Im Zusammenhang mit der Verhaftung des unterfränkischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba war in den vergangenen Tagen viel von der parlamentarischen Immunität die Rede. Doch was genau ist das? Wozu ist sie gedacht? Und wie wird in Bayern damit in der Praxis umgegangen?
Warum genießen Landtagsabgeordnete überhaupt parlamentarische Immunität?
Parlamentarische Immunität soll die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments schützen. Das Parlament als gesetzgebende Gewalt soll vor möglicher politischer Willkür, etwa der Regierung oder der Justiz, geschützt werden. Historische Warnung ist die Anfangszeit des Nationalsozialismus, als auch Parlamentarier wegen ihrer politischen Einstellung verhaftet wurden.
Darüber hinaus soll die Immunität die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Denn fehlen zu viele Abgeordnete, steht die Beschlussfähigkeit in Frage, der politische Einfluss des Parlaments wäre somit ausgehebelt.
Wie ist die parlamentarische Immunität in Bayern geregelt?
In Bayern ist die parlamentarische Immunität in Artikel 28 der Verfassung geregelt. Dort heißt es in Absatz 1, kein Mitglied des Landtags "kann ohne dessen Genehmigung während der Tagung", gemeint ist die Legislaturperiode, "wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden". Nach Absatz 3 müssen "auf Verlangen des Landtags" Strafverfahren und Haftstrafen gegen Abgeordnete aufgehoben werden. Diese Aufhebung ist allerdings nicht möglich, "wenn der Abgeordnete eines unpolitischen Verbrechens bezichtigt wird".
Die Immunität ist also kein Freibrief für Abgeordnete vor Strafverfolgung geschützt zu sein. Die Gesetze gelten hier wie für jeden anderen Bürger. Der Landtag hat allerdings das Recht auf eine Überprüfung. Eine Aufhebung der Immunität ist zudem keine Vorfestlegung über Schuld oder Unschuld. Damit werden nur weitere Ermittlungen oder eine Anklageerhebung ermöglicht.
Wie läuft die Aufhebung der parlamentarischen Immunität in Bayern konkret?
Für eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren sieht die Geschäftsordnung des Landtags ein "vereinfachtes Verfahren" zur Aufhebung der Immunität vor. Hier müssen nur die Landtagspräsidentin sowie die beiden Vorsitzenden des Rechtsausschusses von der Justiz informiert werden. Unter anderem bei einer Klageerhebung wegen einer Straftat, bei "Beleidigungsdelikten mit politischem Charakter" oder bei Erlass eines Strafbefehls außer bei Verkehrsdelikten muss die Vollversammlung des Landtags über die Immunität beschließen.
Der Immunitätsschutz für Landtagsabgeordnete greift erst "mit der Eröffnung der ersten Sitzung des Landtags nach der Wahl". Läuft bereits zuvor ein Verfahren gegen einen neu gewählten Abgeordneten, gilt dies als "mitgebrachtes Verfahren". Dann ist eine Aufhebung der Immunität erst dann erforderlich, wenn etwa Anklage erhoben werden soll. Im Fall Halemba hat der Landtag nun trotzdem förmlich die Immunität aufgehoben, um mögliche Verzögerungen der Ermittlungen bis zur vollen Arbeitsfähigkeit des Landtags zu verhindern.
Wann verliert ein Abgeordneter des Landtags sein Mandat?
Ein Abgeordneter verliert seinen Sitz im Landtag laut Artikel 56 Absatz 1 des Bayerischen Landeswahlgesetzes erst mit dem "Verlust der Wählbarkeit". Nach Paragraf 45 Absatz 1 des Strafgesetzbuches gilt dies für die Dauer von fünf Jahren, wenn man wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird.
Wie oft kommt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität in Bayern vor?
Im Landtag kommt es immer wieder zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten. In der letzten Wahlperiode war dies laut Landtagsamt neun Mal der Fall, in der Wahlperiode 2013 bis 2018 sechs Mal und in der Wahlperiode 2008 bis 2013 zwei Mal.
In der Praxis ist die Aufhebung der Immunität meist ein formaler Akt. So wurde 2020 etwa die Immunität des unterfränkischen AfD-Abgeordneten Richard Graupner wegen des Vorwurfs des Verrats von Dienstgeheimnissen als Polizist aufgehoben. Der frühere Freie-Wähler-Abgeordnete Günther Felbinger verlor 2016 seine Immunität wegen Betrugsvorwürfen. Beide wurden später rechtskräftig verurteilt.