
Am Tag, an dem die AfD-Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" (JA) in Würzburg für ihn auf die Straße gehen wollte, weilte Daniel Halemba in Erlangen. Dort soll im Haus der Burschenschaft Frankonia, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird, der umstrittene Historiker und AfD-Politiker Stefan Scheil Medienberichten zufolge einen Vortrag gehalten haben. Das Thema: "Polens Großmachtphantasien im 21. Jahrhundert". Laut "Nürnberger Nachrichten" demonstrierten knapp 100 Menschen vor dem Burschenschaftshaus gegen Geschichtsrevisionismus.
Unterdessen blieb es am Samstag vor dem Justizzentrum in Würzburg still. Dort wollte die JA eigentlich demonstrieren unter dem Motto "Solidarität mit Daniel Halemba", gegen den die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Volksverhetzung ermittelt. Doch kurz vor der Veranstaltung erfolgte die Absage. Zu den Hintergründen wurde seitdem spekuliert.
Bayerische Parteispitze war gegen Kundgebung der JA in Würzburg
Am Montag bestätigte sich, was am Wochenende unter anderem von der "Süddeutschen Zeitung" kolportiert worden war: dass die bayerische AfD-Führung interveniert und sich gegen die Kundgebung ausgesprochen hatte. Im Gespräch mit der Redaktion räumte der bayerische AfD-Chef Stephan Protschka ein, er sei mit der geplanten Aktion "nicht sehr glücklich" gewesen.
Bereits vor einer Woche, als Halemba kurzzeitig festgenommen worden war und deshalb die konstituierende Landtagssitzung verpasst hatte, habe es die Idee gegeben, eine Mahnwache in Würzburg abzuhalten, sagt Protschka. Nach Halembas Freilassung unter Auflagen habe die "Junge Alternative" dann eine Solidaritätskundgebung geplant. Er habe den Parteinachwuchs jedoch "aufgefordert, es bleibenzulassen" und abzuwarten, was bei den Ermittlungen herauskommt, so der AfD-Bundestagsabgeordnete. Einige in der Partei hätten sich nach Informationen der Redaktion dagegen mehr Zusammenhalt gewünscht.
Kurs der Fraktionsführung wird in der AfD kritisch gesehen
Im Landtag zeigt sich die AfD-Fraktion in Sachen Halemba verschlossen: Gleich mehrere AfD-Abgeordnete ließen am Montag Presseanfragen unbeantwortet. "Kein Medienkontakt" laute die Vorgabe der Fraktionsspitze, so ist zu hören. Andere hielten sich bedeckt. "Die JA hat die Demo organisiert, angekündigt und abgesagt", sagte der unterfränkische AfD-Chef Richard Graupner. "An Mutmaßungen" zu den Hintergründen werde er sich "nicht beteiligen", so der Abgeordnete aus Schweinfurt.
Den Erlass des Haftbefehls gegen den jungen Parteifreund am Freitag vor einer Woche hatte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner noch selbst per Pressemitteilung öffentlich gemacht - verbunden mit schweren Vorwürfen gegen die Staatsregierung: Die "staatliche Repression" gegen die AfD habe in Bayern "eine neue Qualität erreicht", wetterte sie. Dies sei sonst nur "von totalitären Diktaturen" bekannt.
Dahinter steckt der in der AfD kursierende Vorwurf, das harte Vorgehen der Justiz gegen Halemba sei politisch gesteuert. Belege dafür gibt es nicht. In der Landtags-AfD halten manche diesen Kurs der eigenen Fraktionsführung für politisch ungeschickt: Dass ausgerechnet die Verhaftung des jüngsten AfD-Manns aus der Staatskanzlei gesteuert wäre, sei "abstrus", heißt es dort. Die Vorwürfe gegen Halemba seien zudem bislang so dünn, dass nichts übrig bleibe. Damit könne man am Ende politisch viel besser punkten.
Bayerischer AfD-Chef zieht Aiwanger-Vergleich
Dass der Haftbefehl gegen Halemba übertrieben war, ist jedoch einhellige Meinung in Partei wie Fraktion. Laut Staatsanwaltschaft war bei einer Durchsuchung im Haus der Würzburger Burschenschaft "Teutonia Prag" in Halembas Zimmer ein SS-Befehl von Heinrich Himmler gefunden worden, außerdem soll er in einem Gästebuch die Worte "Sieg Heil" mit seinem Namen unterschrieben haben.
Auch wenn ihm solche Dinge nicht gefielen, betonte der bayerische AfD-Chef Stephan Protschka, gehe es bei den Vorwürfen um nichts Verbotenes - der Besitz solcher Schriften sei "nicht strafbar". Es werde "mit zweierlei Maß gemessen", empört sich Protschka: Der 52-jährige Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger dürfe nach seiner Flugblatt-Affäre wieder mitregieren, gegen den 22-jährigen Daniel Halemba, einen "jungen Kerl, der noch lernen muss", habe man einen Haftbefehl erlassen.
Bei Frage zur Immunität hat sich die AfD-Fraktion enthalten
Wie also weiter im Fall Halemba? Die Signale aus der AfD sind widersprüchlich. Bei der Abstimmung über die Aufhebung der Abgeordnetenimmunität Halembas im Landtag enthielt sich die Fraktion noch und stimmte nicht mit Nein. Tags darauf gab es bei der Landtagspremiere des neuen Abgeordneten im Plenarsaal Umarmungen und Selfies mit der Fraktionsspitze.
Dies heiße aber nicht, dass die AfD in Bayern nun Nazi-Propaganda verharmlose, betont Ulrich Singer, bis kurz nach der Landtagswahl AfD-Fraktionschef. Niemand wisse, was Halemba nun genau vorgeworfen werde. Unabhängig davon gebe es aber "Dinge, die in der Partei nicht geduldet werden dürfen", fordert er. Es sei deshalb richtig, wenn die Parteispitze "Grenzen ziehen" wolle - wie bei der abgesagten Demo in Würzburg.