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Reichenberg
Sturzflut in Reichenberg: Hatten Sie Angst um Ihr Dorf, Herr Hemmerich?
Zweimal hintereinander wurde Reichenberg von einer heftigen Überschwemmung  heimgesucht. Bürgermeister Stefan Hemmerich über die Flut, die Schäden und den Blick nach vorn.
Reichenberg wurde am Donnerstag von einer zweiten Sturzflut in der Ortsmitte überrascht.
Foto: Thomas Obermeier | Reichenberg wurde am Donnerstag von einer zweiten Sturzflut in der Ortsmitte überrascht.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:29 Uhr

Das Wasser schoss wie ein reißender Strom durch die Ortsmitte von Reichenberg, und das zweimal kurz hintereinander. Erst hatten am Freitag voriger Woche Stark- und Dauerregen die Flut ausgelöst, dann war an diesem Donnerstag eine Gewitterzelle mit Hagel und Regen die Ursache für die nächste, noch heftigere Überschwemmung.

In der Bahnhofstraße stand das Wasser zeitweise einen Meter hoch, Keller liefen voll, Autos wurden beschädigt – verletzt wurde zum Glück niemand. Dennoch sitzt im Ort der Schrecken tief. Ein Gespräch mit Reichenbergs Bürgermeister Stefan Hemmerich (51) über außergewöhnliche Tage. 

Frage: Als nach dem ersten Starkregen vor einer Woche plötzlich die Sonne schien, haben Sie von einer "surrealen Situation" gesprochen. Nur ein paar Tage später stand Reichenberg zum zweiten Mal unter Wasser. Fühlen Sie sich wie im falschen Film?

Stefan Hemmerich: Auf jeden Fall. Und man fragt sich schon, womit der Ort das eigentlich verdient hat, zumal da jetzt noch mal einer oben drauf gesetzt wurde. Am Donnerstag war es ja noch mal deutlich schlimmer als am Freitag zuvor. 

Hätten Sie sich vorstellen können, dass es so kurz hintereinander noch mal schlimmer kommt?

Hemmerich: Eine gewisse Befürchtung hatte ich schon. Es war ja offensichtlich, dass die Aufnahmekapazitäten des Bodens ausgereizt waren. Damit war klar: Wenn wieder ein Starkregen-Ereignis kommt, dann kommt es heftiger und schneller. 

In anderen Ecken des Landkreises waren die Folgen des Starkregens nicht so extrem. Haben Sie sich mal gedacht: Warum ausgerechnet Reichenberg?

Hemmerich: Ja, das ging mir durch den Kopf. Vor allem, als ich im Internet gesehen habe, wie sich diese Gewitterzelle am Donnerstag entwickelt hat. Da war gut zu sehen, dass die Zelle ausschließlich über Reichenberg stand und sich dann der Länge nach durch das Tal des Sichelsgrundes bewegt hat. Da haben wir richtig Pech gehabt, keine Frage. Und man kam sich dann schon etwas komisch vor, wenn Menschen aus der nächsten Umgebung überhaupt nichts von dem Gewitter mitbekommen haben und einem erzählen, bei ihnen sei schönster Sonnenschein gewesen.

Beim Anblick von Videoaufnahmen der Sturzflut am Donnerstag in der Bahnhofstraße konnte einem anders werden. Hand aufs Herz, Herr Hemmerich: Haben Sie da auch Angst um Ihr Dorf bekommen?

Hemmerich: Definitiv. Ich bin am Donnerstag schon zu Beginn des Gewitters mit meinem Geschäftsleiter in die Ortsmitte gegangen. Wir haben relativ früh Bauhof und Feuerwehr alarmiert. Dann ist das Wasser erst mal wieder abgelaufen, aber danach kam die große Welle. Da ist mir wirklich anders geworden, das war erschreckend. Mir war klar, dass man im schlimmsten Fall vielleicht gar nicht mehr reagieren kann, wenn beispielsweise ein Keller vollläuft und jemand da nicht mehr rauskommt. In anderen Gegenden Deutschlands ist das ja passiert. Gott sei Dank gab es solche Fälle bei uns nicht. Und zugleich macht einen das demütig und man ist froh, dass es in Reichenberg bei Sachschäden geblieben ist.

'Das war erschreckend': Stefan Hemmerich, Bürgermeister von Reichenberg.
Foto: Fabian Gebert | "Das war erschreckend": Stefan Hemmerich, Bürgermeister von Reichenberg.
Wie viele Häuser sind betroffen?

Hemmerich: Endgültige Zahlen haben wir noch nicht. Betroffen sind natürlich auch wieder die Anwesen, die am vergangenen Freitag schon dabei waren. Weil das Wasser am Donnerstag aus der anderen Richtung kam, sind aber noch welche dazugekommen. Ich schätze, dass über 30 Häuser betroffen sind. 

Und die Schäden?

Hemmerich: Die lassen sich noch nicht abschätzen. Im Gegensatz zum ersten Mal hat es am Donnerstag leider auch Wohnräume und den Gastraum vom "Brunnenbäck" getroffen. In einem Fall ist ein Öltank aufgeschwommen, der noch in der Nacht aufgeschnitten und entsorgt werden musste. Die Sachschäden der zweiten Flut werden sicher höher sein als die vom vergangenen Freitag.

Fotoserie
Haben sich Geschädigte an Sie mit der Bitte um Hilfe gewandt?

Hemmerich: Im Moment ist es noch umgekehrt. Es melden sich Menschen, die helfen wollen, auch finanziell. Die Angebote werden wir jetzt zentral im Rathaus sammeln und ein Konto dafür einrichten. Was die Hilfe beim Saubermachen und Aufräumen betrifft, hat die Dorfgemeinschaft gut funktioniert. 

Zwei Überschwemmungen kurz hintereinander: Was kann die Gemeinde tun, um sich gegen Folgen von Starkregen-Ereignissen besser zu wappnen?

Hemmerich: Es zeigt sich, dass die Maßnahmen, die wir bis jetzt getroffen haben, ein gewisses Limit haben. Es wird aber keine einzelne Großmaßnahme geben, die solche Ereignisse sinnvoll verhindern kann. Wir müssen schauen, dass wir das Wasser so führen, dass es dorthin läuft, wo wir es haben wollen. Das wird auch ein Ergebnis des Hochwasserschutz-Konzeptes sein, das wir im Moment gemeinsam mit der Stadt Würzburg entwickeln. Und vielleicht gibt es auch Möglichkeiten in Feld und Flur. Beispielsweise ließen sich durch die Absenkung von Feldern wieder Überflutungsflächen schaffen, wie man sie früher hatte. Auch die Bürger haben Chancen, sich besser vor Starkregen zu schützen. Wir bieten dazu am 15. Oktober um 20 Uhr einen Vortrag in der Wolffskeelhalle an.

Haben Sie den Eindruck, dass Reichenberg in den vergangenen Tagen mehr zusammengewachsen ist?

Hemmerich: Ganz sicher, das merkt man. 2016 gab es ja schon einmal ein großes Hochwasser, von dem auch die Ortsteile betroffen waren. Auch da hat man, wie jetzt wieder, gemerkt, dass sich die Leute sehr schnell gegenseitig unterstützen, dass ein echtes Gemeinschaftsgefühl aufkommt.

Welche Botschaft haben Sie nach dieser Woche für Ihre Bürgerinnen und Bürger?

Hemmerich: Am wichtigsten ist es mir, noch einmal Danke zu sagen – an die Freiwillige Feuerwehr Reichenberg, die sofort mit allen verfügbaren Kräften und Unterstützung aus den anderen Gemeindeteilen zur Stelle war und an alle Markt Reichenberger, die zusammen mit den Feuerwehrleuten und unseren Jungs vom Bauhof angepackt und zusammen geholfen haben. Mir ist klar, dass viele jetzt Befürchtungen haben, wenn sie eine Wolke am Himmel sehen. Ich wünsche mir dennoch, dass die Menschen trotz der Ereignisse positiv in die Zukunft blicken.

 
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  • M. D.
    Ihr Kommentar hatte mit dem Artikel nichts zu tun. Bei thematisch passenden Artikeln können Sie natürlich gerne mit Bibel-Zitaten kommentieren.
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  • M. D.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • M. R.
    Reichenberg braucht riesige Regenrückhaltebecken. Das kostet Geld. Würzburg hat sich auch nicht lumpen lassen.
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