reichenberg mit Schlammspuren überzogen, am Rand türmen sich Gegenstände, denen man ansieht, wie sehr sie in Mitleidenschaft gezogen wurden. Links und rechts auf den Gehsteigen entlang der Bahnhofstraße wird geräumt, gekehrt und geputzt. 

Erst wenige Stunden ist es her, dass durch die Reichenberger Ortsmitte eine gewaltige Wassermasse geschossen ist. Es war wohl kurz vor 22 Uhr am Samstagabend, als in der Bahnhofstraße Land unter gemeldet werden musste. Kurz zuvor hatten kräftige Gewittergüsse vor allem über den Ortsteilen Uengershausen und Lindflur dafür gesorgt, dass das Kanalsystem und natürliche Abflüsse die Wassermengen nicht mehr bewältigen konnten. Auch in den beiden Ortsteilen gab es Überflutungen. Wenig später suchte sich das Wasser dann seinen Weg in die Reichenberger Ortsmitte. 

Kurz nach neun Uhr am Sonntagmorgen haben die Helferinnen und Helfer vor dem Ladenlokal von "tauschbar" alle Hände voll zu tun. In dem ehrenamtlichen Sozialprojekt, das zur Nachbarschaftshilfe gehört, können Menschen normalerweise Dinge mitbringen oder mitnehmen. Jetzt geht es darum, zu retten, was zu retten ist. Immer noch tragen die Leute Textilien und Kisten mit Gegenständen ins Freie.

Viele Menschen helfen beim Waschen der Bekleidung 

Mittendrin im Gewusel ist Marion Koblenz vom "tauschbar"-Team. "Irgendwann in der Nacht sind wir hierhergekommen, um zu sehen, ob wir schon etwas tun können. Aber erst musste die Feuerwehr den Keller auspumpen", erzählt sie. Sie und andere haben nur wenige Stunden geschlafen, jetzt sind sie wieder vor Ort. 

Eine vom Schlamm rutschige Treppe führt in den Keller, je weiter es hinuntergeht, desto feuchter schlägt einem die Luft entgegen. Unten befindet sich das Lager, hier versuchen Helferinnen und Helfer gerade, den Boden sauber zu bekommen. Die Regale sind leer, an den Fächern stehen die Nummern der Klamottengrößen.

Fotoserie

"Wir haben alles auf die Straße geräumt. Über Instagram haben wir aufgerufen und die Leute gebeten, die Sachen zum Lüften und Waschen mit nach Hause zu nehmen", sagt Marion Koblenz und freut sich: "Es sind so viele gekommen, inzwischen ist fast alles weg. Der Laden wird so geliebt, jeder kommt und hilft!" Und nicht nur die Großen packen mit an: Felia, Emma, Tom und Toni, vier Kinder im Vor- und Grundschulalter, schieben Wischer und Besen emsig über den Fußboden. 

Halfen im Reichenberger 'tauschbar' fleißig beim Saubermachen mit: die Kinder Felia, Emma, Tom und Toni (von links).
Foto: Torsten Schleicher | Halfen im Reichenberger "tauschbar" fleißig beim Saubermachen mit: die Kinder Felia, Emma, Tom und Toni (von links).

Das Lager hatten die Ehrenamtlichen vom "tauschbar" erst kürzlich eingerichtet. "Vor vielleicht zwei Monaten hatten wir alles neu gemacht", sagt Marion Koblenz und zeigt auf einen großen Schrank. "Dort waren die Weihnachtssachen, dort die Sachen für Ostern und für den Fasching. Wir hatten alles neu sortiert." 

Draußen auf der Straße steht in Gummistiefeln und mit schlammverschmierter Hose Monika Frosch. Die muntere 79-Jährige gehört auch zum "tauschbar"-Team. "Ich helfe gerne, wie alle anderen auch", sagt sie. Ein paar Säcke mit Bekleidung nimmt auch sie zum Waschen mit nach Hause. Die beiden Frauen lassen sich trotz all des Drecks den Optimismus nicht nehmen. Was aber jetzt wirklich helfen würde, wäre ein Luftentfeuchter. "Wäre toll, wenn uns jemand mit einem Gerät aushelfen könnte", sagt Marion Koblenz.

Karibuni-Laden will schon am Dienstag wieder öffnen

Nebenan stapeln sich ebenfalls durchgeweichte Kisten und Beutel auf der Straße. Auch der "Karibuni"-Laden vom Reichenberger Eine-Welt-Verein hat mit den Folgen der Sturzflut zu kämpfen. Maria Weiss, die Vorsitzende, führt durch die Räume. Den Laden gibt es bereits seit 1996, auch bei der Sturzflut vor drei Jahren waren die Räume betroffen. "2021 war es noch schlimmer", sagt sie. Danach habe man mit Sandsäcken und einem Schutzeisen vorgesorgt. "Das hat das Wasser vorn einigermaßen zurückgehalten", sagt sie. Verschont blieb der Laden dennoch nicht: Das Wasser kam schließlich über die Dusche und von hinten hinein. 

Nach der Sturzflut von Reichenberg: Im Keller des 'Karibuni'-Ladens steht noch Wasser.
Foto: Torsten Schleicher | Nach der Sturzflut von Reichenberg: Im Keller des "Karibuni"-Ladens steht noch Wasser.

Im Verkaufsraum ist Barbara Loesch vom Karibuni-Team gerade dabei, die Spuren der Nacht zu beseitigen. Während es im Erdgeschoss schon wieder ganz gut aussieht, steht in einigen Kellerräumen immer noch Wasser. In einem davon bergen Jürgen Oberfrank und Dagmar Engelhardt Gegenstände aus den Regalen. Oberfrank wohnt in Aichtal (Baden-Württemberg) und war nur zu Besuch am Wochenende in Reichenberg. Sein Motorrad und sein Auto sind nun von Wasser und Schlamm schwer beschädigt. 

Maria Weiss vom Reichenberger Eine-Welt-Verein schreibt im Karibuni-Laden schon mal ein Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer auf die Tafel. 
Foto: Torsten Schleicher | Maria Weiss vom Reichenberger Eine-Welt-Verein schreibt im Karibuni-Laden schon mal ein Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer auf die Tafel. 

Oben im Laden sieht man indes bereits Licht am Ende des Tunnels. Wann im Laden wieder verkauft werden kann? Barbara Loesch ist da völlig klar: "Na wir hoffen schon, dass wir wie immer am Dienstag wieder aufmachen können" – ganz normal also, so wie in jeder anderen Woche auch.

 
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  • Reinhard Opel
    vor 8 Jahren war auch unsere Ortschaft, Essfeld, Gemeine Giebelstadt, (Luftlinie 3 bis 4 Kilometer) von einem "Jahrhunderthochwasser" betroffen. es hätte uns auch wieder treffen können.

    daß jetzt wiede dieselben Familien in 3 Jahren 3x betroffen sind ist schon sehr traurig.
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